01.04.2011

Mit Darstellungen urheberrechtlich geschützter Werke illustrierte Berichte dürfen nicht dauerhaft in Online-Archiven abrufbar sein

Ein Eingriff in das Urheberrecht bedarf stets so lange einer Rechtfertigung, wie er andauert. Wird im Rahmen der Online-Berichterstattung über eine Veranstaltung berichtet, bei der urheberrechtlich geschützte Werke wahrnehmbar werden (hier: Bericht über eine Ausstellungseröffnung), dürfen Abbildungen dieser Werke nur so lange als Teil dieser Berichterstattung im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, wie die Veranstaltung noch als Tagesereignis angesehen werden kann.

BGH 5.10.2010, I ZR 127/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Sie nimmt in Deutschland die urheberrechtlichen Befugnisse der ihr angeschlossenen Urheber an Werken der bildenden Künste wahr. Die Beklagte verlegt drei Zeitungen, in denen auch Berichte über anstehende Ausstellungen veröffentlicht werden, die mit Abbildungen ausgestellter Kunstwerke illustriert sind.

Seit Ende des Jahres 2002 stellt die Beklagte die in diesen Zeitungen erschienenen Beiträge auf ihrer Internetseite in ein Online-Archiv ein. Interessenten können dort dauerhaft auf die Artikel zugreifen. Die Klägerin hält das dauerhafte öffentliche Zugänglichmachen der abgebildeten Kunstwerke für unzulässig. Sie nimmt die Beklagte auf Schadensersatz i.H.v. 2.332 € nebst Zinsen in Anspruch, den sie auf der Grundlage ihrer Tarife für Online-Magazine berechnet hat.

Das AG gab der Klage - bis auf einen Teil des Zinsanspruchs - statt; das LG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil zurück.

Die Gründe:
Die Annahme des LG, die öffentliche Wiedergabe der urheberrechtlich geschützten Werke sei nach § 50 UrhG zulässig, ist rechtsfehlerhaft.

Entgegen der Ansicht des LG kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf die Schrankenbestimmung des § 50 UrhG berufen. Die Revision rügt mit Recht, dass das LG zur Beurteilung der Frage, ob im Streitfall die jeweilige Kunstausstellung, über die berichtet wird, nach diesen Maßstäben als ein aktuelles Geschehen anzusehen ist, allein auf den Zeitpunkt des Einstellens der Artikel in das Online-Archiv der Beklagten abgestellt hat. Richtigerweise ist bei der Beurteilung der Aktualität des Ereignisses danach zu unterscheiden, ob die beanstandete Verwertungshandlung punktuell oder permanent in Rechte des Urhebers eingreift. Ein Eingriff in das Urheberrecht bedarf stets so lange einer Rechtfertigung, wie er andauert.

Besteht der Eingriff in einer punktuellen Handlung, wie etwa bei einer Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes, so muss er zum Zeitpunkt dieser Handlung gerechtfertigt sein. Handelt es sich bei dem Eingriff dagegen um eine Dauerhandlung, wie bei einer öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes, muss er während des gesamten Zeitraums dieser Handlung gerechtfertigt sein. Zur Berichterstattung über ein Ereignis durch Einstellen eines Beitrags ins Internet ist das öffentliche Zugänglichmachen von Werken, die im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werden, daher nur so lange nach § 50 UrhG in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig, wie das Ereignis, über das berichtet wird, noch als ein Tagesereignis anzusehen ist.

Bei einer Vervielfältigung und Verbreitung der Kunstwerke durch deren Abbildung in einer Tageszeitung und den Vertrieb dieser Tageszeitung muss die Aktualität der Kunstausstellung allein zum Zeitpunkt der Vervielfältigung und Verbreitung gegeben sein. Werden die Kunstwerke dagegen dadurch öffentlich zugänglich gemacht, dass die mit Abbildungen der Kunstwerke illustrierten Zeitungsartikel - wie im Streitfall - in ein Online-Archiv im Internet eingestellt werden, muss die Aktualität der Kunstausstellung nicht nur zum Zeitpunkt des Einstellens ins Online-Archiv gegeben sein, sondern während der gesamten Dauer des Bereithaltens im Internet fortbestehen.

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