20.01.2025

Müssen Schiedssprüche des Sportschiedsgerichts von nationalen Gerichten überprüft werden können?

Nach Ansicht der Generalanwältin Ćapeta müssen Schiedssprüche des Sportschiedsgerichts von nationalen Gerichten umfassend überprüft werden können, um die Vereinbarkeit der Regeln der FIFA mit dem Unionsrecht zu gewährleisten. Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes stehe einer nationalen Regelung entgegen, die den Zugang zu den nationalen Gerichten und die Überprüfung solcher Schiedssprüche durch diese Gerichte beschränkt.

EuGH, C-600/23: Schlussanträge der Generalanwältin vom 16.1.2025
Der Sachverhalt:
Der belgische Fußballverein Royal Football Club Seraing schloss mit der maltesischen Gesellschaft Doyen Sportsi einen Vertrag über die Übertragung der wirtschaftlichen Rechte mehrerer Fußballspieler. Die Disziplinarkommission der Fédération internationale de football association (FIFA) war der Ansicht, dass diese Vereinbarung gegen die Regeln der FIFA verstoße, die das Eigentum Dritter an den wirtschaftlichen Rechten der Spieler untersagten, und verhängte gegen den Royal Football Club Seraing bestimmte Disziplinarmaßnahmen, die vom Sportschiedsgericht (CAS) und vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigt wurden.

Um feststellen zu lassen, dass die Regeln der FIFA, die Dritten das Eigentum an den wirtschaftlichen Rechten der Spieler untersagen, gegen das Unionsrecht verstoßen, rief Doyen Sports die belgischen Gerichte an. Diese Gerichte verneinten ihre Zuständigkeit mit der Begründung, dass nach belgischem Recht bestimmten Arten von Handelsschiedssprüchen einschließlich der Schiedssprüche des CAS Rechtskraftwirkung zukomme. Der mit einem Rechtsmittel befasste belgische Kassationsgerichtshof möchte vom EuGH u.a. wissen, ob das Unionsrecht der Anwendung solcher nationalen Bestimmungen auf einen Schiedsspruch entgegensteht, der lediglich von einem Gericht eines Staates überprüft wurde, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist.

In ihren Schlussanträgen vertritt Generalanwältin Tamara Ćapeta die Auffassung, dass Sportakteuren der Union, die dem Streitbeilegungssystem der FIFA unterliegen, ein direkter Rechtsweg zu einem nationalen Gericht und eine umfassende Kontrolle aller Vorschriften des Unionsrechts durch dieses Gericht zugänglich sein müssen, und zwar ungeachtet eines endgültigen Schiedsspruchs des CAS.

Die Gründe:
Die Sportschiedsgerichtsbarkeit ist von der Handelsschiedsgerichtsbarkeit aus zwei Gründen zu unterscheiden.

Erstens ist ein wesentliches Merkmal der Handelsschiedsgerichtsbarkeit die freiwillige Vereinbarung der Schiedsklausel durch beide Parteien. Dieses Merkmal rechtfertigt es, im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit die Kontrolle der nationalen Gerichte auf Fragen der öffentlichen Ordnung zu beschränken. Diese Rechtfertigung gilt jedoch nicht für die hier in Rede stehende Sportschiedsklausel. Die Sportschiedsklauseln der FIFA sind verbindlich. Die den Regeln der FIFA unterliegenden Sportakteure haben keine andere Wahl als ihre Streitigkeiten der Disziplinarkommission der FIFA und anschließend dem CAS vorzulegen. Die Überprüfung der im Rahmen dieses Systems ergangenen Schiedssprüche darf sich daher nicht auf Fragen der öffentlichen Ordnung beschränken; es muss vielmehr eine umfassende gerichtliche Kontrolle möglich sein.

Zweitens ist das durch die Statuten der FIFA eingeführte Streitbeilegungssystem durch seinen eigenständigen Charakter gekennzeichnet. Im Gegensatz zu einer Partei der Handelsschiedsgerichtsbarkeit kann die FIFA den Schiedsspruch allein durchsetzen, indem sie den Spielern oder Vereinen oder Verbänden untersagt, an ihren Wettbewerben teilzunehmen. Die FIFA braucht sich mit anderen Worten nicht an ein Gericht zu wenden. Die Mitgliedstaaten müssen daher einen direkten Zugang zu einem Gericht gewähren, das befugt ist, die Vereinbarkeit der Regeln der FIFA mit dem Unionsrecht gerichtlich zu überprüfen, auch wenn ein Schiedsspruch des CAS, mit dem diese Regeln angewandt werden, vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigt wurde.

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EuGH PM Nr. 6 vom 16.1.2025