15.10.2025

Negative Bewertung der anwaltlichen Tätigkeit durch den Mandanten auf einer Online-Plattform

Das OLG Stuttgart hat die Klage einer Anwaltskanzlei abgewiesen, mit der diese die Löschung einer negativen Bewertung durch einen Mandanten auf einer Online-Plattform erreichen wollte. Obwohl die Bewertung scharf zugespitzte Kritik enthielt - etwa die Äußerung, die Kommunikation sei eine "absolute Katastrophe" und der Anwalt "konsequent unvorbereitet" gewesen, habe "falsche Ratschläge" gegeben und habe den Mandanten über den Stand seines Falles "völlig im Unklaren gelassen" - wertete das OLG die Bewertungen als zulässige Meinungsäußerungen.

OLG Stuttgart v. 29.9.2025 - 4 U 191/25
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten wegen einer negativen Bewertung der Klägerin durch den Beklagten auf dem Google-Bewertungsprofil der Klägerin. Die Klägerin begehrt die Unterlassung der Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung der Äußerungen.

Die Klägerin ist eine mittelständische und überregional tätige Kanzlei mit Hauptsitz in ..., welche Mandanten in nahezu allen Rechtsgebieten des bürgerlichen Rechts berät und vertritt. Der Beklagte nahm bei der Klägerin eine anwaltliche Beratung in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit in Anspruch.

Der Beklagte veröffentlichte im September 2023 nachstehende Google Bewertung:

"(einer von 5 Sternen)

vor einem Monat Absolut enttäuschende Erfahrung!

Ich hatte die unglückliche Erfahrung, diese Anwaltskanzlei zu beauftragen, mich in einem Arbeitskonflikt zu vertreten und ich muss sagen, es war nichts weniger als ein Albtraum. Sie wurden mir empfohlen, so dass ich eine qualitativ hochwertige Vertretung und Expertise im Arbeitsrecht erwartete. Was ich bekam, war ein Maß an Nachlässigkeit, das mich auch heute noch verblüfft.

Zunächst einmal war die Kommunikation eine absolute Katastrophe. Ich schickte meinem Anwalt eine E-Mail und bekam mehrere Tage lang keine Antwort. Ich musste mehrmals nachfassen, um auch nur eine einfache Antwort auf meine Fragen zu erhalten. Ich wurde über den Stand meines Falles völlig im Unklaren gelassen.

Mein Anwalt war auch konsequent unvorbereitet auf unsere Treffen und schien kein grundlegendes Verständnis für die Details meines Falles zu haben. Es war offensichtlich, dass keine wirklichen rechtlichen Nachforschungen angestellt wurden, um meinen Fall zu unterstützen, da sie es versäumten, wichtige Beweise zu sammeln, die meiner Situation sehr geholfen hätten. Ich musste sie an wichtige Termine und Fristen erinnern: wenn ich es nicht getan hätte, schaudert es mich, wenn ich daran denke, was hätte passieren können.

Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, gab es mehrere Fälle, in denen ich das Gefühl hatte, dass sie nicht einmal das Arbeitsrecht gut genug verstanden, um mich angemessen zu vertreten. Sie haben wichtige Aspekte des Arbeitsrechts falsch interpretiert und mir falsche Ratschläge gegeben, die meinen gesamten Fall hätten gefährden können, wenn ich sie befolgt hätte. Sie schienen mehr daran interessiert zu sein, ihr Honorar zu kassieren, als mir tatsächlich zu helfen.

Inzwischen bin ich zu einer anderen Anwaltskanzlei gewechselt, und der Unterschied im Serviceniveau und in der Professionalität ist wie Tag und Nacht. Ich bedauere, dies nicht früher getan zu haben, und würde jedem, der einen Anwalt für Arbeitsrecht benötigt, dringend raten, sich woanders umzusehen.

Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie ich. Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern."


Die Klägerin hat im landgerichtlichen Verfahren die vollständige Unterlassung der Google Bewertung begehrt. Das LG hat der Klägerin nach Beweisaufnahme lediglich einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich folgender Äußerungen zugesprochen:

- "Ich wurde über den Stand meines Falles völlig im Unklaren gelassen."

- "Mein Anwalt war auch konsequent unvorbereitet auf unsere Treffen."

- "Es war offensichtlich, dass keine wirklichen rechtlichen Nachforschungen angestellt wurden, um meinen Fall zu unterstützen, da sie es versäumten, wichtige Beweise zu sammeln, die meiner Situation sehr geholfen hätten."

- "Ich musste sie an wichtige Termine und Fristen erinnern; wenn ich es nicht getan hätte, schaudert es mich, wenn ich daran denke, was hätte passieren können."


- "Sie haben wichtige Aspekte des Arbeitsrechts falsch interpretiert und mir falsche Ratschläge gegeben, die meinen gesamten Fall hätten gefährden können, wenn ich sie befolgt hätte."

Die Berufung des Beklagten vor dem OLG war erfolgreich. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht auch hinsichtlich der vom LG als unzulässig eingestuften Äußerungen gegenüber dem Beklagten kein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 12 GG iVm. Art. 19 Abs. 3 GG auf Sperrung beziehungsweise Löschung der streitgegenständlichen Bewertung wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beziehungsweise gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 GG wegen eines Eingriffs in den sozialen Geltungsanspruch der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen zu.

Unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Äußerungen und aller Umstände des Einzelfalles sind sämtliche der im Berufungsverfahren streitgegenständlichen Äußerungen als zulässige Meinungsäußerungen einzuordnen, ein Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht danach nicht. Das landgerichtliche Urteil ist daher im Umfang der Verurteilung des Beklagten aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Notwendige Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch ist zunächst ein Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin beziehungsweise in das Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ein solcher ist vorliegend gegeben. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist jedoch nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung hängt davon ab, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist.

Der tatsächliche Gehalt der Äußerung "Ich wurde über den Stand meines Falles völlig im Unklaren gelassen" geht nach dem Verständnis des Durchschnittspublikums dahin, dass der Beklagte moniert, dass der ihn betreuende Rechtsanwalt ihn - wann auch immer - über den Sachstand hätte unterrichten sollen und dies nicht getan hat. Ein konkreter tatsächlicher Gehalt lässt sich der Äußerung nicht entnehmen, da letztlich ein Unterlassen einer - subjektiv - erwarteten Handlung bemängelt wird. Die Äußerung stellt sich daher im Ergebnis als Werturteil dar.

Die Äußerung "Mein Anwalt war konsequent unvorbereitet auf unsere Treffen." bewertet ebenfalls das Verhalten des ihn betreuenden Rechtsanwaltes. Es handelt sich hier um eine reine Meinungsäußerung. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Einschätzung "konsequent unvorbereitet" nicht dem Beweis zugänglich.

Sämtliche im Berufungsverfahren noch gegenständlichen Äußerungen fallen unter den weiten Schutz der Meinungsfreiheit, der die Äußerung von Meinungen schützt, gleich ob diese aus Sicht eines Dritten zutreffend sind oder hinreichend begründet wurden. Die Meinungsfreiheit schützt auch und gerade die Äußerung von kritischen Meinungen oder solchen, welche nicht der Mehrheitsmeinung entsprechen.

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen im Fall von Werturteilen gilt, dass die Meinungsäußerungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten hat, wenn sich die Äußerung als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellt.

Eine solche rein auf persönliche Herabsetzung gerichtete Diffamierung ist nach den obigen Ausführungen offenkundig nicht gegeben. Vielmehr haben die Äußerungen einen hinreichenden Sachbezug und setzen sich mit der Dienstleistung der Klägerin kritisch auseinander.

Diese Interessenabwägung hinsichtlich sämtlicher der im Berufungsverfahren noch im Streit stehenden Äußerungen fällt im Ergebnis dahin aus, dass das durch die Äußerungen des Beklagten beeinträchtigte Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin und das Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das Recht des Beklagten auf Äußerung seiner Meinung zumindest nicht überwiegt.

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