16.09.2013

Öffentliche Förderung des Hochleistungskommunikationsnetzes in Frankreich nicht zu beanstanden

Die Entscheidung der Kommission, mit der die öffentliche Förderung des Hochleistungskommunikationsnetzes im Departement Hauts-de-Seine mit 59 Mio. € genehmigt wurde, ist nicht zu beanstanden. Das Projekt steht im Einklang mit der "Altmark"-Rechtsprechung.

EuG 16.9.2013, T-79/10
Der Sachverhalt:
Das Department Hauts-de-Seine ist eine französische Gebietskörperschaft, die sich unmittelbar am Stadtrand von Paris befindet. Um die Heterogenität der Gemeinden dieses Departments in wirtschaftlicher und soziologischer Hinsicht sowie in Bezug auf die Infrastruktur auszugleichen, beschlossen die französischen Behörden, ein elektronisches Hochleistungskommunikationsnetz (Glasfasernetz) zu errichten.

Das sog. Projekt THD 92 sah die Gewährung eines Ausgleichs für Kosten einer Gemeinwohldienstleistung i.H.v. 59 Mio. € für die Einrichtung und den Betrieb dieses Netzes an eine Unternehmensgruppe vor, die Sequalum SAS, für die man sich im Wege einer Ausschreibung entschieden hatte. Um die europäischen Vorschriften im Bereich der staatlichen Beihilfen zu beachten, meldeten die französischen Behörden dieses Vorhaben am 27.6.2008 bei der EU an. Während der nächsten Monate versandten mehrere Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste, u.a. Colt Télécommunications France und Orange (früher France Télécom), die ihre Tätigkeiten in diesem Departement ausübten, Schreiben, in denen sie die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen bei der Kommission in Frage stellten.

Zwischen der Kommission und den französischen Behörden fand ein Schriftwechsel statt, um die Unterlagen zu dem Vorhaben durch zusätzliche Informationen zu ergänzen und den französischen Behörden zu ermöglichen, auf die Behauptungen und Erklärungen der betreffenden Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste zu erwidern. Mit Entscheidung vom 30.9.2009 stellte die Kommission fest, dass das angemeldete Vorhaben keine staatliche Beihilfe sei. Die fünf in Rede stehenden Gesellschaften erhoben Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung beim EuG.

Das EuG wies die Klagen ab. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Das Vorbringen der Gesellschaften, dass die Kommission gegen die im Urteil Altmark (24.7.2003, C 280/00) aufgestellten Kriterien verstoßen habe, war zurückzuweisen.

Nach diesem Urteil ist es möglich, dass eine Ausgleichszahlung für die Übernahme gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nicht als staatliche Beihilfe eingestuft wird, wenn vier kumulative Kriterien erfüllt sind:

  • 1. Das begünstigte Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein.
  • 2. Die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, sind zuvor objektiv und transparent aufzustellen.
  • 3. Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu decken.
  • 4. Wenn die Wahl des Unternehmens nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, so ist die Höhe des Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das angemessen ausgestattet ist, hätte (unter Berücksichtigung der Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen).

Das Projekt THD 92, das ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt und wegen eines Marktversagens eingerichtet wurde, kann als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) eingestuft werden. Die Mitgliedstaaten verfügen bei der Feststellung, was sie als DAWI ansehen, über einen weiten Wertungsspielraum, solange ihre Aufgabe gewissen Mindestkriterien entspricht, etwa dem Kriterium, dass diese Aufgabe universal und obligatorisch sein muss. Vorliegend sind diese Kriterien erfüllt, da der Zugang zu Hochleistungsdiensten für die Gesamtheit der gemeinwirtschaftlichen Dienste und die Bevölkerung des Departments einen allgemeinen Bedarf deckt und im Vergleich zu anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders dem Gemeinwohl dient.

Für das vorliegende Department hatte kein kommerzieller Betreiber ein Hochleistungsnetz eingerichtet, das alle privaten und professionellen Benutzer umfasst. Daher hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, indem sie das Vorliegen von Marktversagen festgestellt hat, was eine Vorbedingung für die Einstufung einer Tätigkeit als DAWI darstellt und somit für die Feststellung, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt.

Der Mitgliedstaat verfügt auch über ein Ermessen zur Einschätzung der Mehrkosten, die bei der Durchführung der DAWI anfallen. Diese Einschätzung hängt von komplexen wirtschaftlichen Umständen ab, so dass sich die von der Kommission ausgeübte Kontrolle hinsichtlich des Vorliegens einer möglichen Überkompensation darauf beschränkt, ob ein offenkundiger Fehler vorliegt. Hier hat die Kommission insofern ordnungsgemäß überprüft, dass mit der Vereinbarung zur Deligierung der gemeinwirtschaftlichen Leistung sichergestellt werden sollte, dass der Beauftragte nicht mehr erhält, als erforderlich ist, um die für die in Rede stehende gemeinwirtschaftliche Leistung angefallenen Kosten und einen angemessenen Gewinn zu decken.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 107 vom 16.9.2013
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