27.10.2023

Online-Coaching ohne Zulassung: Teilnehmer muss nicht zahlen

Zwar sehen Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG an, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme. Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, der einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt.

LG Hamburg v. 19.7.2023 - 304 O 277/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin bietet als Coach Lehrgänge an, durch die für die Teilnehmenden horrende Gewinne im Bereich "print on demand" zu erzielen seien. Über eine Zulassung nach § 12 FernUSG verfügt sie indes nicht. Am 21.3.2022 hatte sich der Beklagte für ein unverbindliches Beratungsgespräch zum Thema "Erfolgreiche Online Shops" online angemeldet. Noch am selben Tag bekam er einen Anruf von "B. H.". Unter diesem Pseudonym agiert der Vorstand der Klägerin im Rahmen ihrer nach außen gerichteter Geschäftstätigkeit. "B. H." erläuterte dem Beklagtem in einem längeren Telefonat die Inhalte des Coachings und legte diesem nahe, dass sechsmonatige Coaching "S. M. L. 5" zu buchen. In diesem sollte der Beklagte in einem "eins-zu eins"-Mentoring den Aufbau eines erfolgreichen E-C.-Unternehmens, welches T-Shirts verkaufen sollte, lernen.

Während des Telefonats einigten sich beide Seiten über den Vertragsschluss zum Preis von 6.366 €. Zudem sandte der Vorstand der Klägerin folgende Nachricht an den Beklagten: "Möchtest du M. die Masterclass bewusst als Unternehmer zum Aufbau deines online Shops und Gewerbes neben deinem Angestellten Job kaufen?" Der Beklagte antwortete hierauf mit "Ja". Die Klägerin ließ dem Beklagten eine Rechnung mit Ratenzahlungsplan zukommen. Bevor der Zoom-Videokurs mit 235 Schulungsvideos anfangen konnte, erklärte der Beklagte mit E-Mail vom 3.4.2022 gegenüber der Klägerin den Widerruf des Vertrags. Diese wies den Widerruf zurück und verlangte Zahlung der Kursgebühren.

Die Beklagte war der Ansicht, der Vertrag sei bereits nichtig, da die Klägerin über keine Zulassung nach dem FernUSG verfüge. Zudem handele es sich vorliegend um eine unseriöse Coaching-Falle, da das Angebot tatsächlich kein echtes Coaching umfasse, sondern ein Videokurs mit Inhalten umfasse, die man auch ohne Weiteres im Internet erhalte. Die Klägerin hielt dagegen, es sei widersprüchlich, dem Beklagten, der bei Vertragsschluss angegeben habe, als Unternehmer tätig zu werden, in Form des FernUSG Verbraucherschutz zu gewähren.

Das LG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus dem "Coaching"-Vertrag zu, da dieser gem. § 7Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 FernUSG nichtig ist. Schließlich handelt es sich bei dem Angebot der Klägerin um einen Fernunterrichtsvertrag, für den sie nicht über die erforderliche Zulassung gem. § 7 Abs. 1 FernUSG verfügt.

Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht i.S.d. Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind (Nr. 1) und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen (Nr. 2). Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 1 FernUSG waren erfüllt. Schließlich sah das gesamte "Kurskonzept" der Klägerin vor, dass der Lehrende und er Lernende räumlich getrennt sind, da das Coaching ausschließlich Online - mittels Video-Coaching und Lernvideos - stattfinden sollte.

Zwar sehen Teile der (spärlichen) Literatur und Rechtsprechung zum FernUSG die Teilnahme mittels Videokonferenz nicht als Fall einer räumlichen Trennung i.S.d. § 1 FernUSG an, da es auf den direkten Kontakt zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Wissensvermittlung ankomme. Hiergegen spricht jedoch bereits der Wortlaut des § 1 FernUSG, der einzig und allein auf eine räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden abstellt. Auch das OLG Köln geht in einer Entscheidung in einer Bußgeldsache dann von einer räumlichen Trennung aus, wenn weniger als die Hälfte des Lehrgangsstoffes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt würde (OLG Köln, Beschl. v. 24.11.2006 - 81 Ss-OWi 71/06). Auch der Gesetzesbegründung ist keine derartig weite Auslegung des Wortlauts und damit einhergehende Einschränkung des Anwendungsbereichs des FernUSG zu entnehmen.

Dabei sieht das Gericht zwar auch, dass die Zeit augenscheinlich über das FernUSG hinweggegangen ist. Gleichzeitig ist hier - erneut - der bereits geschilderte Sinn und Zweck des FernUSG in den Blick zu nehmen. Schließlich war es insbesondere auch ein - augenscheinlich auch in der Gegenwart bedeutsames - Anliegen des Gesetzes, die teilweise mangelnde Seriosität der Fernlehrinstitute zu beheben. Zudem sah der streitgegenständliche Vertrag Lernerfolgskontrollen i.S.d. § 1 Nr. 2 FernUSG vor. An solche sind nur geringe Anforderungen zu stellen. Es reicht die Möglichkeit aus, dass Teilnehmende im Rahmen der von dem Anbieter z.B. organisierten Informationsveranstaltungen oder begleitenden Unterrichtsveranstaltungen Fragen stellen und anhand der Antworten ihren Lernfortschritt feststellen können, um eine Lernerfolgskontrolle zu bejahen. Für die Lernerfolgskontrolle waren dabei die Zoom-Calls mit dem Vorstand der Klägerin persönlich vorgesehen.

Letztlich kam es für die Anwendbarkeit des FernUSG weder darauf an, ob der Beklagte bei Vertragsschluss als Verbraucher oder Unternehmer gehandelt, noch darauf, ob er sich durch seine Aussagen als Unternehmerin geriert hatte. Der Wortlaut des FernUSG macht seine Anwendbarkeit nämlich an keiner Stelle von der Verbrauchereigenschaft des Lernenden abhängig.

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