21.09.2015

Paraffinwachse-Kartell: Geldbuße gegen Total geringfügig herabgesetzt

Der EuGH hat die gesamtschuldnerisch mit Total France gegen Total verhängte Geldbuße von 128 Mio. € auf 125 Mio. € herabgesetzt. Das EuG hat dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es die gegen Total verhängte Geldbuße nicht an die herabgesetzte Geldbuße ihrer Tochtergesellschaft Total France angepasst hat.

EuGH 17.9.2015, C-597/13 P u.a.
Der Sachverhalt:
Paraffinwachse werden aus Rohöl hergestellt und für die Herstellung von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs-, Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt. Gatsch hingegen dient bei der Herstellung von Paraffinwachsen als Ausgangsmaterial und wird auch an Endabnehmer, z.B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft.

Im Jahr 2008 stellte die EU-Kommission fest, dass sich Total und ihre Tochtergesellschaft Total France zusammen mit anderen Unternehmen (von 1992 bis 2005) an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im Europäischen Wirtschaftsraum und (von 1997 bis 2004) auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hatten. Total France wurde gesamtschuldnerisch mit Total mit einer Geldbuße i.H.v. rd. 128 Mio. € belegt (wobei Total als Muttergesellschaft für die Zuwiderhandlung ihrer zu 100 Prozent gehaltenen Tochtergesellschaft haftete). Total und Total France beantragten daraufhin beim EuG, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären.

Das EuG wies die Klage von Total ab. Im Parallelverfahren hingegen, das die Klage der Tochtergesellschaft Total France betraf, setzte das EuG die gegen Total France verhängte Geldbuße auf rd. 125,5 Mio. € herab, da es der Auffassung war, dass die Kommission für diese Gesellschaft einen zu langen Beteiligungszeitraum zugrunde gelegt hatte. Total und Total France (die heute Total Raffinage Marketing heißt) legten Rechtsmittel ein, mit denen sie die Aufhebung der Urteile des EuG beantragten.

Das Rechtsmittel von Total France hatte vor dem EuGH keinen Erfolg; das Rechtsmittel von Total war teilweise erfolgreich.

Die Gründe:

+++ C-597/13 P +++
Das EuG hätte die Geldbuße von Total genauso herabsetzen müssen wie die ihrer Tochtergesellschaft.

In einer Situation, in der sich die Haftung einer Muttergesellschaft vollständig von der ihrer Tochtergesellschaft ableitet und kein weiterer Faktor das der Muttergesellschaft vorgeworfene Verhalten individuell konkretisiert, darf die Haftung der Muttergesellschaft nicht über diejenige ihrer Tochtergesellschaft hinausgehen. Wenn die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Parallelklagen erheben, die - wie vorliegend - denselben Streitgegenstand haben, gibt es nicht nur die verfahrensrechtliche Möglichkeit, im Rahmen der von der Muttergesellschaft erhobenen Klage das Ergebnis der Klage der Tochtergesellschaft, deren Verhalten ihr zugerechnet wird, zu berücksichtigen. Vielmehr muss grundsätzlich auch der Muttergesellschaft, deren Haftung vollständig abgeleitet ist, jede Reduzierung der Haftung ihrer Tochtergesellschaft zugutekommen.

Also hat das EuG dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es das Ergebnis des Urteils Total France für Total nicht berücksichtigt hat. Das Urteil des EuG war demzufolge insoweit aufzuheben, als mit diesem die gegen Total verhängte Geldbuße nicht an die gegen Total France verhängte Geldbuße angepasst wurde. In Ausübung seiner Abänderungsbefugnis hat der EuGH daher die gesamtschuldnerisch mit Total France gegen Total verhängte Geldbuße auf rd. 125,5 Mio. € festgesetzt.

+++ C-634/13 P +++
Der Antrag von Total France, die Geldbuße herabzusetzen, hatte keinen Erfolg.

Begründet hatte Total France dies damit, dass sie zum einen nach dem Monat Mai 2004 ihre Beteiligung an dem Kartell eingestellt und zum anderen ihre Beteiligung an dem Kartell zwischen Mai 2000 und Juni 2001 unterbrochen habe. Das EuG hat zwar dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es die Auffassung vertreten hat, die offene Distanzierung stelle selbst dann, wenn eine an einem Kartell beteiligte Gesellschaft nicht an kollusiven Treffen teilgenommen habe, das einzige für sie verfügbare Mittel dar, um die Beendigung ihrer Beteiligung an dem Kartell zu beweisen. Dieser Fehler kann jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils führen, was die Teilnahme von Total France an der Zuwiderhandlung in den genannten Zeiträumen betrifft.

In Bezug auf den Zeitraum zwischen Mai 2004 und dem Ende des vorgeworfenen Kartells hat Total France ihre Beteiligung an dem Kartell nicht eingestellt, obwohl sie tatsächlich nicht an den letzten drei kollusiven Treffen des Kartells zwischen Mai 2004 und April 2005 teilgenommen hat. Dies haben objektive und übereinstimmende Indizien ergeben. In Bezug auf den Zeitraum zwischen Mai 2000 und Juni 2001 gibt es ebenfalls solche Indizien, aufgrund derer man zu dem Ergebnis kommen kann, dass Total France ihre Beteiligung an dem Kartell während dieses Zeitraums nicht unterbrochen hat: Die Tatsache nämlich, dass der Vertreter von Total France ein Treffen im Mai 2000 plötzlich verließ, erklärte sich durch persönliche Gründe, was nicht als Ausdruck des Willens von Total France selbst angesehen werden konnte, sich von dem Kartell zu distanzieren, zumal Total France nach dem Austauschen dieses Vertreters durch einen anderen Beschäftigten wieder angefangen hatte, an den kollusiven Treffen teilzunehmen.

Linkhinweis:

  • Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung C‑597/13 P klicken Sie bitte hier.
  • Für den Volltext der Entscheidung C-634/13 P klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 104 vom 17.9.2015
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