20.06.2022

Personenbeförderung zu "pauschalen Festpreisen" ohne Wegstreckenzähler: Auslegung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3a BOKraft

§ 30 BOKraft ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG. Verlangt die Ausnahmegenehmigung, mit der ein Mietwagen ohne Wegstreckenzähler eingesetzt werden darf, dass das Fahrzeug nur mit "pauschalen Festpreisen" eingesetzt wird, ist das auch dann der Fall, wenn das Fahrzeug über eine Vermittlungs-App bestellt wird und dem Kunden vor Fahrtbeginn für die gebuchte Strecke ein Preis angezeigt wird, der sich anschließend nicht mehr ändert. Es ist nicht erforderlich, dass für die gleiche Fahrtstrecke zu jeder Tageszeit und von jedem Fahrgast immer genau derselbe Preis verlangt wird.

OLG Frankfurt a.M. v. 2.6.2022 - 6 U 60/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten, es zu unterlassen, Fahrzeuge für Mietwagenfahrten einzusetzen, wenn dies außerhalb der durch eine Ausnahmegenehmigung nach der BOKraft erteilten Auflagen erfolgt. Konkret geht es um Mietwagenfahrten ohne Wegestreckenzähler zu pauschalen Festpreisen über Vermittlungs-Apps.

Für den Mietwagen des Beklagten liegt eine Genehmigung der Stadt vor, wonach das Fahrzeug für den Verkehr mit Mietwagen nach § 49 PBefG eingesetzt werden darf. Dabei ist das Fahrzeug von den Vorschriften des § 30 Abs. 1 BOKraft (Wegstreckenzähler) befreit, solange es im Mietwagenverkehr mit pauschalen Festpreisen eingesetzt wird.

Der Kläger nimmt Bezug auf zwei konkreten Beförderungsfahrten mit dem Mietwagen des Beklagten, die jeweils online über eine App gebucht und bezahlt wurden. Der Kläger ist der Meinung, dass es sich bei dem so vereinbarten Entgelt nicht um pauschale Festpreise im Sinne der Ausnahmegenehmigung handelt.

Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten vor dem OLG hatte Erfolg. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger hat ggü. dem Beklagten keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 30 BoKraft. Der Beklagte hat nicht gegen eine Marktverhaltensregel i.S.v. § 3a UWG verstoßen.

Der Beklagte verfügt für den streitbefangenen Wagen unstreitig über eine Genehmigung. Die darin vermerkten Auflagen besagen, dass das Fahrzeug ohne den nach § 30 Abs. 1 BOKraft erforderlichen Wegstreckenzähler fahren darf, solange es mit pauschalen Festpreisen eingesetzt wird. Der Kläger - wie auch das LG - gehen offenbar davon aus, dass bei einem Verstoß gegen die Auflagen auch die Genehmigung nach dem PBefG betroffen ist, der Beklagte das Fahrzeug dann also ohne Genehmigung einsetzt. Das trifft indes nicht zu.

Selbst wenn der Beklagte das Fahrzeug nicht mit pauschalen Festpreisen eingesetzt hätte, hätte er allenfalls gegen die Auflage verstoßen, die es ihm erlaubt, das Fahrzeug ohne Wegstreckenzähler einzusetzen. Dadurch würde er aber nicht seine Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PbefG verlieren. Die Auffassung des Klägers, dass jede über eine Vermittlungs-App vermittelte Fahrt des Beklagten ohne Wegstreckenzähler nicht von der Genehmigung umfasst und deshalb wettbewerbswidrig sei, ist deshalb nicht haltbar.

Damit kommen als Marktverhaltensreglung, gegen die der Beklagte verstoßen haben könnte, allein die Vorschriften der BOKraft in Frage, namentlich §§ 1 Abs. 1, 30 Abs. 1, 43, wobei die eigentliche Verbotsnorm nur § 30 BOKraft (Pflicht zur Anbringung eines Wegstreckenzählers) ist.

Es Liegt jedoch im Hinblick auf die beiden streitbefangenen Personenbeförderungen kein Verstoß gegen § 30 BOKraft vor, da der Beklagte objektiv nicht gegen die Vorgaben der Ausnahmegenehmigung verstoßen hat. Die Ausnahmegenehmigung verlangt, dass das streitbefangene Fahrzeug nur mit "pauschalen Festpreisen" eingesetzt wird. Was darunter genau zu verstehen ist, wird nicht vorgegeben, ist also entsprechend §§ 133, 157 BGB auszulegen.

Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt, wurde den Zeugen A und dem Zeugen B durch die Uber- bzw. die FreeNow-App jeweils vor Fahrtbeginn für das angestrebte Fahrtziel ein fester Fahrpreis angezeigt, der sich bis zum Fahrtende nicht mehr änderte und online abgebucht wurde. Weil demnach vor Fahrtbeginn für eine bestimmte Strecke von den Zeugen jeweils ein unveränderlicher, pauschaler Preis für die gebuchte Strecke verlangt wurde, handelte es sich in beiden Fällen um einen "pauschalen Festpreis" im Sinne der dem Beklagten erteilten Ausnahmegenehmigung. Entgegen der Auffassung des Klägers ist hierfür nicht erforderlich, dass für die gleiche Fahrtstrecke zu jeder Tageszeit und von jedem Fahrgast immer genau derselbe Preis verlangt wird.

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