19.02.2013

Pflanzenschutzmittel verliert nach Entfernung seiner (Primär-)Verpackung seine Verkehrsfähigkeit

Ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel verliert mit der Entfernung seiner (Primär-)Verpackung seine Verkehrsfähigkeit. Insbesondere beim Umfüllen eines Pflanzenschutzmittels besteht die Gefahr seiner Verunreinigung oder sonstigen Verfälschung; eine Überprüfung ist zudem nicht möglich.

BGH 17.1.2013, I ZR 187/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein in Belgien ansässiges Unternehmen, das Pflanzenschutzmittel europaweit vertreibt, darunter das Insektizid "Teppeki" mit dem Wirkstoff "Flonicamid". Für dieses Mittel verfügt die ISK Biosciences Europe SA über eine Zulassung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für Deutschland. Die in den Niederlanden ansässige Beklagte importiert Pflanzenschutzmittel und bringt sie in Deutschland in Verkehr. Im Juni 2008 lieferte sie ein Mittel "REALCHEMIE Flonicamid" in einem Gebinde mit 500 Gramm Inhalt an einen Kunden in Deutschland.

Auf dem Etikett des Produkts befand sich unter dem für das Mittel verwendeten Namen die Aufschrift "Referenzmittel Teppeki" mit einem Sternchenhinweis. Dieser führte zu der auf dem Rückenetikett angebrachten Erläuterung, "Teppeki" sei eine eingetragene Marke der ISK Biosciences Europe SA. Auf dem Rückenetikett befand sich außerdem ein Aufkleber mit der Aufschrift "Re-Import". Für das Mittel "REALCHEMIE Flonicamid" bestand keine Zulassung als Pflanzenschutzmittel durch das Bundesamt. Die Beklagte verfügte auch nicht über eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung des Bundesamts für dieses Mittel. Das Gebinde des Mittels entsprach auch nicht dem des Pflanzenschutzmittels "Teppeki".

Die Klägerin hält den Vertrieb von "REALCHEMIE Flonicamid" für rechts- und wettbewerbswidrig. Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, das Pflanzenschutzmittel "REALCHEMIE Flonicamid" zu vertreiben, solange es nicht vom Bundesamt zugelassen oder für verkehrsfähig bescheinigt worden ist. Darüber hinaus begehrt sie Auskunft und die Feststellung der Schadensersatzpflicht. Die Beklagte macht geltend, das Mittel "REALCHEMIE Flonicamid" sei das Originalmittel "Teppeki", das in einen anderen Mitgliedstaat der EU ausgeführt, von ihr dort aufgekauft, umgepackt und wieder nach Deutschland eingeführt worden sei. Als bereits zugelassenes reimportiertes Mittel sei es hier ohne weiteres verkehrsfähig.

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat die Klage mit Recht als auf der Grundlage der §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 11 UWG 2004 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 PflSchG 2002, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und § 242 BGB begründet angesehen.

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 PflSchG 2002 durften Pflanzenschutzmittel in der Formulierung, in der die Abgabe an den Anwender vorgesehen war, nur in Verkehr gebracht oder eingeführt werden, wenn sie vom Bundesamt zugelassen waren. Die Vorschrift diente der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414/EWG. Nach dieser Bestimmung, die bis zum 13.6.2011 galt, waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in ihrem Gebiet zu anderen als Forschungs- oder Entwicklungszwecken nur die Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden durften, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen hatten. Der Beklagten oblag danach der Nachweis, dass es sich bei dem von ihr in Verkehr gebrachten Mittel um das Mittel der Klägerin handelte, für das eine Zulassung bestand.

Diesen Beweis konnte sie im Streitfall allerdings deshalb nicht mehr führen, weil das von ihr vertriebene Mittel dadurch, dass es aus seiner (primären) Verpackung herausgenommen worden war, seine - jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten - zuvor gegebene Verkehrsfähigkeit verloren hatte. Im Unterschied zu den Fällen des Umpackens bei Arzneimitteln, das aufgrund des Erhaltens der Primärverpackung für deren Verkehrsfähigkeit als unschädlich angesehen wird, besteht beim Umetikettieren und insbes. beim Umfüllen eines Pflanzenschutzmittels die Gefahr seiner Verunreinigung oder sonstigen Verfälschung. Zudem können weder die Überwachungsbehörden noch die Mitbewerber und Verbände, die bei Rechtsverstößen gem. § 8 Abs. 3 UWG klagebefugt sind, noch erst recht die Anwender die Übereinstimmung des gelieferten mit dem zugelassenen Mittel überprüfen.

Soweit das Berufungsurteil auf ein Unterlassen gerichtet ist, konnte es nur Bestand haben, wenn das beanstandete Verhalten auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch zu untersagen ist. Dies war vorliegend der Fall. Auch auf der Grundlage des heute geltenden Rechts (§§ 8, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG 2008 i.V.m. Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009) stellt sich die Klage als begründet dar. Nach der heute geltenden Rechtslage bedarf die Beklagte für das Inverkehrbringen des in Rede stehenden Produkts im Inland grundsätzlich einer Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (§ 28 Abs. 1 PflSchG 2012), über die sie unstreitig nicht verfügt. Eine solche Zulassung ist vorliegend nicht entbehrlich. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte sich auf eine für den Parallelhandel erteilte Genehmigung nach Art. 52 der Verordnung stützen könnte oder wenn es sich um einen Reimport handelte, für den es keiner gesonderten Zulassung bedürfte.

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