03.12.2019

Pflichtangaben zum Widerrufsrecht im Verbraucherdarlehensvertrag nicht in einer Urkunde

Die gem. Art. 247 § 6 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3 EGBGB in einen Verbraucherdarlehensvertrag aufzunehmenden Pflichtangaben zum Widerrufsrecht müssen nicht mit den übrigen Darlehensbestimmungen in einer einheitlichen Vertragsurkunde enthalten sein. Vielmehr genügt es zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 2 BGB, wenn in der Haupturkunde hinreichend deutlich auf die Anlage, die die Widerrufsinformation enthält, Bezug genommen wird.

BGH v. 17.9.2019 - XI ZR 662/18
Der Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der beklagten Sparkasse die Rückzahlung erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen nach Widerruf eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags. Die Kläger schlossen mit der Beklagten am 14./22.6.2011 einen grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrag über einen Nennbetrag von 200.000 € zu einem auf zehn Jahre festgeschriebenen Nominalzinssatz von 3,84 % p.a. In dem schriftlichen Darlehensvertrag ist die in Ziffer 14 enthaltene "Widerrufsinformation" gestrichen. Unter Ziffer 3 des Darlehensvertrags mit der Überschrift "Besondere Vereinbarungen" befindet sich der Eintrag "siehe Anlage". Der Darlehensvertrag enthält eine von den Klägern mit Datum vom 22.6.2011 unterzeichnete Anlage mit der Überschrift "Zu Besondere Vereinbarungen" und der Nummer des Darlehensvertrags, in der es u.a. heißt: "Abweichend zu den Bestimmungen in Tz. 14 gelten für die Widerrufsinformation die Bestimmungen in der Anlage dieses Vertrages." Der Darlehensvertrag enthält eine weitere Anlage mit der Überschrift "Anlage zum Darlehensvertrag" und der Nummer sowie dem Datum des Darlehensvertrags.

In der Folgezeit erbrachten die Kläger die vertraglich geschuldeten Zins- und Tilgungsleistungen. Mit Schreiben vom 20.6.2016 erklärten sie den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen. Danach zahlten sie in der Zeit vom 30.6.2016 bis zum 31.7.2018 auf das Darlehen unter Vorbehalt noch 25 Monatsraten je 1.000 €, mithin insgesamt 25.000 €. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Widerrufsinformation nicht wirksam in den Darlehensvertrag einbezogen worden und im Übrigen inhaltlich fehlerhaft sei. Nachdem sie mit der Klage zunächst die Feststellung begehrt haben, dass sich der Darlehensvertrag infolge des Widerrufs in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt habe, haben sie in der Berufungsinstanz die Rückzahlung der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. rd. 61.000 € nebst Nutzungsentschädigung und die Rückzahlung der nach dem Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. 25.000 € nebst Zinsen verlangt.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Den Klägern steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB nicht zu, weil der von ihnen erklärte Widerruf nicht fristgerecht erfolgt ist, so dass der mit der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag fortbesteht und die Zins- und Tilgungsleistungen von ihnen nicht ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind. Das OLG hat insbesondere zu Recht angenommen, die Beklagte habe die Kläger wirksam über das ihnen zustehende Widerrufsrecht informiert.

Die Widerrufsinformation und die übrigen Darlehensbestimmungen müssen nicht in einer einheitlichen Vertragsurkunde enthalten sein. Vielmehr genügt es - was der Senat bislang offengelassen hat - zur Wahrung der Schriftform des § 492 Abs. 2 BGB und für das Anlaufen der Widerrufsfrist nach § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB a.F., wenn in der Haupturkunde hinreichend deutlich auf die Anlage, die die Widerrufsinformation enthält, Bezug genommen wird.

Das OLG ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die in § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzte Schriftform des § 126 BGB nach der sog. Auflockerungsrechtsprechung des BGH keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter einer Urkunde erfordert, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Nummerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt.

Anders als die Revision meint, ist diese Rechtsprechung nicht spezifisch zum Mietrecht ergangen. Vielmehr ist sie Ergebnis einer (originären) Auslegung des § 126 BGB, die lediglich in einem zweiten Schritt daraufhin überprüft worden ist, ob sie auch im Lichte des Zwecks des § 550 BGB (früher § 566 BGB), der die Schriftform für Mietverträge über Grundstücke vorschreibt, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, den Eigenarten des Mietrechts standhält. Auch Sinn und Zweck des Widerrufsrechts erfordern keine Abweichung von den durch § 126 BGB vorgegebenen Rechtsgrundsätzen. Schließlich hat die Beklagte die Kläger auch inhaltlich zutreffend über das ihnen zustehende Widerrufsrecht informiert.
BGH online
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