06.02.2024

Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

Der Anspruch auf Auskunft über frühere Prämienanpassungen oder deren auslösende Faktoren setzt voraus, dass ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs bestehen. Bestreitet der Versicherungsnehmer nicht, dass die streitgegenständliche Prämienanpassung zutreffend kalkuliert ist und die dafür geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen beachtet wurden, so kann allein mit der Behauptung, die dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen seien unvollständig gewesen, die materielle Wirksamkeit der Prämienanpassung nicht mit Erfolg angegriffen werden.

OLG Karlsruhe v. 1.2.2024 - 12 U 27/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Wege der Stufenklage Rückerstattungsansprüche nach Beitragserhöhungen in einer seit 1986 bestehenden Krankheitskostenversicherung geltend gemacht. Nach fruchtloser Aufforderung, ihm Unterlagen zu Beitragsanpassungen in den Jahren 2019 und 2020 zur Verfügung zu stellen, verlangte er vom Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 17.8.2021 die Rückzahlung von Erhöhungsbeiträgen, die auf unwirksame Prämienanpassungen gezahlt worden seien, nebst gezogener Nutzungen. Der Beklagte kam diesem Verlangen nicht nach. Er berief sich auf die wirksame Beitragsanpassungsklausel in § 8b der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (AVB).

Der Kläger war der Ansicht, dass die Erhöhungen in den Jahren 2019 und 2020 zwar formell nicht zu beanstanden, aber materiell unwirksam seien, weshalb ihm Rückerstattungsansprüche sowie Auskunftsansprüche zustünden. Der Beklagte hielt dagegen, dass das Wegwerfen der Unterlagen zu keinem unverschuldeten Informationsdefizit führe. Die Beitragsanpassungsklausel in § 8b AVB sei wirksam, eine Beitragserhöhung trotz gesunkener Leistungsausgaben zulässig.

Das LG hat den Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger kann keine Auskunft über die Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife und die ihm zu diesem Zweck übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen. Der Anspruch auf Auskunft über frühere Prämienanpassungen oder deren auslösende Faktoren setzt voraus, dass ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs bestehen.

Ein solcher Anspruch ergab sich nicht aus § 242 BGB. Der Kläger hatte die formelle Wirksamkeit der in Rede stehenden Beitragsanpassungen ausdrücklich nicht in Frage gestellt, sondern seine auf zweiter Stufe verfolgten Feststellungs- und Leistungsansprüche aus einer materiellen Unwirksamkeit derselben hergeleitet. Seine Darlegungen begründeten indes allesamt keine Zweifel an der materiellen Wirksamkeit der Beitragsänderungen. Beitragsanpassungen sind nicht deshalb unwirksam, weil sie durch eine Schwellenwertabweichung ausgelöst wurden, die unter dem gesetzlichen Wert gem. § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG von 10%, aber über dem tariflich bestimmten Wert gemäß § 8b Abs. 1 AVB i.V.m. mit den jeweiligen Tarifbedingungen lagen. Entgegen der Ansicht des Klägers unterliegt § 8b Abs. 1 AVB keinen Wirksamkeitsbedenken.

Schließlich war die Behauptung des Klägers, dem Treuhänder hätten bei der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung der Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung nach § 155 Abs. 2 VAG nicht alle notwendigen Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestanden, für die Wirksamkeit der erfolgten Beitragsanpassungen ohne Belang. Wie der Senat mit Urteil vom 30.1.2024 im Verfahren 12 U 122/23 entschieden und eingehend begründet hat, zählt zu den tatbestandlichen Voraussetzungen einer wirksamen Beitragsanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG nicht die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren zu, die den Beitragsanpassungen der Jahre 2019 und 2020 zugrunde lagen. Insoweit käme zwar ein Anspruch aus § 242 BGB in Betracht, für den es ausreichender Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs bedürfte, an denen es aber auch hier fehlt. Der Kläger hatte insoweit geltend gemacht, es bestünden Zweifel an der Wirksamkeit von Beitragsanpassungen im fraglichen Zeitraum, die durch eine Abweichung bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem tariflich vereinbarten, aber unter dem gesetzlichen Schwellenwert gem. § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG von 10% ausgelöst wurden. Nachdem dieser Umstand die materielle Wirksamkeit der jeweiligen Beitragsanpassung indes nicht in Frage stellt, ergibt sich aus ihm auch kein Anhaltspunkt für das Bestehen der mit der Stufenklage verfolgten Hauptansprüche.

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