11.12.2012

Presse darf Aussagen des Pressesprechers des Bundesbeauftragten für die "Stasi-Unterlagen" gesteigertes Vertrauen entgegenbringen

Die Presse darf Stellungnahmen des Pressesprechers des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR hinsichtlich einer Berichterstattung über einen potenziellen Inoffiziellen Mitarbeiters der Stasi (IM) ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen. Dies ist im Rahmen der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit mit dem Interesse des potenziellen IM am Schutz seiner Persönlichkeit zu berücksichtigen.

BGH 11.12.2012, VI ZR 314/10 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger beider Verfahren (VI ZR 314/10 u. VI ZR 315/10) nimmt die Beklagten auf Unterlassung einer Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik in Anspruch.

Der Kläger war Professor an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und der Spitzenkandidat der PDS für die Landtagswahl am 19.9.2004. Die Beklagte des ersten Verfahrens verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Morgenpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag", die Beklagte des zweiten Verfahrens die Zeitungen "Bild" und "Die Welt".

In der Zeit vom 8. bis 17.8.2004 berichteten die Zeitungen der Beklagten in mehreren Artikeln über den Verdacht, der Kläger habe als langjähriger IM "Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbes. seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt. Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.

LG und OLG gaben den Klagen überwiegend statt. Auf die Revisionen der Beklagten hob der BGH die Berufungsurteile auf und verwies die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Die vom OLG getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit zurückzutreten habe.

Die Würdigung des OLG, die Beklagten hätten nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die vorgenommene Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe ist weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfinden kaum in Einklang zu bringen. Darüber hinaus hat es die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt.

Ferner hat das OLG auch zu Unrecht die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung verneint. Es hat insbes. nicht berücksichtigt, dass die Beklagten der Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, den gefundenen Unterlagen sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Kläger als IM Christoph für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei, ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durften. Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich um eine Bundesoberbehörde, der durch Gesetz die Aufgabe zugewiesen ist, die Stasi-Unterlagen auszuwerten und zu archivieren.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen werden demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 204 vom 10.12.2012
Zurück