31.01.2024

Privater Krankenversicherer muss Auskunft über frühere Beitragsanpassungen erteilen

Der mittels zulässiger Stufenklage auf Auskunft über frühere Beitragsanpassungen in Anspruch genommene private Krankenversicherer kann seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 7 Abs. 4 VVG zur jederzeitigen Übermittlung der Vertragsbestimmungen - bzw. Mitteilung der darin enthaltenen Informationen - kein Zurückbehaltungsrecht wegen einer ihm deswegen gebührenden Kostenerstattung entgegenhalten.

OLG Saarbrücken v. 10.1.2024, 5 U 26/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger wandte sich mit seiner am 11.11.2021 zugestellten Klage gegen die Erhöhung von Beiträgen aus einer von ihm bei der Beklagten seit Mai 2010 unterhaltenen privaten Krankheitskostenversicherung. Der Kläger war zum 1.1.2020 im Tarif C. versichert, außerdem besteht eine Private Pflege-Pflichtversicherung im Tarif P. Die monatlich zu zahlenden Versicherungsbeiträge wurden in der Vergangenheit mehrfach einseitig durch die Beklagte angepasst. Diese Vorgänge teilte die Beklagte dem Kläger jeweils durch Übersendung von Nachtragsversicherungsscheinen und standardisierten Informationsschreiben mit. Der Kläger zahlte monatlich die Versicherungsbeiträge in der von der Beklagten festgesetzten Höhe. Zum 1.1.2020 war er in den Tarifen C. und P. versichert.

Die Beklagte hat in Ansehung der geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung erhoben und sich höchst vorsorglich auch auf (wörtlich:) "ihr Zurückbehaltungsrecht i.S.d. § 3 Abs. 5 VVG" berufen. Der Kläger hat erstinstanzlich eine Stufenklage erhoben und damit auf Erteilung von Auskünften und Unterlagen zu früheren Beitragsanpassungen, zunächst auch unter Einschluss der Jahre 2019 und 2020, sowie, daran anschließend, auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner noch näher zu bezeichnender Beitragsanpassungen und Rückzahlung noch zu beziffernder rechtsgrundlos gezahlter Beiträge nebst Nutzungen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten angetragen. Die Beklagte hat Zweifel an der Zulässigkeit der Stufenklage geäußert, weil die begehrte Auskunft nicht der Bezifferung eines Leistungsanspruches diene.

Das LG hat der Klage nur teilweise stattgegeben. Die Stufenklage sei mangels konkreter Verbindung zwischen Auskunfts- und Leistungsklage als solche unzulässig, die stattdessen als in objektiver Klagehäufung erhoben zu behandelnden Klageanträge auf Auskunft, Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen und Rückerstattung von Überzahlungen nur hinsichtlich des Auskunftsbegehrens teilweise begründet und im Übrigen unzulässig, weil gegenwärtig zu unbestimmt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers war weit überwiegend erfolgreich.

Die Gründe:
Der Kläger kann seine schon erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Feststellung und Zahlung zulässigerweise im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) verfolgen. Diese ist hier, entgegen der Ansicht des LG, nicht aus prozessualen Gründen unzulässig.

Über den Wortlaut von § 254 hinaus kommen für die erste Stufe nicht nur Anträge auf Verurteilung zur Rechnungslegung (§ 259 BGB) oder zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses (§ 260 BGB) in Betracht, sondern auch Begehren nach Auskunft wie etwa nach den allgemeinen Grundsätzen über einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Weil im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs herbeizuführen, steht die der Stufenklage eigene Verknüpfung von unbestimmtem Leistungs- und vorbereitendem Auskunftsanspruch nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht im Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll.

Eine Stufenklage scheidet aber dann nicht aus, wenn nur ein Teil der für die Bezifferung benötigten Informationen im Weg der Auskunftsklage zu erlangen ist; vielmehr ist eine Stufenklage nur dann ausgeschlossen, wenn der in erster Stufe verfolgte Auskunftsanspruch in keiner Weise der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten, in einer nachfolgenden Stufe geltend gemachten Leistungsbegehrens, sondern anderen Zwecken dient. Dementsprechend ist es auch zulässig, das Auskunftsbegehren nicht nur auf die zur Bezifferung des Leistungsanspruchs erforderlichen Auskünfte, sondern zusätzlich auf weitere Informationen zu richten, solange die begehrte Information zumindest auch der Bestimmung der beanspruchten Leistung dienen soll.

In der Sache ist die Klage auf der Auskunftsstufe beschränkt auf die Krankheitskostenversicherung, begründet. Der mittels zulässiger Stufenklage auf Auskunft über frühere Beitragsanpassungen in Anspruch genommene private Krankenversicherer kann seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 7 Abs. 4 VVG zur jederzeitigen Übermittlung der Vertragsbestimmungen - bzw. Mitteilung der darin enthaltenen Informationen - kein Zurückbehaltungsrecht wegen einer ihm deswegen gebührenden Kostenerstattung entgegenhalten. Die Parteien verbindet ein Vertragsverhältnis, das allgemein in ganz besonderem Maße von Treu und Glauben beherrscht wird. Die Auskunftsansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Die Klage wurde im Jahre 2021 eingereicht und zugestellt, so dass hinsichtlich danach entstandener Ansprüche eine etwaige Verjährung ohnehin gehemmt wäre.

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