22.06.2021

Prospektverordnung: Vorliegen eines öffentlichen Angebots von Wertpapieren

Der Gerichtshof hat über vier Vorlagefragen der Beschwerdekommission der Finanzmarktaufsicht zur Auslegung der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum  Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist ("die Prospektverordnung") entschieden.

EFTA-Gerichtshof v. 18.6.2021, E-10/20
Der Sachverhalt:
Der Fall vor der Beschwerdekommission betraf eine Beschwerde der ADCADA Immobilien AG PCC in Konkurs ("ADCADA") gegen eine Entscheidung der Finanzmarktaufsicht, die eine von ADCADA in Liechtenstein emittierte Anleihe als öffentliches Angebot angesehen hatte und dieses mangels eines Prospekts untersagt hat.

Die ersten beiden Fragen betrafen die Auslegung des Begriffs "öffentliches Angebot von Wertpapieren" i.S.v. Artikel 2 lit. d der Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129). Konkret wurde gefragt, anhand welcher Kriterien zu beurteilen sei, ob ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere präsentiert wurden, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung jener Wertpapiere zu entscheiden.

Der Gerichtshof hat in Beantwortung der ihm von der Beschwerdekommission der Finanzmarktaufsicht vorgelegten Fragen ein Gutachten erstellt.

Die Gründe:
Die Frage, ob ausreichende Informationen im Sinne von Artikel 2 lit.d präsentiert wurden, ist im Einzelfall zu beurteilen. In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ist jedoch davon auszugehen, dass der Umfang der dargestellten Informationen ausreichend im Sinne dieser Vorschrift ist. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass die Aufnahme von Hinweisen, dass weitere Informationen an anderer Stelle eingeholt werden können, nichts  an der Einstufung als "öffentliches  Angebot von Wertpapieren ändert, wenn die Mitteilung bereits ausreichende Informationen enthält.

Die letzten beiden Fragen betrafen die Auslegung der Ausnahme in Artikel 1 Abs.4 lit. b der Prospektverordnung. Insofern gilt, dass ein Angebot von Wertpapieren nur dann von dieser Ausnahme erfasst wird, wenn es sich tatsächlich an weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro EWR-Staat richtet, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt. Wenn jedoch ein öffentliches Angebot von Wertpapieren im Internet in einer für jeden frei zugänglichen Weise veröffentlicht und beworben wurde, ist ein solches Angebot als an eine unbegrenzte Zahl von Personen i.S.v. Artikel 1 Abs.4 lit.b der Prospektverordnung gerichtet anzusehen. Die in dieser Bestimmung festgelegte Grenze kann nicht dadurch umgangen werden, dass das Angebot in einem EWR-Staat über verschiedene Medien verbreitet wird.
Pressemitteilung des EFTA-Gerichtshof Nr. 7 v. 18.6.2021
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