17.06.2013

Prozesshandlungen eines Nebenintervenienten behalten auch nach Rechtskraft der Zurückweisungsentscheidung ihre Wirksamkeit

Die von einem Nebenintervenienten bis zur Zurückweisung seines Beitritts wirksam vorgenommenen Prozesshandlungen behalten auch nach Rechtskraft der Zurückweisungsentscheidung ihre Wirksamkeit. Die Vertretung einer AG im Rechtsstreit mit dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen durch einen Beschluss fasst, der nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des -vorsitzenden ersetzt werden kann.

BGH 14.5.2013, II ZB 1/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Bauwirtschaft in der Rechtsform einer AG. Die Anteile werden mittelbar über eine Holding von den beiden Firmengründern E. und B. gehalten. Zwischen den Brüdern gibt es erhebliche Spannungen. Die Kläger waren im Juli 2007 zu Mitgliedern des Vorstands der Beklagten bestellt worden. Im Oktober 2009 fand eine Sitzung des Aufsichtsrats statt. Hier ging es u.a. um die Abberufung der Kläger als Vorstandsmitglieder wegen des Vorwurfs der Bestechung.

Von den sechs Mitgliedern des Aufsichtsrats waren drei auf den Vorschlag von E. und drei auf den Vorschlag von B. bestellt worden. Der Aufsichtsrat stimmte mit 3:3 Stimmen ab. Die dem Stamm B. zuzuordnenden Aufsichtsratsmitglieder verneinten das Vorliegen eines wichtigen Grundes und lehnten die Abberufung der Kläger ab. Laut der Satzung führte die Stimmengleichheit im Aufsichtsrat zur Ablehnung des Beschlussantrags. Allerdings war der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Ansicht, die drei gegen die Abberufung stimmenden Mitglieder hätten ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt, so dass ihre Stimmen nicht zu berücksichtigen seien und die Abberufung damit beschlossen sei.

Die abberufenen Vorstandsmitglieder beantragten gerichtlich die Feststellung, dass der Abberufungsbeschluss nicht ergangen bzw. nichtig und ihr Schaden zu ersetzen sei. Im Juni 2010 stimmte der Aufsichtsrat der Beklagten über den Antrag des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden ab, "die Prozessführung vor dem LG und OLG zu genehmigen". Anlass hierfür war, dass die für die Beklagte im anhängigen Verfahren auftretenden Rechtsanwälte lediglich von dem Aufsichtsratsvorsitzenden bevollmächtigt worden waren. Drei Aufsichtsräte stimmten für den Antrag, die drei Aufsichtsratsmitglieder aus dem Lager B. stimmten auch diesmal dagegen.

Das LG gab der Klage gegen die Abberufung der Kläger antragsgemäß statt. Die Beklagte legte dagegen Berufung ein. Innerhalb der laufenden Berufungsfrist trat ein Aufsichtsratsmitglied als Nebenintervenientin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei, schloss sich den Anträgen der Beklagten aus der ersten Instanz an und legte gleichfalls Berufung ein, die sie anschließend begründete. Das OLG verwarf Berufung als unzulässig, da die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zur Einlegung des Rechtsmittels nicht wirksam bevollmächtigt gewesen seien. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten hob der BGH den Beschluss insoweit auf, als die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen worden war und wies die Sache in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Die Berufung der Beklagten hätte nicht mit der Begründung als unzulässig verworfen werden dürfen, ihr Prozessbevollmächtigter sei zur Einlegung des Rechtsmittels vor dem OLG nicht wirksam bevollmächtigt gewesen. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass die Nebenintervenientin bis zur rechtskräftigen Zurückweisung ihres Beitritts durch das OLG gem. § 71 Abs. 3 ZPO die Stellung und die Befugnisse einer Nebenintervenientin hatte. Sie konnte daher mit Wirkung für die Beklagte Berufung einlegen und Anträge stellen.

Für das weitere Verfahren war auf Folgendes hinzuweisen:

Die durch den Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten erteilte Prozessvollmacht war ohne Genehmigung durch den Aufsichtsrat unwirksam. Die Vertretung der AG im Rechtsstreit mit dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss fasst. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden.

Durch die Entscheidungszuständigkeit des Aufsichtsrats als Ganzes ist die Verteidigungsmöglichkeit der AG gegen Klagen ihrer Vorstandsmitglieder jedoch nicht gefährdet. Denn bevollmächtigt der Aufsichtsratsvorsitzende in Eilfällen einen Rechtsanwalt, ohne zuvor eine Mehrheitsentscheidung des Aufsichtsrats herbeizuführen, handelt er entsprechend § 177 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Der Aufsichtsrat kann diese Handlungsweise noch durch Mehrheitsbeschluss genehmigen.

Sollte es im weiteren Verfahren darauf ankommen, ob die vollmachtlose Prozessführung vom Aufsichtsrat der Beklagten im Juni 2010 genehmigt wurde, wird zu beachten sein, dass die drei Aufsichtsratsmitglieder aus dem Lager B. bei dieser Beschlussfassung keinem Stimmverbot unterlagen, weil sie in der Aufsichtsratssitzung im Oktober 2009 gegen die Abberufung der Kläger gestimmt hatten. Sollte es außerdem im Zusammenhang mit der Beschlussfassung des Aufsichtsrats aus Juni 2010 auf die Wirksamkeit der Stimmabgabe des B. ankommen, wird zu prüfen sein, ob die Wahl des B. zum Aufsichtsratsmitglied nichtig war. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts würde die Nichtigkeit der Wahl dazu führen, dass auch die Stimmabgabe des B. nichtig, nicht zu zählen und damit die Genehmigung der bisherigen Prozessführung beschlossen gewesen wäre.

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