04.02.2025

Prüfpflichten des Bewertungsportals: Unbeschränkte Offenlegung der Identität des Rezensenten kann regelmäßig nicht verlangt werden

Auch bei einem Arbeitgeberbewertungsportal sind die geschützten Interessen eines Arbeitgebers vorrangig, wenn der Bewertung kein Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegt. Bereits eine entsprechende Rüge löst Prüfpflichten des Betreibers aus, zu deren Umfang er sich im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu erklären hat. Der Umfang der Prüfpflichten obliegt einer Abwägung im Einzelfall. Die unbeschränkte Offenlegung der Identität des Rezensenten kann regelmäßig aber nicht verlangt werden.

OLG Dresden v. 17.12.2024 - 4 U 744/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt Unterlassung in Bezug auf eine auf dem Arbeitgeberbewertungsportal der Beklagten veröffentlichte Äußerung eines Dritten. Als mittelständisches Unternehmen bietet die Klägerin Logistikdienstleistungen an. Die Beklagte ist die Betreiberin des Arbeitgeberbewertungsportals "kununu.de", nach Eigendarstellung "Europas größte Arbeitgeber-Bewertungsplattform mit dem Ziel, volle Transparenz am Arbeitsmarkt herzustellen".

In der streitgegenständlichen, von der Beklagten am 13.2.2015 veröffentlichten Bewertung mit der Überschrift "Schlechtester Arbeitgeber aller Zeiten" erhielt die Klägerin durch die bewertende Person, die als "Ex-Angestellte/r oder Arbeiter/in • Hat bis 2014 im Bereich Administration / Verwaltung gearbeitet." vorgestellt wird, 1,9 von 5 Punkten und das Ergebnis "Nicht empfohlen". Verbal erfolgte durch diese Person eine Bewertung im Einzelnen wie folgt:

"Gut am Arbeitgeber finde ich
gar nichts
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Mitarbeiter werden sehr schlecht behandelt.
Sehr Sehr hohe Fluktuation / Mitarbeiterwechsel.
Die Leitung und Kollegen machen andere Mitarbeiter vor allen anderen runter."


Vor dem LG erwirkte die Klägerin ein Urteil auf Unterlassung der Veröffentlichung dieser Bewertung. Die Bewertung verletze die Klägerin rechtswidrig in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Die Beklagte habe ihre Verhaltenspflicht verletzt, der Klägerin die Identität der bewertenden Person mitzuteilen bzw. ihr die Identifizierung zu ermöglichen. Die Bewertung sei rechtswidrig, da ihr kein geschäftlicher Kontakt zugrunde gelegen habe.

Die Berufung hatte Erfolg. Das OLG hat die Unterlassungsklage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB entsprechend i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG sowie dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht zu. Die Beklagte haftet nicht als mittelbare Störerin für die Veröffentlichung und weitere Zugänglichmachung der Äußerungen der bewertenden Person als Hosting-Provider auf ihrer Plattform. Die vorliegende Meinungsäußerung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil für die getroffene Bewertung keinerlei tatsächliche Anknüpfungspunkte bestünden. Die Klägerin vermag mit ihrer Behauptung, der streitgegenständlichen Bewertung liege kein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis bei ihr zu Grunde, nicht durchzudringen.

Der in der Veröffentlichung von negativer Kritik liegende Eingriff in die Rechtspositionen des Betroffenen ist bei Bewertungen auf Bewertungsportalen, denen ein tatsächlicher geschäftlicher Kontakt zugrunde liegen muss, rechtswidrig, wenn es keine tatsächliche Kunden- oder Vertragsbeziehung gegeben hat. Vorliegend hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Beanstandungen erhoben, die so konkret gefasst sind, dass Rechtsverstöße auf der Grundlage ihrer Behauptungen nach diesen Grundsätzen unschwer zu bejahen sind und bei der Beklagten Prüfpflichten ausgelöst haben. Dabei genügt auch bei Arbeitgeberbewertungsportalen bereits die Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Arbeitsverhältnis zugrunde, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen.

Ihren Prüfpflichten ist die Beklagte allerdings nachgekommen, so dass die vom LG vertretene Auffassung, der angegriffenen Bewertung liege kein Kontakt der bewertenden Person als Beschäftigte/r im Unternehmen der Klägerin zugrunde liegt, nicht gerechtfertigt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unwahrheit einer solchen, von einer Person ohne Bewertungsrecht abgegebenen Bewertung liegt insofern bei dem Betroffenen. Dem Betroffenen kommt aber eine sekundäre Darlegungslast des Providers zugute, da ihm ansonsten eine nähere Darlegung und eine Beweisführung mangels Kenntnis des Rezensenten regelmäßig nicht möglich ist.

Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen der Provider verpflichtet ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Provider muss ernsthaft versuchen, sich die zur Prüfung erforderliche Tatsachengrundlage zu verschaffen; er darf sich insbesondere nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen.

Ihrer sie nach diesen Grundsätzen treffenden sekundären Darlegungslast hat die Beklagte durch die Vorlage der gegenständlichen Unterlagen und Erteilung von Auskünften, die sie nach ihrem Vortrag und den diesen bestätigenden Aussagen der Zeugin Z... in dem von ihr auf das Löschungsverlangen der Klägerin hin durchgeführten Prüfungsverfahren erlangt hat, genügt. Die Beklagte hat unverzüglich und bereits vorgerichtlich die bewertende Person kontaktiert und von ihr geeignete Unterlagen vorgelegt bekommen. Über das Ergebnis dieser Recherche hat die Beklagte die Klägerin jedenfalls zuletzt in ausreichender Weise unterrichtet. Sie hat insbesondere ein Lichtbild eines anonymisierten Arbeitsvertrages und ein Lichtbild eines anonymisierten Berufsausbildungsvertrages mit der Klägerin, auf der die Unterschrift einer Unternehmensvertreterin oder eines Unternehmensvertreters zu sehen ist - nach ihrer Behauptung der Frau S... B... -, vorgelegt.

Diese - von der Klägerin bestrittenen - Behauptungen hat die damit bei der Beklagten befasste Zeugin D... Z... im Verhandlungstermin vor dem Senat am 5.11.2024 bestätigt. Sie hat ausgesagt, das Überprüfungsverfahren sei eingeleitet worden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Beklagte der Klägerin allein stark anonymisierte Unterlagen übersandt hat, die den Vertragstext nicht wiedergeben. Die Vorlage einer vollständigen Kopie des Ausbildungsvertrages, Arbeitsvertrages und der Ausbildungsnachweise konnte die Klägerin aber nicht verlangen. Die Beklagte hat nach ihrem Vortrag die bewertende Person durch die von ihr vorgelegten Unterlagen und erteilten Auskünfte sogar bereits in einer Weise identifizierbar gemacht, dass die Klägerin, insbesondere aufgrund der Größe ihres Unternehmens, in der Lage sein müsste, das tatsächliche Vorliegen eines Vertragsverhältnisses zu prüfen.

Ist die Offenlegung der Identität des Rezensenten weder grundsätzlich gefordert noch zulässig, so war die Beklagte zur Offenlegung weiterer Daten wie insbesondere des genauen Beschäftigungszeitraumes nicht verpflichtet. Dementsprechend erscheint vorliegend die Angabe des Jahres des Ausscheidens der bewertenden Person aus dem Unternehmen der Klägerin ausreichend.

Eine unbeschränkte Offenlegung der Identität der bewertenden Person kann vom Betroffenen aber auch schon deshalb nicht stets verlangt werden, weil § 19 Abs. 2 TTDSG ein Recht auf anonyme oder pseudonyme Nutzung des Internets gewährleistet.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Eilverfahren wegen Äußerungen eines früheren Angestellten auf Bewertungsportal
OLG Celle vom 21.06.2024 - 5 W 62/24
MDR 2024, 1050

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