17.05.2023

Publikationspflicht: Gericht muss anonymisierte Fassung eines Strafbefehls an Journalisten herausgeben

Ein Amtsgericht kann verpflichtet sein, einem Journalisten eine anonymisierte Fassung eines bereits rechtskräftigen Strafbefehls herauszugeben. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasst auch Strafbefehle. Die Publikationspflicht ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung ergeht.

BayVGH v. 15.5.2023 - 7 CE 23.666
Der Sachverhalt:
Das AG Erding hatte den Antrag eines Journalisten auf Übersendung eines anonymisierten Strafbefehls abgelehnt. Zur Begründung wies das Gericht auf die Besonderheiten des Strafbefehlsverfahren hin, wonach eine Verurteilung ohne mündliche Verhandlung erfolgen könne. Eine Publikationspflicht zur Veröffentlichung des Strafbefehls bestehe deshalb anders als bei Strafurteilen mangels mündlicher Verhandlung nicht.

Das VG hat den Freistaat Bayern als Rechtsträger des AG Erding auf Antrag des Journalisten verurteilt, innerhalb einer Woche nach Rechtskraft der Entscheidung eine anonymisierte Fassung des Strafbefehls an den Journalisten herauszugeben. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des vom Strafbefehl Betroffenen, den das VG zum Verfahren beigeladen hatte.

Der BayVGH hat die Entscheidung des VG daraufhin bestätigt.

Die Gründe:
Der Antragsteller hat einen presserechtlichen Auskunftsanspruch. Die allgemein anerkannte Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen umfasst nämlich auch Strafbefehle. Die Publikationspflicht ist nicht deshalb zu verneinen, weil - wie das AG meinte - der Strafbefehl ohne mündliche Verhandlung ergeht.

Der Strafbefehl im vorliegenden Fall ist zudem eine veröffentlichungswürdige Entscheidung, weil - wie die konkrete Presseanfrage zeigt - an dessen Herausgabe ein öffentliches Interesse besteht. Insofern ist das VG zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Informationsinteresse des Journalisten im konkreten Einzelfall der Vorzug gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Beigeladenen zukommen würde. Zu berücksichtigen war zudem, dass der Strafbefehl hier auch die geschäftlichen Beziehungen des Beigeladenen zu Dritten betraf und damit der im Vergleich zur Intim- oder Privatsphäre weniger schutzwürdigen Sozialsphäre zuzurechnen war.

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