19.05.2025

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - Aserbaidschan: Veröffentlichung privater Fotos und Videoaufnahmen einer Journalistin auf Facebook

Im Falle der rechtswidrigen Offenlegung privater Informationen besteht eine staatliche Verpflichtung, wirksame Untersuchungen durchzuführen, um Abhilfe zu schaffen, soweit dies möglich ist. (Aytaj Ahmadova gegen Aserbaidschan)

EGMR v. 11.3.2025 - 30551/18
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist Journalistin, die zum beschwerdegegenständlichen Zeitraum für ein Online-Nachrichtenportal arbeitete. Sie trug vor, dass Beamte der Abteilung für organisierte Kriminalität ("OCD") des aserbaidschanischen Innenministeriums angeblich ohne Durchsuchungsbefehl oder gerichtliche Anordnung eine Durchsuchung ihrer Wohnung durchgeführt und dabei ihren Computer beschlagnahmt hätten. Dieser sei ihr trotz mehrfacher entsprechender Aufforderung nicht zurückgegeben worden. Etwa ein Jahr später wurden persönliche Fotos und Videoaufnahmen der Beschwerdeführerin auf verschiedenen Facebook-Konten veröffentlicht, bei denen es sich offenbar um Fake-Accounts handelte. Die Beiträge waren mit Bildunterschriften versehen, die darauf hindeuteten, dass die Beschwerdeführerin getötet und nackt aufgehängt werden solle. Die Beschwerdeführerin trug vor, dass sie im Anschluss über Facebook beleidigt und bedroht worden sei, unter anderem über eines der Konten, welches Bildmaterial von ihr veröffentlicht hatte. Die fraglichen Videoaufnahmen seien nur auf dem von den Behörden beschlagnahmten Computer gespeichert gewesen seien. Die Beschwerdeführerin forderte verschiedene Behörden erfolglos auf, die Personen zu ermitteln, die ihre Fotos und Videoaufnahmen veröffentlicht und sie beleidigt und bedroht hatten, und ein Strafverfahren gegen diese einzuleiten. Eine entsprechende Verpflichtungsklage vor Gericht wurde ebenso wie das eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der EGMR verwies einleitend auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die wirksame Achtung des Rechts auf Privat- und Familienleben Maßnahmen im Sinne einer positiven Verpflichtung erfordern kann, die darauf abzielen, das Grundrecht auch im Bereich der Beziehungen zwischen Einzelpersonen zu gewährleisten. Dies war vorliegend ausschlaggebend, da der Gerichtshof nicht zweifelsfrei feststellen konnte, dass eine dem Staat zuzurechnende Beeinträchtigung vorlag. Im Folgenden bezog sich der EGMR auf seine Rechtsprechung, wonach angemessene Garantien vorhanden sein müssen, um die Offenlegung privater Informationen zu verhindern, und dass im Falle einer solchen Offenlegung die positive Verpflichtung zur wirksamen Achtung des Privatlebens die Verpflichtung beinhaltet, wirksame Untersuchungen durchzuführen, um Abhilfe zu schaffen, soweit dies möglich ist.

Die geltend gemachten Handlungen seien hinreichend schwerwiegend, um einen entsprechenden Antrag zu begründen, insbesondere angesichts der Behauptung der Beschwerdeführerin, dass die Fotos und Videoaufnahmen ausschließlich auf dem Computer gespeichert waren, der von der OCD beschlagnahmt und von den staatlichen Behörden einbehalten worden war. Die Verletzung des Rechts auf Unverletzlichkeit des Privatlebens einer Person sei nach innerstaatlichem Recht strafbar, und die Begehung dieser Straftat durch einen Beamten unter Missbrauch seiner Befugnisse stelle einen erschwerenden Umstand dar. In Anbetracht der Schwere der Behauptung der Beschwerdeführerin seien wirksame Schritte zur Aufklärung der Umstände des Falles und der Ermittlung und gegebenenfalls strafrechtlichen Verfolgung der Urheber der beanstandeten Handlungen für einen praktischen und wirksamen Schutz der Beschwerdeführerin erforderlich gewesen.

Innerstaatliches Recht verlange zudem, dass Strafanzeigen unverzüglich geprüft werden. Vorliegend habe die Strafverfolgungsbehörde jedoch weder ein Strafverfahren eingeleitet noch die Einleitung eines Verfahrens abgelehnt, sondern vielmehr die drei Anträge der Beschwerdeführerin in rechtswidriger Weise völlig ignoriert. Die von der Beschwerdeführerin angerufenen innerstaatlichen Gerichte wiederum wiesen ihre Klagen in formalistischer Weise zurück, ohne sich um eine Prüfung des Sachverhalts zu bemühen; die Anträge der Beschwerdeführerin wie auf Herausgabe ihres Computers wurden ignoriert.

Der EGMR bejahte einstimmig eine Verletzung von Art. 8 EMRK.
Sebastian Ramelli, LL.M. (Institut für Europäisches Medienrecht e.V. Saarbrücken)