31.03.2020

Regulierung eines Transportschadens beim Multimodalvertrag

Lässt sich bei einem Multimodalvertrag nicht feststellen, auf welcher Teilstrecke der geltend gemachte Schaden eingetreten ist, sind die §§ 407 ff. HGB anzuwenden.

OLG München v. 12.2.2020 - 7 U 3950/19
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Regulierung eines Transportschadens. Die A. GmbH (im Folgenden: A.) verkaufte diverse Medizinprodukte (u.a. OP-Kits) an die LMS Ltd. (im Folgenden: L.) in Irland. Mit dem Transport der Ware wurde von der A. die Beklagte beauftragt.

Das aus zwölf braunen Transportkartons bestehende Transportgut wurde von der Beklagten im Auslieferungslager der A. übernommen. In den braunen Kartons befanden sich jeweils mehrere weiße Kartons, die mehrere in Sterilverpackungen verpackte sterile Medizinprodukte enthielten. Bei Anlieferung des Transportguts in Irland lehnte die L. zwei der braunen Kartons wegen Durchfeuchtung ab.

Die Klägerin macht als Transportversicherer der A. deren Schadensersatzansprüche geltend. Das LG hatte der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das OLG hat die Berufung abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Zu Recht hat das LG die aufgeworfenen Rechtsfragen nach § 407 ff. HGB und nicht nach dem Montrealer Abkommen beurteilt. Dies ergibt sich aus §§ 452, 452 a HGB. Beauftragt und durchgeführt wurde ein Multimodaltransport iSd genannten Vorschriften. Denn der Transport sollte teils auf der Straße und teils in der Luft erfolgen (letzteres ergibt sich schon aus den unstreitigen Terminen der Übernahme und Ablieferung; anders als per Luftfracht wäre die Lieferung nach Irland binnen eines Tages nicht zu bewältigen gewesen). Hätten die Parteien gesonderte Verträge über die Teilstrecken abgeschlossen, unterlägen diese verschiedenen Rechtsregimen, nämlich einmal dem CMR und zum anderen dem Montrealer Übereinkommen.

Folglich sind die §§ 407 ff. HGB anzuwenden, sofern nicht feststeht, auf welcher Teilstrecke der Schaden eingetreten ist. Darlegungs- und beweisbelastet ist hierfür die Beklagte, die sich auf das Montrealer Übereinkommen und damit auf einen Schadenseintritt auf der Luftstrecke beruft. Nachdem die Beklagte zu den näheren Umständen des Schadenseintritts nichts vorträgt, ist sie ihrer Darlegungslast insoweit nicht nachgekommen. Damit verbleibt es bei der Geltung der §§ 407 ff. HGB.

Der A. stand gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe der Klageforderung zu. Das LG hat rechtsfehlerfrei als Ergebnis der Beweisaufnahme angenommen, dass die Beklagte zwei braune Transportkisten in unversehrtem Zustand übernahm und diese von unten her durchfeuchtet bei L. ablieferte, wobei es auch zur Durchfeuchtung derjenigen weißen Innenverpackungen kam, die die im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Medizinprodukte enthielten. Damit ist der Schaden in der Obhut der Beklagten eingetreten, mit der Folge, dass die Beklagte für daraus resultierende Beschädigungen am Transportgut (§ 425 HGB).

Bei Beschädigungen ist Wertersatz zu leisten, und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Wert des unbeschädigten und des beschädigten Gutes (§ 429 Abs. 2 HGB). Hinsichtlich des Wertes der Medizinprodukte in beschädigtem Zustand ist das LG auch unter Berücksichtigung der hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung zu Recht von einem Totalschaden ausgegangen, hat also deren Restwert mit 0,- € bemessen. Denn die sterilen Medizinprodukte waren wegen der Gefahr des Verlustes der Sterilität nicht mehr verwertbar (hatten also einen Restwert von 0,- €). Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die Durchfeuchtung der weißen Kartons die darin befindlichen Sterilverpackungen (Beutel) kontaminiert wurden, so dass es bei deren Öffnung im Operationssaal zu Kontaminationen der sterilen Medizinteile selbst kommen kann. Eine Überprüfung der Sterilverpackungen auf Kontaminationen würde ihrerseits zur Aufhebung der Sterilität führen.

Grundsätzlich trifft die Darlegungslast für qualifiziertes Verschulden den Anspruchsteller, also vorliegend die Klägerin. Allerdings trifft den Transporteur eine sekundäre Darlegungslast für die Art der Entstehung des Schadens, wenn der Anspruchsteller Tatsachen bzw. Umstände vorträgt, die ein qualifiziertes Verschulden mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nahe legen. Solche Umstände können sich auch aus dem Schadensbild ergeben. Zu Recht ist das LG vorliegend von diesem Grundsatz ausgegangen. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass angesichts des Schadensbildes das Transportgut über längere Zeit in einer Pfütze gestanden habe. Hierfür spricht angesichts der vorgelegten Lichtbilder eine sogar erhebliche Wahrscheinlichkeit. Die Bilder zeigen, dass die braunen Kartons von unten her durchfeuchtet waren. Dieses Schadensbild ist durch Wassereinwirkung von oben, etwa einen Platzregen, nicht erklärbar, weil dann auch die oberen Bereiche der Kartons Feuchtigkeitsspuren zeigen müssten. Die braunen Kartons müssen also im Wasser gestanden haben, was nahe legt, dass sie vom Personal der Beklagten dort hineingestellt wurden.

Damit hat die Klägerin die nahe liegende Möglichkeit vorsatzgleichen Verschuldens hinreichend dargetan und ist damit der ihr obliegenden Darlegungslast nachgekommen. Damit traf die Beklagte die sekundäre Darlegungslast, andere plausible Schadensursachen darzutun. Nachdem die Beklagte zu den Umständen der Entstehung des Schadens nichts vortragen konnte, ist vom klägerischen Vortrag und damit von qualifiziertem Verschulden der Beklagten auszugehen.

Eine Verurteilung der Beklagten nur Zug um Zug gegen Herausgabe der beschädigten Medizinprodukte kam nicht in Betracht. Systematischer Standort der insoweit erhobenen Einrede ist die Vorteilsausgleichung, also der Grundsatz, dass der Geschädigte am Schadensfall nichts verdienen soll, was aber möglich wäre, wenn er vollen Wertersatz erhält und zusätzlich den Restwert der beschädigten Sachen realisieren kann. Die Einrede setzt damit voraus, dass ein solcher Restwert existiert. Hiernach hat die Beklagte vorliegend keinen Anspruch auf Zug-um-Zug-Verurteilung, da ein solcher Restwert der streitgegenständlichen Medizinprodukte nicht besteht. Damit verbleibt der geschädigten A. also kein Vorteil, der nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen wäre.

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