12.01.2012

Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar

Die Regulierung der Telekommunikationsmärkte nach dem TKG verfolgt mit dem Schutz der Verbraucherinteressen und der Sicherstellung chancengleichen Wettbewerbs gewichtige Gemeinwohlziele. Regulierungsverfügungen der Bundesnetzagentur sind gerichtlich allerdings nur eingeschränkt überprüfbar, da ihr hinsichtlich der von ihr vorzunehmenden Marktdefinition und Marktanalyse ein Beurteilungsspielraum zusteht.

BVerfG 8.12.2011, 1 BvR 1932/08
Der Sachverhalt:
Die Bundesnetzagentur darf aufgrund der sog. Marktregulierung anhand bestimmter gesetzlicher Kriterien die Telekommunikationsmärkte festlegen, die für eine Regulierung in Betracht kommen (Marktdefinition, § 10 TKG). Sie prüft somit, ob auf dem betreffenden Markt wirksamer Wettbewerb besteht, was etwa dann nicht der Fall ist, wenn ein oder mehrere Unternehmen über beträchtliche Markmacht verfügen (Marktanalyse, § 11 TKG).

Ende 2005 stellte die Bundesnetzagentur fest, dass mehrere Mobilfunknetzbetreiber (T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2) auf dem Markt für Anrufzustellung in ihr jeweiliges Mobilfunknetz über eine beträchtliche Marktmacht verfügten. Infolgedessen erließ sie eine Regulierungsverfügung, mit der sie u.a. der Beschwerdeführerin Zugangsverpflichtungen nach § 21 TKG, insbesondere die Terminierung von Anrufen in ihr Mobilfunknetz, aufgab. Bei den Terminierungsentgelten handelt es sich um die Beträge, die Festnetz- und Mobilfunknetzbetreiber für die Anrufzustellung ("Terminierung") in Mobilfunknetze anderer Betreiber zu entrichten haben und an ihre eigenen Endkunden, die Anrufer, weitergeben.

Außerdem ordnete sie an, dass die von der Beschwerdeführerin für die Zugangsleistungen erhobenen Entgelte vorab genehmigt werden müssten. Die damit auch der behördlichen Genehmigung unterworfenen Terminierungsentgelte, die zunächst der Netzbetreiber des Anrufenden entrichten muss, haben für die Mobilfunknetzbetreiber erhebliche wirtschaftliche Bedeutung.

Das VG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die den Unternehmen auferlegte Entgeltgenehmigungspflicht sei unverhältnismäßig. Auf die Revision der Beteiligten hob das BVerwG das Urteil auf und wies die Klage insgesamt ab. Auch die Verfassungsbeschwerde war vor dem BVerfG erfolglos.

Die Gründe:
Die Beschwerdeführerin ist weder in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG verletzt noch in ihrem Recht auf freie Berufsausübung.

Das BVerwG ging bei seiner Auslegung der §§ 10, 11 TKG von anerkannten Auslegungsmethoden aus. Unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik, des Normzwecks und des unionsrechtlichen Hintergrunds der Bestimmungen war es vertretbar, diesen Regelungen die Einräumung eines weitreichenden Beurteilungsspielraums der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde bei der Marktdefinition und der Marktanalyse beizumessen. Aufgrund der erkennbaren Schwierigkeiten einer gerichtlichen Vollkontrolle durfte der Gesetzgeber der Bundesnetzagentur einen entsprechenden Beurteilungsspielraum einzuräumen. Die Fachgerichte haben auch weiterhin die Möglichkeit bzw. die Pflicht zu einer substantiellen Kontrolle des behördlichen Handelns.

Die Regulierung der Telekommunikationsmärkte nach dem TKG verfolgt schließlich mit dem Schutz der Verbraucherinteressen und der Sicherstellung chancengleichen Wettbewerbs gewichtige Gemeinwohlziele. Das Interesse der Beschwerdeführerin an freier unternehmerischer Betätigung wird durch die Zugangsverpflichtung nicht übermäßig eingeschränkt, zumal auch sie selbst ein Interesse an der umfassenden Erreichbarkeit ihrer eigenen Mobilfunkkunden haben wird. Ihr wird auch kein finanzielles Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegt, sondern lediglich eine möglicherweise lukrative Preisgestaltung zulasten der Kunden der anderen Mobilfunknetz- sowie der Festnetzbetreiber unmöglich gemacht.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 1 vom 12.1.2012
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