04.02.2025

Rücktritt von Neuwagenkauf: Keine Einwilligung zur Lieferfristverlängerung durch Emojis

Per WhatsApp versandte Textnachrichten oder Attachments können die rechtsgeschäftlich vereinbarte Schriftform (§ 127 BGB) wahren. Willenserklärungen können auch mittels Emojis oder anderer Zeichen kundgetan werden. Ob der Verwender einen Rechtsbindungswillen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage zum Ausdruck bringen möchte, ist durch Auslegung zu ermitteln.

OLG München v. 11.11.2024, 19 U 200/24 e
Der Sachverhalt:
Der Beklagte betreibt einen Pkw-Handel. Die Parteien stritten um wechselseitige Ansprüche aus einem Neuwagenkauf im November 2020 nach Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Kläger begehrte die Rückzahlung der von ihm geleisteten Vorschusszahlung i.H.v. 59.500 €. Der Beklagte machte mit der Widerklage einen Schadensersatzanspruch geltend, da er im Rahmen des aufgrund der Nichtabnahme des Pkw durch den Kläger erforderlichen Weiterverkaufs einen Verlust von 103.616 € gemacht habe. Dieser Schaden übersteige den Rückzahlungsanspruch des Klägers um 44.116 €.

Vorangegangen war eine umfangreiche Korrespondenz per WhatsApp, in der auch zahlreiche Emojis verwendet worden waren. Insbesondere reagierte der Käufer auf die Mitteilung des Autohändlers "Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022." Der Kläger antwortete mit "Ups [Grimassen schneidendes Gesicht-Emoji]". Der Beklagte sah darin eine Zustimmung des Klägers zur angekündigten Lieferverzögerung.

Am 20.4.2022 schrieb der Beklagte per Textnachricht: "Abwicklung könnte in der Woche ab 9.5. stattfinden.

Würde das Ihrerseits passen?"


Der Kläger antwortete in gleicher Weise: "Passt."

Am 9.5.2022 teilte der Beklagte dem Kläger per WhatsApp mit, dass Ferrari einen Fehler gemacht habe und noch nicht ausliefern könne. Mit Schreiben vom 10.5.2022 wies der Kläger den Beklagten daraufhin, dass dieser sich seit 31.3.2022 im Verzug befinde. Am 16.5.2022 setzte er ihm eine Frist bis zum 31.5.2022, die der Beklagte zurückwies. Am 1.6.2022 trat der Kläger vom Vertrag zurück.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage zugesprochen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert, den Beklagte zur Zahlung von 59.500 € verurteilt und die Widerklage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 59.500 € gem. § 346 Abs. 1 BGB. Er hatte mit Schreiben vom 1.6.2022 wirksam sein Rücktrittsrecht nach § 349 BGB ausgeübt.

Die Vereinbarung eines als unverbindlich genannten Liefertermins war dahin auszulegen, dass damit noch keine Leistungszeit bestimmt worden war, bei deren Überschreitung Schuldnerverzug eintreten sollte. Die Regelung, wonach eine Anmahnung nach Überschreitung des unverbindlichen Liefertermins um zwei Quartale möglich ist, stellte hier die Einräumung einer zusätzlichen Lieferfrist (sog. unechte Nachfrist) dar, mit deren Ablauf die Leistung des Beklagten spätestens am 31.3.2022 fällig geworden war und dieser danach durch einfache Mahnung in Verzug gesetzt werden konnte. Die dann in der Mahnung ausgesprochene Fristsetzung i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB (sog. echte Nachfrist) konnte im Hinblick auf die vorausgegangene unechte Nachfrist kurz bemessen werden. Dabei war zu berücksichtigen, dass ein vom Käufer zu zahlender Aufpreis von 80.000 € zumindest auch für eine zeitnahe Lieferung vereinbart worden war.

Aus dem Chatverlauf der Parteien ließ sich keine einvernehmliche Lieferfristverlängerung bis 30.6.2022 erblicken. Es ist umstritten, ob WhatsApp-Mitteilungen bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 S. 1 BGB erfüllen. Dies ist etwa zu bejahen bei der Übermittlung einer Textnachricht oder eines Attachments in Gestalt einer Textverarbeitungs- oder PDF-Datei oder eines ausreichend guten Fotos per WhatsApp, nicht jedoch bei einer WhatsApp-Sprachnachricht oder einem Video- oder Audio-Attachment.

Bei WhatsApp-Nachrichten ist zwar das Erfordernis der Dauerhaftigkeit und Reproduzierbarkeit gewährleistet. Zudem sind Messengerdienste mittlerweile auch im Rechts- und Geschäftsverkehr weit verbreitet und dienten nicht lediglich nur dem raschen Austausch rein privater Nachrichten mit emotionalem Schwerpunkt. Allerdings konnte hier dem Chatverlauf keine Zustimmung des Klägers zu einer Lieferfristverlängerung entnommen werden, so auch mit Blick auf die dabei verwendeten Emojis. Dafür bedurfte es nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zweier übereinstimmender Willenserklärungen (§§ 145, 147 BGB), wobei auch elektronische Erklärungen per Messengerdienst echte Willenserklärungen sein können.

Der Erklärende kann seinen Willen durch digitale Piktogramme wie Emojis kundtun. Diese werden häufig zur Verstärkung oder Klarstellung einer Aussage genutzt, teilweise aber auch als Wortersatz eingesetzt. Ob der Verwender dabei einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung. Nach den allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB musste hier festgestellt werden, wie ein verständiger Empfänger die Nachricht "Ups [Grimassen schneidendes Gesicht-Emoji]" auf die Mitteilung "Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022." nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte.

Zur Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis können sowohl Emoji-Lexika (Emojipedia, Emojiterra) als auch der Begleittext herangezogen werden. Davon ausgehend stellte das hier maßgebliche Emoji negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. Es war weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Parteien dem Emoji eine davon abweichende Bedeutung beigemessen hatten. Der Ausdruck "Ups" war zudem allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten. Auch die im weiteren Verlauf verwendeten Emojis waren im Kontext der Begleittexte nicht als Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung zu werten.

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