28.05.2013

Schadensersatzklage gegen ehemalige Vorstände der Accessio AG abgewiesen

Der Vorstand einer Anlagevermittlungsgesellschaft haftet persönlich dann, wenn er veranlasst, dass auf seine Weisung bei riskanten Geschäften die Kunden bewusst über Risiken und verminderte Gewinnchancen ungenügend aufgeklärt bzw. die Risiken bewusst verharmlost werden. Gegen eine solche Weisung spricht es, wenn die Emissionsprospekte den Beratern bei der Produktschulung zugänglich gemacht wurden, den Beratern im firmeneigenen Intranet stets zur Verfügung standen und für Kunden auf der Internet Homepage der AG zum Download bereitstanden.

Schleswig-Holsteinisches OLG 23.5.2013, 5 U 140/12
Der Sachverhalt:
Das klagende Ehepaar ließ sich bei der Vermögensanlage ab April 2007 durch die Accessio AG beraten. Im Zeitraum April 2007 bis Juli 2008 zeichneten sie Wertpapiere zu einem Anschaffungspreis von knapp 190.000 €. Vor der jeweiligen Anschaffung fanden Beratungsgespräche mit einem Berater der Accessio AG statt. Die gezeichneten Wertpapiere verloren zwischenzeitlich massiv an Wert.

Im September 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Accessio AG eröffnet. Die Kläger verlangten nunmehr von den beiden beklagten ehemaligen Vorstandsmitgliedern der Accessio AG Schadensersatz i.H.v. knapp 150.000 € mit der Begründung, dass diese veranlasst hätten, dass die Kunden der Accessio AG systematisch falsch beraten und in riskante Vermögensanlagen vermittelt worden seien.

Das OLG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Es ist nicht erwiesen, dass die beklagten Vorstandsmitglieder die Kundenberater systematisch zu einer fehlerhaften Anlageberatung veranlasst haben. Die Beklagten haften daher nicht persönlich auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Kunden (§ 826 BGB).

Der Vorstand einer Anlagevermittlungsgesellschaft haftet persönlich dann, wenn er veranlasst, dass auf seine Weisung bei riskanten Geschäften die Kunden bewusst über Risiken und verminderte Gewinnchancen ungenügend aufgeklärt bzw. die Risiken bewusst verharmlost werden. Dies kann vorliegend nicht als erwiesen angesehen werden. Nach der Gesetzeslage im Beratungszeitraum April 2007 bis Juli 2008 war eine schriftliche Information der Kunden über die Risiken der vertriebenen Kapitalanlagen nicht erforderlich . Es ist auch nicht erwiesen, dass die beklagten Vorstandsmitglieder ihre Berater aktiv angewiesen hätten, dass die Kunden von den Emissionsprospekten der Wertpapiere keine Kenntnis erlangen sollten.

Gegen eine solche Weisung spricht insbes., dass die Emissionsprospekte den Beratern bei der Produktschulung zugänglich gemacht wurden, den Beratern im firmeneigenen Intranet stets zur Verfügung standen und für Kunden auf der Internet Homepage der Accessio AG zum Download bereitstanden. Die Beweisaufnahme hat auch ergeben, dass die Berater der Accessio AG gehalten waren, die Kunden vor Zeichnung der Wertpapiere über die entsprechenden produktbezogenen Risiken aufzuklären und vor Zeichnung eine Abfrage der Risikobereitschaft und Kenntnis des Kunden durchzuführen.

Es hängt vom Anlageprofil und Anlageziel des Kunden ab, ob eine Aufklärung beim Erwerb von Wertpapieren dahingehend erforderlich war, dass diese nicht wie Spareinlagen von der gesetzlichen Einlagensicherung umfasst sind. Wenn der Anleger bereits umfassend, etwa über ein Totalverlustrisiko aufgeklärt worden ist, ist eine gesonderte Aufklärung über den fehlenden Schutz durch den Einlagensicherungsfond nicht mehr erforderlich, weil der Hinweis auf ein Totalverlustrisiko denklogisch bereits die Information eines fehlenden anderweitigen Sicherungsmechanismus beinhaltet.

Es ist auch nicht als sittenwidriges Geschäftsmodell anzusehen, wenn die über Tagesgelder gewonnenen Kunden nach dem Auslaufen der Tagesgelder für andere Produkte wie Unternehmensanleihen durch Werbung gewonnen werden sollen. Das werbemäßige Angebot von Unternehmensanleihen an - unterstellt - risikoscheue Anleger, stellt sich nicht als unzulässig dar, wenn in dem nachfolgenden Beratungsgespräch eine zutreffende Risikoaufklärung erfolgt und der Kunde auf deren Grundlage vom früheren Anlageziel abrückt und sich für ein bestimmtes Anlageprodukt entscheidet. I.Ü. haben die Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die vermittelten Kapitalanlagen wegen behaupteter "Klumpenrisiken" und einer erheblichen Marktenge alle ungeeignet gewesen sein sollen. Die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen der Emittenten werden nicht aufgezeigt.

Schleswig-Holsteinisches OLG PM Nr. 7 vom 28.5.2013
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