07.06.2016

Schadensersatzklage von Claudia Pechstein vor deutschen Gerichten unzulässig

Die Klage der Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, mit der sie von der internationalen Fachverband für Eisschnelllauf Schadensersatz begehrte, weil sie ihrer Ansicht nach zu Unrecht zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war, ist vor den deutschen Gerichten nicht zulässig. Pechstein ist insoweit im Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich.

BGH 7.6.2016, KZR 6/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin. Sie verlangt von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie - nach ihrer Auffassung zu Unrecht - zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im Revisionsverfahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine von der Klägerin unterzeichnete Schiedsvereinbarung wirksam ist, die u.a. die ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne vorsieht.

Die Beklagte ist monopolistisch nach dem "Ein-Platz-Prinzip" organisiert, d.h. es gibt - wie auch auf nationaler Ebene - nur einen einzigen internationalen Verband, der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf nicht zugelassen worden. In der Wettkampfmeldung verpflichtete sie sich u.a. zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt die Wettkampfmeldung die Vereinbarung eines schiedsgerichtlichen Verfahrens vor dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs.

Bei der Weltmeisterschaft in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an. Ihre Disziplinarkommission verhängte gegen die Klägerin u.a. eine zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos. Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht blieben in der Sache ohne Erfolg. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG stellte hingegen durch Teilurteil fest, dass die Schiedsvereinbarung unwirksam und die Klage zulässig sei. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Die Klägerin meint hingegen, die Schiedsvereinbarung sei nach § 19 GWB unwirksam. Die Beklagte habe durch den Zwang, entweder die (alleinige) Zuständigkeit des CAS als Schiedsgericht zu vereinbaren oder an der Weltmeisterschaft nicht teilzunehmen, ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt. Die Schiedsrichterliste des CAS, aus der die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen müssen, sei nicht unparteiisch aufgestellt worden, weil die Sportverbände und olympischen Komitees bei der Erstellung der Liste ein deutliches Übergewicht hätten. Der BGH hob nun das Berufungsurteil auf und entschied, dass die Klage unzulässig ist.

Die Gründe:
Der Klage steht die Einrede der Schiedsvereinbarung entgegen.

Die Beklagte ist zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnelllaufwettbewerben marktbeherrschend. Ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, einen Missbrauch dieser marktbeherrschenden Stellung darstellt, ergibt sich aber erst aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Bei dieser Abwägung war kein missbräuchliches Verhalten der Beklagten festzustellen.

Der CAS ist ein "echtes" Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO. Weder der CAS selbst noch das konkrete Schiedsgericht sind wie ein Verbands- oder Vereinsgericht in eine Organisation eingegliedert. Dem steht nicht entgegen, dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste ausgewählt werden müssen und dass diese Liste von einem Gremium erstellt wird, dem überwiegend Vertreter der internationalen Sportverbände und der Olympischen Komitees angehören. Diese Regelung begründet kein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des konkreten Schiedsgerichts. Denn die Verbände und die Athleten stehen sich nicht als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber. Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen der Verbände als auch denen der Athleten.

Die mit einer einheitlichen internationalen Sportsgerichtsbarkeit verbundenen Vorteile, wie etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfahrensordnung des CAS, die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter gewährleistet. Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS beteiligte Sportverband - hier die ISU - und der Athlet müssen je einen Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts. Ist ein Schiedsrichter befangen, kann er abgelehnt werden. Die unterliegende Partei hat die Möglichkeit, bei dem zuständigen schweizerischen Bundesgericht um staatlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Das schweizerische Bundesgericht kann den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und ggf. aufheben.

Die Klägerin hat die Schiedsvereinbarung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen am Maßstab des § 19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die nicht gegen gesetzliche Wertentscheidungen verstößt. Dem Justizgewährungsanspruch der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die Verbandsautonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im Anschluss an das Schiedsgerichtsverfahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 97 vom 7.6.2016
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