13.08.2025

Scheidender Versichertenbeirat muss kein Schadensersatz leisten

Die Auskunftspflicht nach § 666 BGB ist nicht unbegrenzt, sondern hängt davon ab, was nach Gegenstand des Auftrags, Üblichkeit im Geschäftsverkehr, Zweck der Auskunft und Treu und Glauben erwartet werden kann. Der Vortrag, es sei Aufsichtsratsmitgliedern selbst ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung untersagt, gegen die Interessen der Gesellschaft zu handeln, ist auf die Mitglieder eines Versichertenbeirats nicht übertragbar.

LG Hamburg v. 11.7.2025 - 322 O 45/25
Der Sachverhalt:
Der Beklagte zu 2) ist ein Landesverband von Kleingärtnern in Form eines eingetragenen Vereins. Der Beklagte zu 1) ist ihr Vorsitzender und gleichzeitig Vorsitzender des entsprechenden Bundesverbandes. Die Klägerin zu 2) ist eine Versicherung, die Gruppenversicherungsverträge mit dem Beklagten zu 2) abgeschlossen hatte. Die Klägerin zu 1) ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Klägerin zu 2) und vermittelt dieser Versicherungen vor allem im Kleingärtnerbereich. Der Beklagte zu 1) saß im Versichertenbeirat der Klägerin zu 1) für die Belange der Kleingärtnerversicherungen und bezog dort eine Vergütung. Zeitweise hatte er auch den Vorsitz des Gremiums mit erhöhter Vergütung inne (1.500 € p.a.).

Der Beklagte zu 1) betrieb während seiner Beiratszugehörigkeit zunächst die Gründung der B. V. GmbH voran. Nachdem dies am Widerstand zahlreicher Landesverbände gescheitert war, wurde auf Betreiben des Beklagten zu 1) in Zusammenarbeit mit anderen Landesverbänden am 26.4.2024 die LKV L.-K. GmbH gegründet, deren Unternehmensgegenstand die "Tätigkeit als Assekuradeur und als Vertreter von Unternehmen der Versicherungswirtschaft, insbesondere Erstellung von Versicherungspolicen, Schadenbearbeitung und Vertragsverwaltung" ist. Ihre alleinige Gesellschafterin ist die Beklagte zu 2).

Bereits am 23.4.2024 war der Beklagte zu 1) als Beiratsvorsitzender mit Wirkung zum Ende April 2024 abberufen worden. Daraufhin kündigten Landes- bzw. Regionalverbände ihre von der Klägerin zu 1) vermittelten und mit der Klägerin zu 2) bestehenden Gruppenversicherungsverträge sowie mit der Klägerin zu 1) ggf. bestehende Agenturverträge. Die Klägerinnen machten geltend, die vom Beklagten zu 1) initiierte Konkurrenzgesellschaft ahme das Geschäftsmodell der Klägerin zu 1) nach und habe sämtliche Kunden der Klägerinnen abwerben und über einen anderen Versicherer neu versichern sollen. Der Beklagte zu 1) habe unwahre Behauptungen über die Klägerin zu 1) getätigt und sein von den Klägerinnen erlangtes Wissen ausgenutzt. Er habe so seine Pflichten als Beiratsmitglied verletzt und eine Kreditschädigung zulasten der Klägerinnen begangen. Die Beklagte zu 2) hafte dafür nach § 31 BGB.

Das LG hat die auf Auskunft und Schadensersatz gerichtete Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerinnen können gegen die Beklagten keinerlei Ansprüche geltend machen.

Der Auskunftsantrag ergab sich hier weder aus Auftragsrecht, Gesellschaftsrecht, Deliktsrecht noch Treu und Glauben. Ohne Erfolg beriefen die Klägerinnen sich auf die §§ 675, 666 BGB und auf § 242 BGB. Die Auskunftspflicht nach § 666 BGB ist nicht unbegrenzt, sondern hängt davon ab, was nach Gegenstand des Auftrags, Üblichkeit im Geschäftsverkehr, Zweck der Auskunft und Treu und Glauben erwartet werden kann. Danach bestand hier keine Auskunftspflicht.

Gegenstand des Auskunftsbegehrens waren keine Handlungen, die der Beklagte zu 1) in seiner Eigenschaft als Mitglied des Beirats, sondern die er als Vorsitzender der Beklagten zu 2) vorgenommen hatte, die also außerhalb seines Aufgabenbereichs innerhalb des Beirats lagen. Ob die Klägerinnen ein schadensunabhängiges Kontrollinteresse haben, das durch eine Anspruchsgrundlage geschützt wird, konnte dahinstehen, da ein solches geschütztes Kontrollinteresse jedenfalls auf die Sphäre des innerhalb des Beirats beschränkt wäre. Durch seine Tätigkeiten außerhalb des Beirats hatte der Beklagte zu 1) keine Pflichten innerhalb des Beirats verletzt, sodass er darüber auch keine Auskunft geben musste. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht war nicht ersichtlich und ein Wettbewerbsverbot gab es nicht.

Der Beklagte zu 1) hatte im Beirat auch als Vorsitzender überhaupt keine relevante Macht. Soweit die Klägerinnen auf BGH-Urteil vom 6.7.1990 - 2 StR 549/89 - verwiesen hatten, war dies hier nicht übertragbar, denn im BGH-Fall ging es darum, dass einer von zwei Geschäftsführern geltend machte, nicht er, sondern der andere Geschäftsführer habe gehandelt, woraufhin der BGH ihm vorwarf, er habe eine Handlungspflicht gehabt. Demgegenüber ging es hier bezüglich des Wettbewerbsverbots nicht um eine Handlungspflicht des Beklagten zu 1) im Beirat der Klägerinnen. Auch der Vortrag der Klägerinnen, es sei Aufsichtsratsmitgliedern selbst ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung untersagt, gegen die Interessen der Gesellschaft zu handeln, war auf die Mitglieder eines derartigen Beirats, wie ihn die Klägerinnen eingerichtet haben, nicht übertragbar.

Aus den Gründen, aus denen kein Auskunftsanspruch besteht, besteht auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) wegen Beteiligung an der LKV-Gründung. Die Beklagte zu 2) haftet nicht, weil gegen sie nur eine vom Beklagten zu 1) abgeleitete Haftung nach § 31 BGB geltend gemacht wurde und der Beklagte zu 1) schon mangels Pflichtverletzung nicht haftet. Aus den Gründen, aus denen kein Auskunftsanspruch besteht, besteht auch kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) wegen geschäftlicher Kontakte und wegen falscher Behauptungen.

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