17.02.2021

Schiedsklausel in Investitionsschutzabkommen verstößt gegen Unionsrecht

Die Zuweisung einer Investitionsstreitigkeit zwischen EU-Mitgliedstaaten an ein Schiedsgericht beeinträchtigt die Autonomie des Unionsrecht, wenn von der Entscheidung des Schiedsgerichts Unionsrecht betroffen sein kann. In diesen Fällen ist eine Schiedsvereinbarung unwirksam.

OLG Frankfurt a.M. v. 11.2.2021 - 26 SchH 2/20
Der Sachverhalt:
Kroatien wendet sich gegen die Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens, das eine kroatische und eine österreichische Bank gegen sie eingeleitet haben. Beide Banken erbringen im kroatischen Markt Finanzdienstleistungen. Die Banken berufen sich auf Schadensersatzansprüche gegen Kroatien im Zusammenhang mit der Änderung des kroatischen Insolvenzrechts und einer behaupteten systematischen Verweigerung von Rechtsschutz durch die kroatischen Gerichte.

Zwischen der Österreich und Kroatien besteht ein Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (BIT). Nach Art. 9 Abs. 2 BIT wird bei Streitigkeiten aus einer Investition ein Schiedsverfahren durchgeführt. Wegen behaupteter Schadensersatzansprüche leiteten die Banken ein Schiedsverfahren nach Art. 9 Abs. 2 BIT am vereinbarten Schiedsort Frankfurt a.M. ein. Kroatien beantragte daraufhin beim angerufenen OLG, die Unzulässigkeit des eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, da Art. 9 Abs. 2 BIT nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Das OLG gab dem Antrag statt. Der Beschluss ist mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Rechtsbeschwerdegericht ist der BGH.

Die Gründe:
Zwischen den Parteien besteht keine wirksame Schiedsvereinbarung. Art. 9 Abs. 2 BIT verstößt nach den zu beachtenden Rechtsgrundsätzen des EuGH gegen Unionsrecht (EuGH v. 6.3.2018 - C-284/16). Die EuGH-Entscheidung ist als Grundsatzentscheidung zu verstehen und erlangt über den Einzelfall hinaus Bedeutung für alle BIT-Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten, mithin auch hier.

Nach der EuGH-Entscheidung darf eine internationale Übereinkunft zwischen EU-Mitgliedstaaten die "Autonomie der Rechtsordnung der Union und ihres der Gewährleistung der Kohärenz und der Einheitlichkeit der Auslegung des Unionsrechts dienenden Gerichtssystems nicht beeinträchtigen". Innerhalb dieses Gerichtssystems ist es Sache der nationalen Gerichte und des EuGH, die uneingeschränkte Anwendung des Unionsrechts zu gewährleisten. Dabei kommt dem Vorabentscheidungsverfahren bei der Gewährleistung der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts eine Schlüsselfunktion zu.

Die Autonomie des Unionsrechts wird durch eine in einem BIT zwischen EU-Mitgliedstaaten enthaltene Schiedsklausel beeinträchtigt, wenn das Schiedsgericht über Streitigkeiten zu entscheiden hat, die sich auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen können und die Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH nicht gewährleistet ist. Grundsätzlich wird eine umfassende Sicherung des Interpretationsmonopols des EuGH angestrebt. Die mögliche Betroffenheit von Unionsrecht ist daher umfassend zu verstehen.

Im Streitfall besteht die Möglichkeit, dass ein nach Art. 9 Abs. 2 BIT angerufenes Schiedsgericht auch Unionsrecht anwenden muss. Bereits die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Investition richtet sich neben dem kroatischen und österreichischen Recht nach dem Unionsrecht. Dem Schiedsgericht ist es jedoch verwehrt, dem EuGH selbst im Wege eines Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV Fragen vorzulegen. Schiedsgerichte sind keine "Gerichte eines Mitgliedstaats" i.S.v. Art. 267 AEUV. Es liegt damit eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts vor. Allein die Möglichkeit, dass das nationale Recht eine gerichtliche Überprüfung von Schiedssprüchen vorsehen kann, führt nicht zur Vereinbarkeit von Art. 9 Abs. 2 BIT mit dem Unionsrecht.
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 10 vom 15.2.2021
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