22.04.2016

Schuldner kann im Eröffnungsverfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nur nach Ermächtigung durch das Gericht Masseverbindlichkeiten begründen

Im Eröffnungsverfahren zur Vorbereitung einer Sanierung kann der Schuldner nur dann Masseverbindlichkeiten begründen, wenn ihn das Insolvenzgericht auf seinen Antrag dazu ermächtigt hat. Führt der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung des Schuldners aufgrund einer Ermächtigung im Insolvenzplan einen Anfechtungsprozess fort, bleiben die anfechtungsrechtlichen Beschränkungen der Einwendungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten des Anfechtungsgegners auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhalten.

BGH 24.3.2016, IX ZR 157/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Sachwalter in dem auf Antrag vom 26.2.2013 über das Vermögen der S-AG (Schuldnerin) am 30.4.2013 eröffneten Insolvenzverfahren. In diesem Verfahren hatte das Insolvenzgericht zunächst am 4.3.2013 zur Vorbereitung einer Sanierung eine Frist von längstens drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplans bestimmt und den Kläger zum vorläufigen Sachwalter gem. § 270b Abs. 2 S. 1 InsO bestellt.

Aufgrund einer Ermächtigung in dem am 6.6.2013 von den Gläubigern angenommenen Insolvenzplan zur Fortführung anhängiger Anfechtungsprozesse nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückgewähr am 22.3.2013 und am 22.4.2014 von der Schuldnerin gezahlter Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H.v. insgesamt rd. 72.000 € in Anspruch.

Das LG wies die auf § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO gestützte Klage ab. Das OLG gab ihr statt. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Auf die Frage, ob der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet, wenn im Eröffnungsverfahren ein vorläufiger Sachwalter bestellt sei und der Schuldner keinen Antrag gestellt habe, ihn zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu ermächtigen, kommt es vorliegend nicht an. Diese umstrittene Frage kann sich nur in einem Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 270a InsO stellen. Handelt es sich um ein Eröffnungsverfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b InsO, kommt die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner nach § 270b Abs. 3 S. 1 i.V.m. S. 2 InsO nur in Betracht, wenn das Insolvenzgericht den Schuldner auf dessen Antrag zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ermächtigt hat. Vorliegend handelte es sich um ein Verfahren zur Vorbereitung einer Sanierung nach § 270b InsO. In diesem Verfahren hat die Schuldnerin einen Antrag, sie zur Begründung von Masseverbindlichkeit zu ermächtigen, nicht gestellt.

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht. Es sei rechtsgrundsätzlich zu klären, ob und inwieweit dem Anfechtungsgegner Einwendungen zustehen können, wenn der ehemalige Insolvenzverwalter oder Sachwalter einen Anfechtungsprozess aufgrund einer Ermächtigung im Insolvenzplan gem. § 259 Abs. 3 InsO fortführe, bedarf es der Zulassung der Revision ebenfalls nicht. Im Schrifttum wird im Anschluss an die Begründung des Gesetzgebers zu § 259 Abs. 3 InsO einhellig die Auffassung vertreten, aus dem Umstand, dass § 259 Abs. 3 InsO einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft darstelle und der Insolvenzverwalter oder Sachwalter den Anfechtungsprozess nach Aufhebung des Verfahrens grundsätzlich für Rechnung des Schuldners führe, könne keine Veränderung der materiellen Rechtslage dahin abgeleitet werden, dass den Anfechtungsgegnern Einwendungen zukämen, die sie sonst nicht geltend machen könnten. Die Beschränkungen der Einwendungs- und Aufrechnungsmöglichkeiten des Anfechtungsgegners blieben auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhalten, weil der Anfechtungsanspruch von der Aufhebung des Verfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans nicht berührt werde.

Diese naheliegende Auffassung ist zutreffend. Nur sie entspricht der Absicht des Gesetzgebers, mit der Einführung des § 259 Abs. 3 InsO zu verhindern, dass für den Anfechtungsgegner ein Anreiz besteht, den Anfechtungsprozess bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu verschleppen. Eine Aufrechnung der Beklagten mit ihrer nach anfechtungsrechtlicher Rückgewähr gem. § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebten Beitragsforderung kommt danach eindeutig nicht in Betracht, so dass es hierzu rechtsgrundsätzlicher Ausführungen des BGH nicht bedarf.

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