Schuldner ohne allgemeinen Gerichtsstand im Inland: Welches Vollstreckungsgericht ist zuständig?
KG Berlin v. 27.8.2025 - 2 UH 24/25
Der Sachverhalt:
Der Gläubiger war Mieter einer im Bezirk des AG Mitte gelegenen und im Eigentum der Schuldnerin stehenden Wohnung. Die Schuldnerin hat ihren Sitz in Luxemburg. Auf der Grundlage eines von dem AG Mitte erlassenen Versäumnisurteils beantragte der Gläubiger bei dem AG Schöneberg den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gegen die Schuldnerin. Als Drittschuldnerin ist dort die "C... Europe plc, Germany Branch, B..., 6... Frankfurt" bezeichnet. Ausweislich des Handelsregisters des AG Frankfurt a.M. handelt es sich hierbei um eine Zweigniederlassung der "C... Europe Public Limited Company" mit Sitz in Dublin/Irland.
Nach einem Hinweis des zunächst angerufenen Gerichts auf seine örtliche Unzuständigkeit beantragte der Gläubiger eine Abgabe an das AG Frankfurt a.M., worauf das AG Schöneberg die Sache antragsgemäß abgab. Das AG Frankfurt a.M. wies mit einer Verfügung seinerseits auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hin. Da die Drittschuldnerin in Frankfurt a.M. lediglich eine Zweigniederlassung unterhalte, seien die Voraussetzungen nach §§ 23 Satz 2, 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO nicht erfüllt, wie das LG Frankfurt a.M. (2-09 T 85/16) in einem vergleichbaren Fall bereits entschieden habe. Der Gläubiger beantragte hierauf, das Verfahren an das AG Mitte abzugeben, weil sich dort in Gestalt der vermieteten Wohnungen Vermögensgegenstände der Schuldnerin befänden. Das AG Mitte erklärte sich ebenfalls für örtlich unzuständig und legte die Sache dem KG zur Zuständigkeitsbestimmung vor. Der Hinweis auf die in seinem Bezirk vorhandenen Immobilien sei nicht stichhaltig, weil in diese Vermögensgegenstände nicht vollstreckt werden solle.
Das KG bestimmte das AG Frankfurt a.M. als das örtlich zuständige Vollstreckungsgericht.
Die Gründe:
Das KG ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des örtlich zuständigen Vollstreckungsgerichts berufen, weil das AG Schöneberg als das zuerst mit der Sache befasste Gericht zu seinem Bezirk gehört und aufgrund der Beteiligung eines weiteren AG aus einem anderen Oberlandesgerichtsbezirk an dem Zuständigkeitsstreit das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der BGH wäre.
Maßgebend für die örtliche Zuständigkeit ist in erster Linie der allgemeine Gerichtsstand des Schuldners (§ 828 Abs. 2 Alt. 1 ZPO). Nur wenn sich dieser - wie hier - nicht im Inland befindet, ist auf die Auffangregelung in § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO abzustellen, wonach das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners bzw. der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Nach § 23 Satz 2 ZPO gilt bei Forderungen als der Ort, wo sich das Vermögen befindet, der Wohnsitz des Drittschuldners und, wenn für die Forderung eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo sich die Sache befindet.
Daher ist eine örtliche Zuständigkeit des zunächst von dem Gläubiger angerufenen AG Schöneberg ebenso wenig ersichtlich wie eine solche des AG Mitte. Das AG Frankfurt a.M. ist hingegen nach § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO örtlich (und international) zuständig, weil die Drittschuldnerin dort die für ihr Deutschlandgeschäft zuständige Zweigniederlassung unterhält und das Konto der Schuldnerin dort geführt wird. Zwar gilt nach § 23 Satz 2 ZPO bei Forderungen als Ort, wo sich das Vermögen des Schuldners befindet (§ 23 Satz 1 Alt. 1 ZPO), der Wohnsitz des Drittschuldners. In der bereits zitierten Entscheidung hat das LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 7.3.2016 - 2-09 T 85/16, RPfleger 2016, 661) hieraus den Schluss gezogen, dass die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Bank nicht ausreichend sei, um an dem betreffenden Ort im Inland eine örtliche und internationale Zuständigkeit für eine Forderungspfändung nach § 828 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO zu begründen.
Ausgehend von dem bereits dargelegten Normzweck der Regelung besteht für eine solche restriktive Auslegung der Zuständigkeitsnorm jedoch keine hinreichende Rechtfertigung. Auf den "Wohnsitz" kann hier bereits deshalb nicht abgestellt werden, weil die Drittschuldnerin als juristische Person über einen solchen im eigentlichen Sinne nicht verfügt. Darüber hinaus ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die Kontoführung durch eine im Inland befindliche Zweigniederlassung einer ausländischen Bank nicht ausreichen sollte, um einen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen. Befindet sich die kontoführende Stelle im Inland, handelt es sich um eine im Inland belegene Forderung im Sinne des Territorialprinzips. Dies gilt unabhängig davon, ob das betreffende Kreditinstitut einen inländischen Sitz (§ 17 ZPO) oder eine selbständige Zweigniederlassung (§ 21 ZPO) unterhält, was letztlich von zufälligen Umständen abhängt. Schließlich ist auch die zur Bewirkung der Pfändung und Überweisung nach § 829 Abs. 3 ZPO notwendige Zustellung an den Drittschuldner am Ort der Zweigniederlassung als Inlandszustellung problemlos möglich. Entgegen der Auffassung des LG Frankfurt a.M. ist deshalb kein Grund ersichtlich, weshalb betreffende Forderungen dem Zugriff der inländischen Vollstreckungsgerichte entzogen sein sollten.
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Die Gründe:
Das KG ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des örtlich zuständigen Vollstreckungsgerichts berufen, weil das AG Schöneberg als das zuerst mit der Sache befasste Gericht zu seinem Bezirk gehört und aufgrund der Beteiligung eines weiteren AG aus einem anderen Oberlandesgerichtsbezirk an dem Zuständigkeitsstreit das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der BGH wäre.
Maßgebend für die örtliche Zuständigkeit ist in erster Linie der allgemeine Gerichtsstand des Schuldners (§ 828 Abs. 2 Alt. 1 ZPO). Nur wenn sich dieser - wie hier - nicht im Inland befindet, ist auf die Auffangregelung in § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO abzustellen, wonach das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners bzw. der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Nach § 23 Satz 2 ZPO gilt bei Forderungen als der Ort, wo sich das Vermögen befindet, der Wohnsitz des Drittschuldners und, wenn für die Forderung eine Sache zur Sicherheit haftet, auch der Ort, wo sich die Sache befindet.
Daher ist eine örtliche Zuständigkeit des zunächst von dem Gläubiger angerufenen AG Schöneberg ebenso wenig ersichtlich wie eine solche des AG Mitte. Das AG Frankfurt a.M. ist hingegen nach § 828 Abs. 2 Alt. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO örtlich (und international) zuständig, weil die Drittschuldnerin dort die für ihr Deutschlandgeschäft zuständige Zweigniederlassung unterhält und das Konto der Schuldnerin dort geführt wird. Zwar gilt nach § 23 Satz 2 ZPO bei Forderungen als Ort, wo sich das Vermögen des Schuldners befindet (§ 23 Satz 1 Alt. 1 ZPO), der Wohnsitz des Drittschuldners. In der bereits zitierten Entscheidung hat das LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 7.3.2016 - 2-09 T 85/16, RPfleger 2016, 661) hieraus den Schluss gezogen, dass die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Bank nicht ausreichend sei, um an dem betreffenden Ort im Inland eine örtliche und internationale Zuständigkeit für eine Forderungspfändung nach § 828 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO i.V.m. § 23 ZPO zu begründen.
Ausgehend von dem bereits dargelegten Normzweck der Regelung besteht für eine solche restriktive Auslegung der Zuständigkeitsnorm jedoch keine hinreichende Rechtfertigung. Auf den "Wohnsitz" kann hier bereits deshalb nicht abgestellt werden, weil die Drittschuldnerin als juristische Person über einen solchen im eigentlichen Sinne nicht verfügt. Darüber hinaus ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb die Kontoführung durch eine im Inland befindliche Zweigniederlassung einer ausländischen Bank nicht ausreichen sollte, um einen hinreichenden Inlandsbezug zu begründen. Befindet sich die kontoführende Stelle im Inland, handelt es sich um eine im Inland belegene Forderung im Sinne des Territorialprinzips. Dies gilt unabhängig davon, ob das betreffende Kreditinstitut einen inländischen Sitz (§ 17 ZPO) oder eine selbständige Zweigniederlassung (§ 21 ZPO) unterhält, was letztlich von zufälligen Umständen abhängt. Schließlich ist auch die zur Bewirkung der Pfändung und Überweisung nach § 829 Abs. 3 ZPO notwendige Zustellung an den Drittschuldner am Ort der Zweigniederlassung als Inlandszustellung problemlos möglich. Entgegen der Auffassung des LG Frankfurt a.M. ist deshalb kein Grund ersichtlich, weshalb betreffende Forderungen dem Zugriff der inländischen Vollstreckungsgerichte entzogen sein sollten.
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