12.09.2023

Störung beim beA: Wann ist die erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung noch rechtzeitig?

Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht. Eine vorübergehende Unmöglichkeit i.S.v. § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

BGH v. 25.7.2023 - X ZR 51/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte wandte sich gegen die teilweise Nichtigerklärung eines Patents. Das Urteil des Patentgerichts war ihr am 20.3.2023 zugestellt worden. Die vom Rechtsanwalt unterschriebene Berufungsschrift war am 20.4.2023 um 15:15 Uhr per Telefax beim BGH eingegangen. In einem am gleichen Tag um 20:09 Uhr per Telefax eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte dargelegt, weshalb ihre Prozessbevollmächtigten die Berufungsschrift nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eingereicht hatten.

Die Klägerin hielt das Rechtsmittel für unzulässig, weil die Begründung für die Ersatzeinreichung nicht zusammen mit der Berufungsschrift übermittelt worden war. Der BGH hat festgestellt, dass die Einreichung der Berufungsschrift per Telefax am 20.4.2023 zulässig war.

Gründe:
Die Berufungsschrift ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Im Streitfall war die Übermittlung per Telefax gem. § 130d Satz 2 ZPO ausnahmsweise ausreichend.

Gem. § 130d Satz 3 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Nach BGH-Rechtsprechung hat die Glaubhaftmachung danach möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt. Eine noch am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingegangene Darlegung und Glaubhaftmachung ist auf jeden Fall als gleichzeitig im Sinne dieser Grundsätze anzusehen. Eine vorübergehende Unmöglichkeit i.S.v. § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

Die Beklagte hat dargelegt und anwaltlich versichert, dass zwei ihrer Prozessbevollmächtigten am 20.4.2023 zwischen 12:56 Uhr und 18:34 Uhr insgesamt zwölfmal versucht hatten, die Berufungsschrift aus ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zu übermitteln, und dass alle Übermittlungsversuche mit der Meldung geendet hatten, die Nachricht habe nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden können. Sie haben ferner dargelegt, dass am 20.4.2023 auf den Internetseiten des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (https://egvp.justiz.de) eine mit dem Status "aktuell" gekennzeichnete Meldung veröffentlicht war, wonach (u.a.) die Bundesgerichte seit dem 19.4.2023 um 14:12 Uhr "vorläufig nicht erreichbar" seien. Diese Schilderung war aus sich heraus verständlich und in sich geschlossen. Sie wurde bestätigt durch die anwaltliche Versicherung und durch die vorgelegten Screenshots des Postausgangsordners der beiden besonderen elektronischen Anwaltspostfächer und den Screenshot der Fehlermeldung bezüglich des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs.

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