Streitwertbemessung bei einer Klage auf Nichtigerklärung eines bereits erloschenen Patents
BGH v. 17.6.2025 - X ZR 78/24
Der Sachverhalt:
Die drei Klägerinnen begehren die Nichtigerklärung des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 2 251 344, das am 25.1.2002 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 25.1.2001 angemeldet wurde und eine Formulierung der Boronsäure mit dem internationalen Freinamen Bortezomib betrifft.
Die Klägerinnen reichten ihre Klagen jeweils separat ein, und zwar nach Erlöschen des Streitpatents. Das BPatG verband diese Verfahren und ein weiteres Verfahren, in dem die Klage bereits im Jahr 2021 eingereicht worden war, zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Klage aus dem Jahr 2021 wurde vor der erstinstanzlichen Verhandlung zurückgenommen. Die drei verbliebenen Klagen wies das BPatG ab. Den Streitwert für die erste Instanz setzte es auf rd. 2,9 Mio. € fest. Mit ihren gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Berufungen begehren alle drei Klägerinnen weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Klägerinnen zu 2) und 3) beantragen, den Streitwert für die von ihnen erhobenen Klagen für beide Instanzen auf 500.000 bzw. 650.000 € festzusetzen. Dies entspricht jeweils dem Streitwert der gegen sie erhobenen Verletzungsklagen. Der Streitwert der Verletzungsklage gegen die Klägerin zu 1) wurde auf 300.000 € festgesetzt.
Der BGH setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren und die erste Instanz vorläufig auf 1,45 Mio. € fest. Hiervon entfallen 300.000 € auf die Klägerin zu 1), 500.000 € auf die Klägerin zu 2) und 650.000 € auf die Klägerin zu 3).
Die Gründe:
Gem. § 51 Abs. 1 GKG ist in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Diese Vorschrift gilt kraft der Bezugnahme in § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG auch für erstinstanzliche Patentnichtigkeitsverfahren.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht es in Patentnichtigkeitsverfahren im Allgemeinen billigem Ermessen, den Streitwert anhand des gemeinen Werts des Patents bei Erhebung der Klage bzw. Einlegung der Berufung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen festzusetzen. Der danach maßgebliche Wert ist in der Regel auf der Grundlage der Streitwertfestsetzung in anhängigen Verletzungsverfahren zzgl. eines Zuschlags von 25 % zu bestimmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen zu 2) und 3) ist der Streitwert in der Regel nicht durch das Klägerinteresse beschränkt. Dies beruht auf dem Umstand, dass eine Patentnichtigkeitsklage als Popularklage ausgestaltet ist, weshalb ein eigenes Interesse an der Nichtigerklärung des angegriffenen Patents weder darzutun ist noch vorhanden sein muss. Dies hat zur Folge, dass der Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens grundsätzlich nicht allein anhand des Streitwerts von Verletzungsklagen gegen den jeweiligen Nichtigkeitskläger zu bemessen ist. Maßgeblicher Ausgangspunkt ist vielmehr grundsätzlich die Summe des Streitwerts aller Verletzungsverfahren, soweit diese gegen unterschiedliche Ausführungsformen gerichtet sind.
Wenn das angegriffene Patent im Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Berufungseinlegung bereits erloschen war, ist der Streitwert für die betroffene Instanz hingegen nach dem Interesse des jeweiligen Klägers zu bemessen. Eine Nichtigkeitsklage gegen ein erloschenes Patent ist nur insoweit zulässig, als der Kläger ein eigenes Rechtsschutzinteresse darlegt. Aus der vergleichbaren Rechtslage im Zusammenhang mit der Löschung eines Gebrauchsmusters hat der Senat die Schlussfolgerung gezogen, dass der Streitwert nach dem Erlöschen des Schutzrechts nicht mehr nach dessen Wert zu bestimmen ist, sondern anhand des Interesses, das der jeweilige Antragsteller an der begehrten Entscheidung hat.
Für ein Patentnichtigkeitsverfahren gilt nichts anderes. Wie bereits oben dargelegt wurde, liegt der Grund für die Orientierung am Wert des Schutzrechts darin, dass mit der Nichtigkeitsklage Interessen der Allgemeinheit geltend gemacht werden. Nach dem Erlöschen des angegriffenen Patents liegt diese Voraussetzung nicht mehr vor. Deshalb ist vom Zeitpunkt des Erlöschens an entsprechend den allgemeinen Grundsätzen das Interesse des jeweiligen Klägers maßgeblich.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung
Streitwertbemessung bei einer Klage auf Nichtigerklärung eines Patents
BGH vom 11.03.2025 - X ZR 114/22
MDR 2025, 687
MDR0078609
Aktionsmodul Zivilrecht
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BGH online
Die drei Klägerinnen begehren die Nichtigerklärung des mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 2 251 344, das am 25.1.2002 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 25.1.2001 angemeldet wurde und eine Formulierung der Boronsäure mit dem internationalen Freinamen Bortezomib betrifft.
Die Klägerinnen reichten ihre Klagen jeweils separat ein, und zwar nach Erlöschen des Streitpatents. Das BPatG verband diese Verfahren und ein weiteres Verfahren, in dem die Klage bereits im Jahr 2021 eingereicht worden war, zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Klage aus dem Jahr 2021 wurde vor der erstinstanzlichen Verhandlung zurückgenommen. Die drei verbliebenen Klagen wies das BPatG ab. Den Streitwert für die erste Instanz setzte es auf rd. 2,9 Mio. € fest. Mit ihren gegen das erstinstanzliche Urteil gerichteten Berufungen begehren alle drei Klägerinnen weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Klägerinnen zu 2) und 3) beantragen, den Streitwert für die von ihnen erhobenen Klagen für beide Instanzen auf 500.000 bzw. 650.000 € festzusetzen. Dies entspricht jeweils dem Streitwert der gegen sie erhobenen Verletzungsklagen. Der Streitwert der Verletzungsklage gegen die Klägerin zu 1) wurde auf 300.000 € festgesetzt.
Der BGH setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren und die erste Instanz vorläufig auf 1,45 Mio. € fest. Hiervon entfallen 300.000 € auf die Klägerin zu 1), 500.000 € auf die Klägerin zu 2) und 650.000 € auf die Klägerin zu 3).
Die Gründe:
Gem. § 51 Abs. 1 GKG ist in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Diese Vorschrift gilt kraft der Bezugnahme in § 2 Abs. 2 Satz 4 PatKostG auch für erstinstanzliche Patentnichtigkeitsverfahren.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht es in Patentnichtigkeitsverfahren im Allgemeinen billigem Ermessen, den Streitwert anhand des gemeinen Werts des Patents bei Erhebung der Klage bzw. Einlegung der Berufung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen festzusetzen. Der danach maßgebliche Wert ist in der Regel auf der Grundlage der Streitwertfestsetzung in anhängigen Verletzungsverfahren zzgl. eines Zuschlags von 25 % zu bestimmen.
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen zu 2) und 3) ist der Streitwert in der Regel nicht durch das Klägerinteresse beschränkt. Dies beruht auf dem Umstand, dass eine Patentnichtigkeitsklage als Popularklage ausgestaltet ist, weshalb ein eigenes Interesse an der Nichtigerklärung des angegriffenen Patents weder darzutun ist noch vorhanden sein muss. Dies hat zur Folge, dass der Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens grundsätzlich nicht allein anhand des Streitwerts von Verletzungsklagen gegen den jeweiligen Nichtigkeitskläger zu bemessen ist. Maßgeblicher Ausgangspunkt ist vielmehr grundsätzlich die Summe des Streitwerts aller Verletzungsverfahren, soweit diese gegen unterschiedliche Ausführungsformen gerichtet sind.
Wenn das angegriffene Patent im Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. Berufungseinlegung bereits erloschen war, ist der Streitwert für die betroffene Instanz hingegen nach dem Interesse des jeweiligen Klägers zu bemessen. Eine Nichtigkeitsklage gegen ein erloschenes Patent ist nur insoweit zulässig, als der Kläger ein eigenes Rechtsschutzinteresse darlegt. Aus der vergleichbaren Rechtslage im Zusammenhang mit der Löschung eines Gebrauchsmusters hat der Senat die Schlussfolgerung gezogen, dass der Streitwert nach dem Erlöschen des Schutzrechts nicht mehr nach dessen Wert zu bestimmen ist, sondern anhand des Interesses, das der jeweilige Antragsteller an der begehrten Entscheidung hat.
Für ein Patentnichtigkeitsverfahren gilt nichts anderes. Wie bereits oben dargelegt wurde, liegt der Grund für die Orientierung am Wert des Schutzrechts darin, dass mit der Nichtigkeitsklage Interessen der Allgemeinheit geltend gemacht werden. Nach dem Erlöschen des angegriffenen Patents liegt diese Voraussetzung nicht mehr vor. Deshalb ist vom Zeitpunkt des Erlöschens an entsprechend den allgemeinen Grundsätzen das Interesse des jeweiligen Klägers maßgeblich.
Rechtsprechung
Streitwertbemessung bei einer Klage auf Nichtigerklärung eines Patents
BGH vom 11.03.2025 - X ZR 114/22
MDR 2025, 687
MDR0078609
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