Systemvergleich Anwaltsinkasso vs. Unternehmensinkasso
LG Darmstadt 12.5.2025 - 18 O 53/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als qualifizierter Wirtschaftsverband. Ihm gehören weit mehr als 75 bundesweit tätige Inkassounternehmen an. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und hatte auf seiner Homepage anwaltliche Inkassodienstleistungen u.a. mit folgenden Aussagen beworben:
"Sie zahlen zunächst weder einen Gebühren- noch einen Auslagenvorschuss, auch keinen Mitglieds- oder Vereinsbeitrag, wie dies bei vielen Inkassobüros üblich ist."
"Bei der Beauftragung eines Inkassounternehmens dürfen nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden. Aus diesem Grund sind Inkassounternehmen für den Gläubiger meist teurer als ein Anwalt. Denn Rechtsanwaltsgebühren dürfen geltend gemacht werden."
Die Kläger mahnte den Beklagten erstmals mit Schreiben vom 3.9.2024ab. Dem folgten im Jahr 2024 insgesamt noch 42 weitere Schreiben dieser Art. Der Kläger verfolgte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem er eine verfahrensfremde eidesstattliche Versicherung vorlegte. Die Parteien legten diesen beim LG Darmstadt unter dem Az. 18 O 45/24 geführten Rechtsstreit einvernehmlich durch einen Vergleich bei. Der Kläger nahm den Beklagten nachfolgend auf Ersatz von Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG i.H.v. 297,50 € in Anspruch.
Das LG hat der Klage mit einem Teilversäumnis- und Endurteil weitestgehend stattgegeben. Der Beklagte legte Einspruch ein und war der Ansicht, das klägerische Verhalten stelle sich als missbräuchlich i.S.v. § 8c Abs. und 2 Nr. 2 UWG dar. Das LG hat das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten und die Berufung nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hatte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG.
An die Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung eines Inkassounternehmens, die Teil des Internetauftritts des Beklagten waren, mussten die im Hinblick auf den sog. Systemvergleich entwickelten Maßstäbe angelegt werden. Denn eine Bezugnahme zu einem bestimmten Inkassounternehmen war dem Internetauftritt des Beklagten nicht zu entnehmen.
Ein Systemvergleich ist grundsätzlich zulässig. Er ist jedoch dann nach §§ 3, 5 UWG unzulässig, wenn er gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen. Insbesondere darf durch die Hervorhebung bestimmter Eigenschaften kein falsches Gesamtbild, also ein "schiefes Bild" entstehen (vgl. OLG Hamburg, Urt. vom 20.8.2002 - 5 U 151/02), und der Vergleich muss nachprüfbar sein. Zahlreiche Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung von Inkassounternehmen stellen sich danach als unzulässig dar.
Der Beklagte hatte ausgeführt, dass die Beauftragung von Inkassounternehmen meist teurer sei als die Beauftragung eines Anwalts mit Inkassodienstleistungen, weil nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden dürften. Hierdurch wurde dem Verbraucher ein unzutreffender Eindruck im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit von mit der Beauftragung von Inkassounternehmen verbundenen Kosten vermittelt, zumal der Tätigkeit von Inkassodienstleistern im Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen ausdrücklich gesetzlich Anerkennung fand, und das BVerfG bereits im Jahr 2011 festgestellt hat, dass Kosten eines Inkassobüros "nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden [können]" (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 - 1 BvR 1012/11).
Auch vermittelte die Aussage "Im Erfolgsfall keinerlei Gebühren und Auslagen" unter der Überschrift "Ihre Vorteile und Ihr Gewinn beim Anwaltsinkasso" den unzutreffenden Eindruck bei einem Verbraucher, dass dann, wenn nach Einschaltung eines Rechtsanwalts die Forderung, mit deren Geltendmachung der Rechtsanwalt beauftragt war, vom Schuldner bezahlt, keine Kosten auf den Auftraggeber zukommen könnten. Dieser Eindruck war insofern unzutreffend, als der Auftraggeber des Rechtsanwalts weiter für Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts haftet, wenn der Schuldner diese Kosten nicht zahlt bzw. nicht zahlen kann.
Ein Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung aus § 8c Abs. 1, Abs. 2 UWG war nicht zu erkennen. Grundsätzlich ist es Sache des Beklagten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzutreten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbands, für den die Vermutung spricht, seinen satzungsmäßigen Zwecken nachzugehen. Ist diese Vermutung allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert, muss der Kläger substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2024 - I ZR 83/23).
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Der Kläger ist als qualifizierter Wirtschaftsverband. Ihm gehören weit mehr als 75 bundesweit tätige Inkassounternehmen an. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und hatte auf seiner Homepage anwaltliche Inkassodienstleistungen u.a. mit folgenden Aussagen beworben:
"Sie zahlen zunächst weder einen Gebühren- noch einen Auslagenvorschuss, auch keinen Mitglieds- oder Vereinsbeitrag, wie dies bei vielen Inkassobüros üblich ist."
"Bei der Beauftragung eines Inkassounternehmens dürfen nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden. Aus diesem Grund sind Inkassounternehmen für den Gläubiger meist teurer als ein Anwalt. Denn Rechtsanwaltsgebühren dürfen geltend gemacht werden."
Die Kläger mahnte den Beklagten erstmals mit Schreiben vom 3.9.2024ab. Dem folgten im Jahr 2024 insgesamt noch 42 weitere Schreiben dieser Art. Der Kläger verfolgte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem er eine verfahrensfremde eidesstattliche Versicherung vorlegte. Die Parteien legten diesen beim LG Darmstadt unter dem Az. 18 O 45/24 geführten Rechtsstreit einvernehmlich durch einen Vergleich bei. Der Kläger nahm den Beklagten nachfolgend auf Ersatz von Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG i.H.v. 297,50 € in Anspruch.
Das LG hat der Klage mit einem Teilversäumnis- und Endurteil weitestgehend stattgegeben. Der Beklagte legte Einspruch ein und war der Ansicht, das klägerische Verhalten stelle sich als missbräuchlich i.S.v. § 8c Abs. und 2 Nr. 2 UWG dar. Das LG hat das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten und die Berufung nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger hatte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG.
An die Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung eines Inkassounternehmens, die Teil des Internetauftritts des Beklagten waren, mussten die im Hinblick auf den sog. Systemvergleich entwickelten Maßstäbe angelegt werden. Denn eine Bezugnahme zu einem bestimmten Inkassounternehmen war dem Internetauftritt des Beklagten nicht zu entnehmen.
Ein Systemvergleich ist grundsätzlich zulässig. Er ist jedoch dann nach §§ 3, 5 UWG unzulässig, wenn er gegen das Sachlichkeitsgebot verstößt. Ein solcher Verstoß liegt vor, wenn zu den mit jedem Werbevergleich verbundenen (negativen) Wirkungen für die Konkurrenz besondere Umstände hinzutreten, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen. Insbesondere darf durch die Hervorhebung bestimmter Eigenschaften kein falsches Gesamtbild, also ein "schiefes Bild" entstehen (vgl. OLG Hamburg, Urt. vom 20.8.2002 - 5 U 151/02), und der Vergleich muss nachprüfbar sein. Zahlreiche Aussagen des Beklagten zum Anwaltsinkasso und zur Beauftragung von Inkassounternehmen stellen sich danach als unzulässig dar.
Der Beklagte hatte ausgeführt, dass die Beauftragung von Inkassounternehmen meist teurer sei als die Beauftragung eines Anwalts mit Inkassodienstleistungen, weil nach überwiegender Rechtsprechung vom Schuldner keine Inkassokosten verlangt werden dürften. Hierdurch wurde dem Verbraucher ein unzutreffender Eindruck im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit von mit der Beauftragung von Inkassounternehmen verbundenen Kosten vermittelt, zumal der Tätigkeit von Inkassodienstleistern im Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen ausdrücklich gesetzlich Anerkennung fand, und das BVerfG bereits im Jahr 2011 festgestellt hat, dass Kosten eines Inkassobüros "nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden [können]" (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.9.2011 - 1 BvR 1012/11).
Auch vermittelte die Aussage "Im Erfolgsfall keinerlei Gebühren und Auslagen" unter der Überschrift "Ihre Vorteile und Ihr Gewinn beim Anwaltsinkasso" den unzutreffenden Eindruck bei einem Verbraucher, dass dann, wenn nach Einschaltung eines Rechtsanwalts die Forderung, mit deren Geltendmachung der Rechtsanwalt beauftragt war, vom Schuldner bezahlt, keine Kosten auf den Auftraggeber zukommen könnten. Dieser Eindruck war insofern unzutreffend, als der Auftraggeber des Rechtsanwalts weiter für Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts haftet, wenn der Schuldner diese Kosten nicht zahlt bzw. nicht zahlen kann.
Ein Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung aus § 8c Abs. 1, Abs. 2 UWG war nicht zu erkennen. Grundsätzlich ist es Sache des Beklagten, Tatsachen für das Vorliegen eines Missbrauchs darzulegen und dafür Beweis anzutreten. Dies gilt auch für das Vorgehen eines Verbands, für den die Vermutung spricht, seinen satzungsmäßigen Zwecken nachzugehen. Ist diese Vermutung allerdings durch entsprechenden Tatsachenvortrag erschüttert, muss der Kläger substanziiert die Gründe darlegen, die gegen einen Missbrauch sprechen (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2024 - I ZR 83/23).
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