Telekommunikation: Werbeschreiben als sog. "Masche" enttarnt
AG Düsseldorf v. 18.9.2025 - 235 C 176/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Verbraucherin und langjährige Kundin der P.. Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Düsseldorf ansässiges Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation anbietet. Die Klägerin hatte im August 2023 eine werbliche Ansprache durch die Beklagte im Wege der sog. Dialogpost der Deutschen Post erhalten. Das Werbeschreiben enthielt kein Datum, dafür aber eine Vertragsofferte zum Abschluss eines DSL-Anschlusses. Die Klägerin stand zuvor in keinerlei Kontakt mit der Beklagten.
Bestandteil des Werbeschreibens war auch ein Auftragsformular, nebst Vertragszusammenfassung gefolgt von einer Widerrufsbelehrung. Am 4.10.2023 erhielt die Klägerin dann eine Aufforderung, die Beklagte als "Botin" dahingehend einzusetzen, dass die Kündigung und der Portierungsauftrag an die P. weitergeleitet wird. Mit Schreiben der P. vom 7.12.2023 erhielt die Klägerin eine Kündigungsbestätigung. Sodann folgte ein Schreiben der Beklagten mit Datum 29.4.2024 an die Klägerin mit dem Betreff "Anbieterwechselauftrag". Dort bezog sich diese auf die zurückgenommene Kündigung der Klägerin gegenüber der P. und fordert sie erneut auf, die Portierung der Rufnummer zu beantragen.
Die Klägerin kam dieser Aufforderung nicht nach, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 13.5.2024 die fristlose Kündigung erklärte und zugleich einen pauschalierten Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend machte. Am 16.5.2024 widerrief die Klägerin den Vertrag und erklärte zugleich die Anfechtung desselben "wegen Sittenwidrigkeit". Am 21.8.2024 forderte die Klägerin die Beklagte hinsichtlich der rechtswidrig erfolgten werblichen Ansprache aus August 2023 zur Unterlassung sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis längstens 29.8.2024 auf. Die Beklagte erhielt außerdem binnen derselben Frist Gelegenheit zur Abgabe einer Verzichtserklärung sowie zum Ausgleich der außergerichtlichen Anwaltskosten.
Die Beklagte behauptete, es sei auf jeder Seite des streitgegenständlichen Schreibens sehr deutlich darüber informiert worden, von wem das Werbeschreiben stamme und mit wem der neue Vertrag abgeschlossen werden soll. Eine Widerrufserklärung gut acht Monate nach dem Vertragsschluss sei offenkundig verfristet. Eine gem. § 119 Abs. 1 BGB "unverzüglich" zu erklärende Anfechtung wegen Irrtums erst am 13.5.2024 sei ebenso offenkundig verfristet.
Das AG hat der Klage weitestgehend stattgegeben.
Die Gründe:
Der zwischen den Parteien geschlossene Telekommunikationsvertrag war durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 16.5.2024 erklärte Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an unwirksam. Es lag der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung gem. § 123 Abs. 1 1.Alt. BGB vor.
Das von der Beklagten verwendete personalisierte Werbeschreiben an die Klägerin hatte in dieser den Irrtum hervorgerufen, es handele sich um eine Vertragsanpassung ihres bisherigen Telekommunikationsanbieters, der P.. Wie das AG Ansbach in seinem Urteil vom 13.12.2024 (Az.: 4 C 653/24) zutreffend ausführte, suggeriert die Beklagte bereits durch die äußere Aufmachung, namentlich die Personalisierung, hier die Nennung der Telefonnummer der Klägerin bei der P., dass es sich gerade nicht um ein Werbeschreiben eines Mitanbieters handelt sondern um normale Geschäftspost im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Das Schreiben der Beklagten enthielt auch weder eine klar hervorgehobene Kennzeichnung als Werbung noch enthielt das Layout irgendwelche typischen Werbesignale. Schließlich fehlte jeglicher Hinweis zur Notwendigkeit einer Kündigung des bisherigen Telekommunikationsvertrags.
Soweit die Beklagte vorgetragen hatte, die Klägerin hätte wegen des Logos oder der angegebenen Adresse erkennen müssen, wer Vertragspartner sei, verfing dies im Hinblick auf die aufgeführten -von der Beklagten bewusst gewählten- Gestaltungsmittel in dem Schreiben nicht. Vor diesem Hintergrund war das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin eine Willenserklärung zum Abschluss eines Neu-Vertrags bei der Beklagten nicht abgegeben wollte sondern lediglich den bei ihrem bisherigen Telekommunikationsanbieter bestehenden Vertrag optimieren wollte. Und Die Beklagte wollte zur Überzeugung des Gerichts genau diesen Irrtum bei der Klägerin hervorrufen.
Dass es sich hierbei um eine "Masche" der Beklagten handelt und sie dies in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen bei anderen Verbrauchern bereits versucht hat und weiterhin versucht, ist dem Gericht bekannt. Da der Vertrag durch die erfolgte Anfechtung von Anfang an nichtig war, besteht auch kein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf pauschalierten Schadenersatz, da der Beklagten ein entsprechender Sekundäranspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Vielmehr steht der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG, 1004 BGB analog i.V.m. den zu § 7 UWG geltenden Grundsätzen zu. Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind gem. § 823 Abs. 1 BGB begründet.
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Justiz NRW
Die Klägerin ist Verbraucherin und langjährige Kundin der P.. Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Düsseldorf ansässiges Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation anbietet. Die Klägerin hatte im August 2023 eine werbliche Ansprache durch die Beklagte im Wege der sog. Dialogpost der Deutschen Post erhalten. Das Werbeschreiben enthielt kein Datum, dafür aber eine Vertragsofferte zum Abschluss eines DSL-Anschlusses. Die Klägerin stand zuvor in keinerlei Kontakt mit der Beklagten.
Bestandteil des Werbeschreibens war auch ein Auftragsformular, nebst Vertragszusammenfassung gefolgt von einer Widerrufsbelehrung. Am 4.10.2023 erhielt die Klägerin dann eine Aufforderung, die Beklagte als "Botin" dahingehend einzusetzen, dass die Kündigung und der Portierungsauftrag an die P. weitergeleitet wird. Mit Schreiben der P. vom 7.12.2023 erhielt die Klägerin eine Kündigungsbestätigung. Sodann folgte ein Schreiben der Beklagten mit Datum 29.4.2024 an die Klägerin mit dem Betreff "Anbieterwechselauftrag". Dort bezog sich diese auf die zurückgenommene Kündigung der Klägerin gegenüber der P. und fordert sie erneut auf, die Portierung der Rufnummer zu beantragen.
Die Klägerin kam dieser Aufforderung nicht nach, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 13.5.2024 die fristlose Kündigung erklärte und zugleich einen pauschalierten Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend machte. Am 16.5.2024 widerrief die Klägerin den Vertrag und erklärte zugleich die Anfechtung desselben "wegen Sittenwidrigkeit". Am 21.8.2024 forderte die Klägerin die Beklagte hinsichtlich der rechtswidrig erfolgten werblichen Ansprache aus August 2023 zur Unterlassung sowie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis längstens 29.8.2024 auf. Die Beklagte erhielt außerdem binnen derselben Frist Gelegenheit zur Abgabe einer Verzichtserklärung sowie zum Ausgleich der außergerichtlichen Anwaltskosten.
Die Beklagte behauptete, es sei auf jeder Seite des streitgegenständlichen Schreibens sehr deutlich darüber informiert worden, von wem das Werbeschreiben stamme und mit wem der neue Vertrag abgeschlossen werden soll. Eine Widerrufserklärung gut acht Monate nach dem Vertragsschluss sei offenkundig verfristet. Eine gem. § 119 Abs. 1 BGB "unverzüglich" zu erklärende Anfechtung wegen Irrtums erst am 13.5.2024 sei ebenso offenkundig verfristet.
Das AG hat der Klage weitestgehend stattgegeben.
Die Gründe:
Der zwischen den Parteien geschlossene Telekommunikationsvertrag war durch die von der Klägerin mit Schreiben vom 16.5.2024 erklärte Anfechtung gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an unwirksam. Es lag der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung gem. § 123 Abs. 1 1.Alt. BGB vor.
Das von der Beklagten verwendete personalisierte Werbeschreiben an die Klägerin hatte in dieser den Irrtum hervorgerufen, es handele sich um eine Vertragsanpassung ihres bisherigen Telekommunikationsanbieters, der P.. Wie das AG Ansbach in seinem Urteil vom 13.12.2024 (Az.: 4 C 653/24) zutreffend ausführte, suggeriert die Beklagte bereits durch die äußere Aufmachung, namentlich die Personalisierung, hier die Nennung der Telefonnummer der Klägerin bei der P., dass es sich gerade nicht um ein Werbeschreiben eines Mitanbieters handelt sondern um normale Geschäftspost im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Das Schreiben der Beklagten enthielt auch weder eine klar hervorgehobene Kennzeichnung als Werbung noch enthielt das Layout irgendwelche typischen Werbesignale. Schließlich fehlte jeglicher Hinweis zur Notwendigkeit einer Kündigung des bisherigen Telekommunikationsvertrags.
Soweit die Beklagte vorgetragen hatte, die Klägerin hätte wegen des Logos oder der angegebenen Adresse erkennen müssen, wer Vertragspartner sei, verfing dies im Hinblick auf die aufgeführten -von der Beklagten bewusst gewählten- Gestaltungsmittel in dem Schreiben nicht. Vor diesem Hintergrund war das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin eine Willenserklärung zum Abschluss eines Neu-Vertrags bei der Beklagten nicht abgegeben wollte sondern lediglich den bei ihrem bisherigen Telekommunikationsanbieter bestehenden Vertrag optimieren wollte. Und Die Beklagte wollte zur Überzeugung des Gerichts genau diesen Irrtum bei der Klägerin hervorrufen.
Dass es sich hierbei um eine "Masche" der Beklagten handelt und sie dies in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen bei anderen Verbrauchern bereits versucht hat und weiterhin versucht, ist dem Gericht bekannt. Da der Vertrag durch die erfolgte Anfechtung von Anfang an nichtig war, besteht auch kein Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf pauschalierten Schadenersatz, da der Beklagten ein entsprechender Sekundäranspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht. Vielmehr steht der Klägerin gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG, 1004 BGB analog i.V.m. den zu § 7 UWG geltenden Grundsätzen zu. Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind gem. § 823 Abs. 1 BGB begründet.
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