05.05.2015

Türkische Rindswürstchen dürfen in Deutschland weiterhin PINAR SOSIS heißen

Ausnahmsweise können die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Verkehrsauffassung bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form i.S.v. § 26 Abs. 3 MarkenG herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens (hier: PINAR SOSIS) gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimmten Sprachkreis (hier: türkisch) der Fall ist.

BGH 17.11.2014, I ZR 114/13
Der Sachverhalt:
Die drei Klägerinnen gehören zu einem türkischen Konzern, der seit dem Jahr 1975 in der Türkei unter der Bezeichnung "PINAR" Milch- und Molkereiprodukte vertreibt. Die Beklagte stellt seit Ende der 1960er-Jahre Wurstwaren her, die sie zunächst in erster Linie an türkischstämmige Abnehmer in Deutschland vertrieb. Seit 1975 gehören zu ihrer Produktpalette aus Rindfleisch hergestellte Würstchen. Auf den Banderolen der Verpackungen sind seit 1980 die Bezeichnungen "PINAR" und "SOSIS" aufgedruckt. "Pinar" heißt in der türkischen Sprache "Quelle" und kann auch ein weiblicher Vorname sein. "Sosis" bedeutet "Würstchen".

Die Beklagte ist seit 1986 Inhaberin der deutschen Wortmarke "PINAR", die für Fleisch- und Wurstwaren eingetragen ist. Seit 1990 bietet sie in Deutschland Würstchen in Dosen an, auf denen eine Banderole mit zwei Schauseiten angebracht ist: Auf den Banderolen finden sich die Bezeichnungen "EGETÜRK" auf rotem Grund und "PINAR SOSIS" in weißer Schrift mit grüner Umrandung, die Angabe "6 Soyulmuş Sosis" oder "6 Rindwürstchen in Eigenhaut" sowie die Abbildung einer Kuh vor einer idealisierten Landschaft.

Die Klägerinnen begehrten die Löschung der Wortmarke "PINAR" für Wurstwaren wegen Verfalls. Die Beklagte machte demgegenüber geltend, die angegriffene Marke durch die Aufmachung der Dosen mit den Würstchen rechtserhaltend benutzt zu haben. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Den Klägerinnen stand kein Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der Marke "PINAR" nach § 49 Abs. 1, § 55 Abs. 1 u. 2 Nr. 1 MarkenG zu, weil die angegriffene Marke durch die Verwendung der Banderole auf Dosen mit der Bezeichnung "PINAR SOSIS" rechtserhaltend benutzt worden war.

Zu Recht hatten die Vorinstanzen angenommen, dass das Wort-Bild-Zeichen "Egetürk" und das Bildelement in Gestalt einer Kuh vor einer idealisierten Landschaft im unteren Teil der Banderole sowie die grüne Umrandung der Wörter "PINAR" und "SOSIS" den kennzeichnenden Charakter der Wortmarke "PINAR" nicht verändern. Zu Recht waren sie auch davon ausgegangen, dass der kennzeichnende Charakter der Wortmarke "PINAR" sich i.S.d. § 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG nicht verändert, wenn der Verkehr die Bezeichnungen "PINAR" und "SOSIS" als einheitliche Kennzeichnung "PINAR SOSIS" wahrnimmt.

Das Berufungsgericht war rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der durchschnittliche potentielle Abnehmer der von der Beklagten vertriebenen Produkte den Begriff "SOSIS" als Sachangabe für die in den Dosen enthaltenen Würstchen versteht und die vorangestellte Bezeichnung "PINAR" als alleinige Kennzeichnung ansieht. Werden einer Marke beschreibende Wortelemente hinzugefügt, die nur die Art, Bestimmung oder sonstige Eigenschaften der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen beschreiben, bleibt der kennzeichnende Charakter der Marke regelmäßig unberührt. In diesem Fall kommt dem hinzugefügten Wortbestandteil wegen seines rein beschreibenden Charakters keine eigene herkunftshinweisende Funktion zu.

Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form i.S.v. § 26 Abs. 3 MarkenG können ausnahmsweise die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Verkehrsauffassung herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimmten Sprachkreis der Fall ist. Wird die eingetragene Marke mit einem Zusatz verbunden, der in der türkischen Sprache das vertriebene Produkt beschreibt (hier: SOSIS), ist von einer rechtserhaltenden Nutzung durch das zusammengesetzte Kennzeichen (hier: PINAR SOSIS) auszugehen, wenn die Produkte in Deutschland - wie im vorliegenden Fall - weit überwiegend in türkischen Lebensmittelgeschäften an der türkischen Sprache mächtige Kunden vertrieben werden.

Anders als die Klägerinnen meinten, führt die Heranziehung der Grundsätze zur gespaltenen Verkehrsauffassung nicht zu einem Wertungswiderspruch zur Beurteilung der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG. Diese erfolgt im Eintragungs- und Löschungsverfahren ausschließlich im Hinblick auf die eingetragene Marke "PINAR", die nicht um weitere Bestandteile zu ergänzen ist. Der Eintragung der Marke "PINAR" steht für Wurstwaren unabhängig, ob der Verkehrskreis des deutsch- oder türkischsprachigen Publikums maßgeblich ist das Schutzhindernis mangelnder Unterscheidungskraft oder eines Freihaltebedürfnisses nicht entgegen.

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