11.11.2011

Unternehmer müssen sich Wettbewerbsverstöße (hier: Zusendung unbestellter Ware) zur Akquisition eingesetzter Personen zurechnen lassen

Die Zusendung unbestellter Ware fällt dann nicht unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG oder unter § 7 Abs. 1 S. 1 UWG, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmens hat. Beruht der Irrtum darauf, dass der Unternehmer von Personen, die er für die Akquisition eingesetzt hat, über das Vorliegen einer Bestellung getäuscht wurde, haftet er für den in der Zusendung liegenden Wettbewerbsverstoß ungeachtet einer Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB nach § 8 Abs. 2 UWG.

BGH 17.8.2011, I ZR 134/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherschutzverband. Sie nimmt die Beklagte, die Zeitschriftenabonnements vertreibt, im Hinblick auf zwei Schreiben, die die Beklagte an eine Verbraucherin versandt hat, auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. In den als "Auftragsbestätigung" bezeichneten Schreiben wurde der Verbraucherin jeweils mitgeteilt, sie habe eine Zeitschrift bestellt. Die Verbraucherin könne nach Erhalt des kostenlosen ersten Heftes acht Tage lang prüfen, ob sie das betreffende Magazin weiterhin beziehen wolle. Falls dies nicht der Fall sei, genüge eine kurze Nachricht an die Beklagte. Die Rechnung folge mit der nächsten Lieferung.

Die Verbraucherin ist dem noch vor Auslieferung der ersten Hefte mit der Begründung entgegengetreten, sie habe die Zeitschriften nicht bestellt. Die Klägerin hält das Verhalten der Beklagten wegen unzumutbarer Belästigung, Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit und Irreführung sowie unter dem Gesichtspunkt der Aufforderung zur Bezahlung unbestellter Waren für wettbewerbswidrig.

Die Beklagte macht geltend, sie und ihre Vertriebspartnerin, die ihrerseits mit provisionsberechtigten Vertriebspartnern (sog. Affiliates) zusammenarbeite, die wiederum mit verschiedenen Sub-Affiliates kooperierten, seien selbst Opfer eines groß angelegten Betrugs geworden. Die Sub-Affiliates spielten die Daten der Beklagten über deren Vertriebspartnerin über einen elektronischen Verweis und eine eigene Händlercodenummer zu. Ein bislang noch unbekannter Täter habe, um sich unrechtmäßig Provisionen zu verschaffen, unter den Namen real existierender Personen E-Mail-Adressen eingerichtet, dort Kaufabsicht vorgetäuscht und die Konten nach Vereinnahmung der dadurch angefallenen Provisionen wieder löschen lassen. Für solche kriminellen Verhaltensweisen von außerhalb ihres Vertriebssystems stehenden Personen müsse die Beklagte nicht einstehen.

Das LG wies die auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten gerichtete Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH nur teilweise Erfolg. Der BGH entschied, dass der Beklagten die Bestätigung des Bezugs der Zeitschriftenabonnements allein in der Form zu verbieten ist, in der sie gegenüber der Verbraucherin erfolgt ist.

Die Gründe:
Das OLG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die beiden streitgegenständlichen Schreiben sowohl unzulässige Aufforderungen zur Bezahlung nicht bestellter Waren i.S.v. Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG als auch wegen unzumutbarer Belästigung der Adressatin nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlungen darstellten.

Das OLG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Tatbestand der Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren erfasst, wobei eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht, deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird. Es hat hierzu zutreffend ausgeführt, dass eine solche unberechtigte Ankündigung den Verbraucher mindestens ebenso verunsichert wie die mit einer Zahlungsaufforderung verbundene Übersendung unbestellter Ware und ihn dabei noch stärker belästigt. Ob auch die weitere Erwägung zutrifft, es sei unerheblich, ob der Gewerbetreibende irrtümlich von einer Bestellung ausgehe, weil die Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Nr. 3 UWG auf die Drucksituation für den Verbraucher abstelle, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

Denn ein insoweit relevanter Irrtum liegt hier jedenfalls deshalb nicht vor, weil die Beklagte sich die Bösgläubigkeit der in ihrem Geschäfts- und Verantwortungsbereich tätig gewordenen unbekannten Personen zurechnen lassen muss, die unter den Namen real existierender Personen E-Mail-Adressen eingerichtet, dort Kaufabsicht vorgetäuscht und die Konten nach Vereinnahmung der dadurch angefallenen Provisionen haben löschen lassen. Die von den beanstandeten Schreiben ausgehende Belästigung der Adressatin stellt sich als Folge und Realisierung eines in der Sphäre der Beklagten begründeten Risikos dar. Ungeachtet einer Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB begründet dies die Haftung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 UWG für die von ihr unmittelbar oder mittelbar eingesetzten Zeitschriftenwerber.

Das OLG hat die streitgegenständlichen Schreiben mit Recht auch als gem. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlungen angesehen, weil sie deren Adressatin in unzumutbarer Weise belästigen. Das OLG hat zutreffend angenommen, dass die spezielle Regelung in Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG in ihrem Anwendungsbereich das in § 7 Abs. 1 S. 1 UWG statuierte generelle Verbot unzumutbarer Belästigungen nicht verdrängt, sondern ergänzt. Dasselbe gilt für die Beurteilung des OLG, dass das Zusenden unbestellter Ware und deren Ankündigung regelmäßig - zumal wenn sie an einen Verbraucher und unter den in Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG bestimmten Voraussetzungen erfolgt - eine unzumutbare Belästigung i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstellt.

Der dem allgemein gefassten Klageantrag folgende Unterlassungsausspruch im Berufungsurteil erfasst allerdings auch Fälle, in denen die Beklagte irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache - anders als im Streitfall - nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten hat. In solchen Fällen sind weder die Voraussetzungen von Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG noch die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG erfüllt. Die Klägerin hat jedoch mit ihrem in den Vorinstanzen gehaltenen Vortrag und insbes. bei ihren Ausführungen in der Berufungsbegründung zu erkennen gegeben, dass jedenfalls die konkret beanstandete Verhaltensweise der Beklagten verboten werden soll. Da der abstrakt gefasste Antrag die Unterlassung der konkreten Verletzungsform als Minus umfasst, war der Klage daher in diesem Umfang unter Bezugnahme auf die konkret beanstandeten Auftragsbestätigungen stattzugeben; im Übrigen war sie abzuweisen.

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