Unterstützende Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Rechte von Presseverlagen
EuGH, C-797/23: Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.7.2025
Hintergrund:
Die digitale Revolution hat im Mediensektor zu tiefgreifenden Umwälzungen geführt. Dies betrifft gerade die Printmedien, die in den zurückliegenden Jahren mit den neuen Gewohnheiten der Nutzer, dem Aufkommen von Online-Presseschau-Diensten und der Konkurrenz durch neue digitale Kanäle konfrontiert wurden. All dies hat zu einem drastischen Rückgang der Einnahmen der Verlage geführt, was ihr Geschäftsmodell und ihre wesentliche Rolle in demokratischen Gesellschaften gefährdet. Um Abhilfe zu schaffen, sind mehrere Gesetzesinitiativen ergriffen worden, darunter der Erlass von Vorschriften der Europäischen Union, mit denen neue Rechte des gewerblichen Eigentums zugunsten von Presseverlagen eingeführt wurden. Diese Maßnahmen haben jedoch zu heftiger Kritik in Bezug auf ihre Wirksamkeit und ihre Rechtmäßigkeit geführt.
Der Sachverhalt:
Vorliegend wird der EuGH ersucht, sich zur Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt zu äußern. Mit der Richtlinie wird ein spezifisches verwandtes Schutzrecht zugunsten der Presseverlage für Online-Nutzungen ihrer Veröffentlichungen durch die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft (ADIG), wie der klagenden Gesellschaft Meta Platforms Ireland Limited (Meta), eingeführt.
Die Klägerin, die u.a. das soziale Netzwerk Facebook betreibt, erhob Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Italien und beantragte, einen Beschluss der italienischen Behörde für das Kommunikationswesen (AGCOM) für nichtig zu erklären. Meta stellt in Abrede, dass dieser Beschluss und die anwendbaren italienischen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie und der Charta der Grundrechte der EU vereinbar seien. Das italienische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und bittet den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens um Auslegung des Unionsrechts. Es fragt u a. nach der Natur dieses Rechts, den Verpflichtungen, die den ADIG auferlegt werden, und der Rolle, die der AGCOM im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Verlagen und den Plattformen zukommt.
Die Gründe:
Die Rechte, die der Unionsgesetzgeber den Presseverlagen einräumen wollte, haben nicht den allgemeinen Charakter von Urheberrechten oder anderen verwandten Schutzrechten. Sie zielen nicht einfach darauf ab, es den Presseverlagen zu ermöglichen, der Nutzung ihrer Veröffentlichungen durch die ADIG zu widersprechen. Dies hätte potenziell mehr den Verlagen als den ADIG geschadet. Diese Rechte sollen vielmehr die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Veröffentlichungen tatsächlich genutzt werden, und dabei den Presseverlagen ermöglichen, einen gerechten Ausgleich aus den Einnahmen zu erhalten, die die ADIG aus dieser Nutzung erzielen.
Die Mitgliedstaaten müssen daher über einen Gestaltungsspielraum verfügen, um die Wirksamkeit dieser Rechte zu gewährleisten. Daher stehen Maßnahmen wie die Verpflichtung der ADIG, Verhandlungen aufzunehmen, bestimmte Informationen bereitzustellen oder die Sichtbarkeit der Inhalte der Verlage während der Verhandlungen nicht einzuschränken, grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der Richtlinie, sofern sie nicht dazu verpflichten, einen Vertrag zu schließen oder eine Zahlung zu leisten, ohne dass eine tatsächliche Nutzung erfolgt oder vorgesehen ist.
Die der AGCOM verliehenen Befugnisse - einschließlich der Festlegung der Referenzkriterien für die Vergütung, der Beilegung von Streitigkeiten und die Kontrolle der Informationspflicht - sind zulässig, wenn sie sich in einem unterstützenden Rahmen halten und den Parteien nicht ihre Vertragsfreiheit nehmen. Auf einem durch eine starke Asymmetrie zwischen Plattformen und Verlagen gekennzeichneten Markt bezwecken diese Mechanismen die Wiederherstellung eines Gleichgewichts. Schließlich führen die in dieser Weise eingeführten Beschränkungen nicht zu einer Beeinträchtigung der durch die Charta geschützten unternehmerischen Freiheit, da sie ein vom Unionsgesetzgeber anerkanntes, im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgten: die Stärkung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Presse, eines wesentlichen Pfeilers der Demokratie.
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EuGH PM Nr. 90 vom 10.7.2025
Die digitale Revolution hat im Mediensektor zu tiefgreifenden Umwälzungen geführt. Dies betrifft gerade die Printmedien, die in den zurückliegenden Jahren mit den neuen Gewohnheiten der Nutzer, dem Aufkommen von Online-Presseschau-Diensten und der Konkurrenz durch neue digitale Kanäle konfrontiert wurden. All dies hat zu einem drastischen Rückgang der Einnahmen der Verlage geführt, was ihr Geschäftsmodell und ihre wesentliche Rolle in demokratischen Gesellschaften gefährdet. Um Abhilfe zu schaffen, sind mehrere Gesetzesinitiativen ergriffen worden, darunter der Erlass von Vorschriften der Europäischen Union, mit denen neue Rechte des gewerblichen Eigentums zugunsten von Presseverlagen eingeführt wurden. Diese Maßnahmen haben jedoch zu heftiger Kritik in Bezug auf ihre Wirksamkeit und ihre Rechtmäßigkeit geführt.
Der Sachverhalt:
Vorliegend wird der EuGH ersucht, sich zur Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt zu äußern. Mit der Richtlinie wird ein spezifisches verwandtes Schutzrecht zugunsten der Presseverlage für Online-Nutzungen ihrer Veröffentlichungen durch die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft (ADIG), wie der klagenden Gesellschaft Meta Platforms Ireland Limited (Meta), eingeführt.
Die Klägerin, die u.a. das soziale Netzwerk Facebook betreibt, erhob Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht in Italien und beantragte, einen Beschluss der italienischen Behörde für das Kommunikationswesen (AGCOM) für nichtig zu erklären. Meta stellt in Abrede, dass dieser Beschluss und die anwendbaren italienischen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Richtlinie und der Charta der Grundrechte der EU vereinbar seien. Das italienische Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und bittet den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens um Auslegung des Unionsrechts. Es fragt u a. nach der Natur dieses Rechts, den Verpflichtungen, die den ADIG auferlegt werden, und der Rolle, die der AGCOM im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Verlagen und den Plattformen zukommt.
Die Gründe:
Die Rechte, die der Unionsgesetzgeber den Presseverlagen einräumen wollte, haben nicht den allgemeinen Charakter von Urheberrechten oder anderen verwandten Schutzrechten. Sie zielen nicht einfach darauf ab, es den Presseverlagen zu ermöglichen, der Nutzung ihrer Veröffentlichungen durch die ADIG zu widersprechen. Dies hätte potenziell mehr den Verlagen als den ADIG geschadet. Diese Rechte sollen vielmehr die Voraussetzungen festlegen, unter denen die Veröffentlichungen tatsächlich genutzt werden, und dabei den Presseverlagen ermöglichen, einen gerechten Ausgleich aus den Einnahmen zu erhalten, die die ADIG aus dieser Nutzung erzielen.
Die Mitgliedstaaten müssen daher über einen Gestaltungsspielraum verfügen, um die Wirksamkeit dieser Rechte zu gewährleisten. Daher stehen Maßnahmen wie die Verpflichtung der ADIG, Verhandlungen aufzunehmen, bestimmte Informationen bereitzustellen oder die Sichtbarkeit der Inhalte der Verlage während der Verhandlungen nicht einzuschränken, grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der Richtlinie, sofern sie nicht dazu verpflichten, einen Vertrag zu schließen oder eine Zahlung zu leisten, ohne dass eine tatsächliche Nutzung erfolgt oder vorgesehen ist.
Die der AGCOM verliehenen Befugnisse - einschließlich der Festlegung der Referenzkriterien für die Vergütung, der Beilegung von Streitigkeiten und die Kontrolle der Informationspflicht - sind zulässig, wenn sie sich in einem unterstützenden Rahmen halten und den Parteien nicht ihre Vertragsfreiheit nehmen. Auf einem durch eine starke Asymmetrie zwischen Plattformen und Verlagen gekennzeichneten Markt bezwecken diese Mechanismen die Wiederherstellung eines Gleichgewichts. Schließlich führen die in dieser Weise eingeführten Beschränkungen nicht zu einer Beeinträchtigung der durch die Charta geschützten unternehmerischen Freiheit, da sie ein vom Unionsgesetzgeber anerkanntes, im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgten: die Stärkung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Presse, eines wesentlichen Pfeilers der Demokratie.
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