12.09.2025

Unwirksame Klausel: Keine gleichzeitige Geltendmachung von Darlehensrestvaluta und Vorfälligkeitsentschädigung

Es liegt im beiderseitigen Interesse von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer, dass die Klage auf Herausgabe des Sicherungsguts sofort mit der Klage auf Zahlung der gesicherten Forderung verbunden wird, weil nur dann im Zuge ein und desselben Erkenntnisverfahrens rechtskräftig festgestellt werden kann, ob und in welcher Höhe überhaupt die Forderung besteht, welche das herauszugebende Sicherungsgut besichert. Eine im kaufmännischen Geschäftsverkehr verwandte Klausel, die im Falle der Kündigung des Darlehens dem Darlehensgeber die gleichzeitige Geltendmachung von Darlehensrestvaluta und Vorfälligkeitsentschädigung gestattet, ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da eine Vorfälligkeitsentschädigung nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung verlangt werden kann.

OLG Düsseldorf v. 7.8.2025 - 16 U 188/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf die Herausgabe von Sicherungseigentum, auf Schadensersatz statt der Leistung wegen eines Mietkaufvertrags über einen Holzhacker, auf Rückzahlung eines gekündigten Darlehens zur Finanzierung der Anschaffung von drei Sattelanhängern und auf Schadensersatz wegen der Kosten eines letztlich vergeblich gebliebenen Sicherstellungsversuchs des ihr zur Sicherheit übereigneten A. Abschiebewagens in Anspruch.

Das LG gab nur der Herausgabeklage statt und wies die Zahlungsklage ab. Die Klägerin dürfe die ihr nach § 6 ihrer Darlehensbedingungen in Verbindung mit §§ 929, 930 BGB zur Sicherheit übereigneten Fahrzeuge herausverlangen. Der erforderliche Sicherungsfall sei durch die außerordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Darlehens sowie wegen des ebenfalls streitgegenständlichen Mietkaufvertrags über den Holzhacker eingetreten. Die neben den Herausgabeansprüchen geltend gemachten Zahlungsansprüche seien allerdings derzeit unbegründet, weil die gleichzeitige Durchsetzung der titulierten Zahlungsansprüche und der Inbesitznahme des Sicherungsguts zur Verwertung zu einer rechtlich nicht gedeckten Überbefriedigung der Klägerin führen würde. Die zwischen den Parteien getroffene Sicherungsabrede lege der Klägerin die Treuepflicht auf, die Inbesitznahme des Sicherungsguts nur zum Zwecke der Verwertung zu verlangen. Mit dieser Treupflicht sei es unvereinbar, gleichzeitig die Befriedigung durch Zugriff auf das gesamte Vermögen des Schuldners zu suchen.

Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG weitgehend Erfolg, während die Anschlussberufung der Beklagten erfolglos blieb.

Die Gründe:
Die rechtliche Würdigung des LG, dass bis zur Verwertung eines von dem Schuldner herausverlangten Sicherungsguts ein Durchsetzungshindernis für die Geltendmachung des gesicherten Anspruchs bestehe, ist in sich widersprüchlich und hält den Angriffen der Berufung der Klägerin nicht stand. Dies führt zugleich dazu, dass die Anschlussberufung keinen Erfolg hat. 

Die Klägerin darf sehr wohl die Klage auf Herausgabe des streitgegenständlichen Sicherungseigentums mit der Klage auf die durch dieses Sicherungseigentum abgesicherten Zahlungsansprüche verbinden. Diesen Zahlungsansprüchen steht auch kein Durchsetzungshindernis bis zur Verwertung des Sicherungsguts entgegen. Entgegen der rechtlichen Würdigung des LG kann daher der Klägerin, die von der Beklagten im Wege der Klagenhäufung nicht nur die Herausgabe der ihr zur Sicherheit übereigneten Sicherungsgüter, sondern auch zugleich die Zahlung der gesicherten Forderungen verlangt, beides im Wege eines Urteils zuerkannt werden. Der Klägerin wird dadurch nicht mehr zugesprochen, als die materielle Rechtslage hergibt.

Durch den Sicherungsvertrag ist zwar der Gläubiger gehalten, die Verwertung nur zum Zwecke der Befriedigung der gesicherten Forderung zu betreiben und einen eventuellen Übererlös wieder an den Sicherungsgeber auszukehren. Gerade deshalb liegt es jedoch sogar im beiderseitigen Interesse von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer, dass die Klage auf Herausgabe des Sicherungsguts sofort mit der Klage auf Zahlung der gesicherten Forderung verbunden wird, weil nur dann im Zuge ein und desselben Erkenntnisverfahrens rechtskräftig festgestellt werden kann, ob und in welcher Höhe überhaupt die Forderung besteht, welche das herauszugebende Sicherungsgut besichert. Damit wird sowohl für den Sicherungsgeber wie auch den Sicherungsnehmer erst die notwendige Rechtssicherheit geschaffen, um eine ggf. - wohl wie hier - kostenintensive Verwertung des Sicherungsguts vorzunehmen und einen eventuellen Übererlös auszukehren.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten aufgrund des Mietkaufvertrags gem. §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 249 BGB einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung i.H.v. rd. 102.000 €. Des Weiteren steht der Klägerin gegenüber der Beklagten gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Darlehensrückzahlungsanspruch i.H.v. rd. 18.000 € zu, da die Klägerin diesen Darlehensvertrag gem. § 314 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 BGB wirksam gekündigt hat und zu diesem Zeitpunkt das Darlehen entsprechend valutierte. Neben dem vorgenannten Darlehensrückzahlungsanspruch und den darauf angefallenen Verzugszinsen darf jedoch der Klägerin nicht auch noch eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Eine im kaufmännischen Geschäftsverkehr verwandte Klausel, die im Falle der Kündigung des Darlehens dem Darlehensgeber die gleichzeitige Geltendmachung von Darlehensrestvaluta und Vorfälligkeitsentschädigung gestattet, ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da eine Vorfälligkeitsentschädigung nur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung verlangt werden kann.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Girovertrag, Verwahrentgelt und AGB-Kontrolle
Peter O. Mülbert / Gustav Kopke, WM 2025, 1257
WM0080775

Rechtsprechung
Zur Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag
BGH vom 20.05.2025 - XI ZR 22/24
WM 2025, 1139
WM0080337

Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW