Unwirksamer Ausschluss aus der Genossenschaft wegen zu weit gefasster Ausschlussregelung
AG Bad Salzungen v. 22.5.2025 - 1 C 251/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Beschlusses über den Ausschluss aus der Genossenschaft. Die Kläger zu 2) und zu 3) sind die Vorstände der Klägerin zu 1). Die Beklagte firmiert als eingetragene Genossenschaft (eG). der Satzung der Beklagten heißt es unter § 9 I f) u.a.: "Ein Mitglied kann aus der Genossenschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres ausgeschlossen werden, wenn sich sein Verhalten mit den Belangen der Genossenschaft nicht vereinbaren lässt, insbesondere wenn der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft nicht oder nicht mehr genutzt wird." Die Kläger wurden bis zum 13.6.2024 als Genossenschaftsmitglieder bei der Beklagten geführt.
Im Dezember 2023 bestellte die BaFin als Aufsichtsbehörde der Beklagten X zum Sonderbeauftragten für den Aufsichtsrat der Beklagten gem. § 45c I 1 KWG. Dieser bestellte im Februar 2024 Y und Z zu Vorständen der Beklagten. Mit Schreiben vom 7.5.2024 übersandte der Vorstand der Beklagten den Klägern ein Anhörungsschreiben zum Ausschluss eines Mitglieds. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf § 9 I f) der Satzung der Beklagten in dem Schreiben angegeben, dass aufgrund Veröffentlichungen auf der Homepage der Kläger, zuletzt am 1.5.2024 und am 7.5.2024 beabsichtigt ist, die Kläger aus der Genossenschaft auszuschließen. Hintergründe waren Veröffentlichungen der Kläger auf den Medien "geno-nachrichten.de" "igenos-sued.de", "GenoLeaks.de" und "wegfrei.de".
Am 1.5.2024 behaupteten die Kläger im Medium igenos-sued.de unter dem Titel "Der blockierte Aufsichtsrat", der seitens der BaFin eingesetzte Sonderbeauftragte X hindere den gewählten Aufsichtsrat an seiner Arbeit und blockiere im Übrigen auch die Konstituierung des neuen Aufsichtsrates. Außerdem werde die genossenschaftliche Idee zu einer "Werbeaussage herabgestuft". Am 8.5.2024 schrieben die Kläger auf igenos-sued.de: "Dem des Saales verwiesenen Aufsichtsratsmitgliedes kann man nur zustimmen, wenn ihn dieses Verlangen an ein Denunziantentum nach dem Vorbild der Stasi erinnert." Zuvor schon hatten sich die Kläger auf verschiedenen Medien kritisch mit einem vermeintlichen Thüringer Bankenskandal auseinandergesetzt. Unter dem 25.11.2024 thematisiert die Seite "igenos-sued.de" eine von ihr offenbar wahrgenommene "sozialistische Umlagerung". Am 5.11.2024 erschien auf der Seite "genos-nachrichten": "Gesetzesverstöße, Straftatbestände und andere juristische Zusammenhänge gären nicht nur, oder sind abzusehen, sondern sind längst eingetreten."
Im Weiteren wird vorgetragen, dass von den Klägern ein Strafantrag gegen die Beklagte bzw. deren Mitglieder gestellt worden sei. Mit Beschluss vom 13.6.2024 schloss der Vorstand der Beklagten die Kläger mit der im Anhörungsbogen mitgeteilten Begründung als Genossenschaftsmitglieder der Beklagten aus. Eine von den Klägern eingelegte Beschwerde wurde von X zurückgewiesen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die BaFin nicht berechtigt gewesen sei, Vorstände der Genossenschaft zu bestellen. Vor diesem Hintergrund sei der damalige Vorstand nicht befugt gewesen, den Ausschluss eines Genossenschaftsmitglieds zu beschließen. Im Übrigen sei ein Verstoß gegen die Belange der Genossenschaft durch das Verhalten der Kläger nicht erkennbar. Darüber hinaus hätte es zu einer wirksamen Kündigung einer vorherigen Abmahnung bedurft.
Das AG gab der Kage statt.
Die Gründe:
Der Beschluss vom 13.6.2024 ist nichtig, da es schon an einer hinreichend bestimmten Grundlage für den Ausschluss der Genossenschaftsmitglieder fehlt.
Nach § 68 I GenG sind die Gründe, aus denen ein Mitglied aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden kann, in der Satzung festzulegen. Dabei sind die zu bestimmenden Ausschlussgründe tatbestandlich so klar zu fassen, dass ihr Inhalt für das Genossenschaftsmitglied verständlich ist; denn er muss erkennen können, unter welchen Umständen er mit seiner Ausschließung zu rechnen hat und damit die Möglichkeit haben, sein Verhalten entsprechend einzurichten. Der Ausschlusstatbestand muss daher mit der notwendigen Bestimmtheit und Transparenz gefasst sein, sodass jedes Mitglied ihn als solches verstehen und ihn vermeiden kann.
Diesem Klarheitsgebot genügt die Ausschlussregelung in § 9 I lit.f der Satzung nicht. Dabei verkennt das AG nicht, dass es sich bei dem Ausschlusstatbeständen auch um unbestimmte Rechtsbegriffe und insoweit Auffangtatbestände handeln kann, da nicht jedes Verhalten oder jeder Umstand vorhersehbar ist. Vorliegend ist jedoch der in § 9 I lit f. der Satzung der Beklagten normierte Ausschlussgrund so weit gefasst, dass seine Reichweite nicht mehr hinreichend eingrenzbar ist. Dies ist mit der Intention des § 68 GenG nicht zu vereinbaren. Denn dieser legt erschöpfend fest, dass der Ausschuss der Mitglieder in der Satzung bestimmt werden muss und somit auf die allgemein gehaltenen Beendigungstatbestände des § 626 BGB oder des § 314 BGB nicht zurückgegriffen werden kann. Würde man nun gestatten, dass ein derart allgemein gehaltener Ausschlussgrund - wie § 9 I lit f. der Satzung der Beklagten - zur Kündigung herangezogen werden könnte, würde dieser Normzweck letztlich unterlaufen werden. Denn dann ließe sich die Kündigung auch ohne weiteres regelmäßig auf § 626 BGB stützen. Dies entspräche jedoch offenkundig nicht der Intention des Gesetzgebers. Ist eine wirksame Satzungsgrundlage für den Ausschluss eines Mitgliedes nicht vorhanden, ist der Beschluss nichtig
Unabhängig davon fehlt es, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass § 9 I lit f. der Satzung den Bestimmtheitsanforderungen genügen würde, in dem angefochtenen Beschluss auch an einer hinreichenden Begründung. Bereits im Ausschließungsbeschluss müssen die Umstände bezeichnet und in gerichtlich nachprüfbarer Weise festgestellt werden, welche Satzungsvorschrift verletzt und aus welchen Umständen sich die Unzumutbarkeit der Fortführung des Mitgliedschaftsverhältnisses im Einzelfall ergeben soll. Die Vorwürfe, die dem Mitglied gemacht werden und die zu seinem Ausschluss führen sollen, müssen im Ausschließungsverfahren so konkret und eindeutig bezeichnet werden, dass sich der Auszuschließende in angemessener Form verteidigen kann. Der allgemeine Hinweis auf die Satzungsvorschriften bzw. ein pauschaler Verweis auf etwaige Veröffentlichungen, wie es hier der Fall ist, kann vor diesem Hintergrund nicht ausreichend sein. Den Klägern wird in der Begründung noch nicht einmal vorgeworfen, die Veröffentlichungen selbst verfasst/gebilligt zu haben.
Darüber hinaus geht aus der Begründung in keine Weise hervor, welcher Teil der Veröffentlichungen nun letztlich überhaupt moniert wird und inwieweit diese Veröffentlichungen den Interessen der Genossenschaft entgegenstehen sollen. Ein konkreter Vorwurf für ein Verhalten, welches mit den Belangen der Genossenschaft nicht zu vereinbaren seien soll, ist dieser Begründung somit nicht ansatzweise zu entnehmen.
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Beschlusses über den Ausschluss aus der Genossenschaft. Die Kläger zu 2) und zu 3) sind die Vorstände der Klägerin zu 1). Die Beklagte firmiert als eingetragene Genossenschaft (eG). der Satzung der Beklagten heißt es unter § 9 I f) u.a.: "Ein Mitglied kann aus der Genossenschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres ausgeschlossen werden, wenn sich sein Verhalten mit den Belangen der Genossenschaft nicht vereinbaren lässt, insbesondere wenn der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft nicht oder nicht mehr genutzt wird." Die Kläger wurden bis zum 13.6.2024 als Genossenschaftsmitglieder bei der Beklagten geführt.
Im Dezember 2023 bestellte die BaFin als Aufsichtsbehörde der Beklagten X zum Sonderbeauftragten für den Aufsichtsrat der Beklagten gem. § 45c I 1 KWG. Dieser bestellte im Februar 2024 Y und Z zu Vorständen der Beklagten. Mit Schreiben vom 7.5.2024 übersandte der Vorstand der Beklagten den Klägern ein Anhörungsschreiben zum Ausschluss eines Mitglieds. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf § 9 I f) der Satzung der Beklagten in dem Schreiben angegeben, dass aufgrund Veröffentlichungen auf der Homepage der Kläger, zuletzt am 1.5.2024 und am 7.5.2024 beabsichtigt ist, die Kläger aus der Genossenschaft auszuschließen. Hintergründe waren Veröffentlichungen der Kläger auf den Medien "geno-nachrichten.de" "igenos-sued.de", "GenoLeaks.de" und "wegfrei.de".
Am 1.5.2024 behaupteten die Kläger im Medium igenos-sued.de unter dem Titel "Der blockierte Aufsichtsrat", der seitens der BaFin eingesetzte Sonderbeauftragte X hindere den gewählten Aufsichtsrat an seiner Arbeit und blockiere im Übrigen auch die Konstituierung des neuen Aufsichtsrates. Außerdem werde die genossenschaftliche Idee zu einer "Werbeaussage herabgestuft". Am 8.5.2024 schrieben die Kläger auf igenos-sued.de: "Dem des Saales verwiesenen Aufsichtsratsmitgliedes kann man nur zustimmen, wenn ihn dieses Verlangen an ein Denunziantentum nach dem Vorbild der Stasi erinnert." Zuvor schon hatten sich die Kläger auf verschiedenen Medien kritisch mit einem vermeintlichen Thüringer Bankenskandal auseinandergesetzt. Unter dem 25.11.2024 thematisiert die Seite "igenos-sued.de" eine von ihr offenbar wahrgenommene "sozialistische Umlagerung". Am 5.11.2024 erschien auf der Seite "genos-nachrichten": "Gesetzesverstöße, Straftatbestände und andere juristische Zusammenhänge gären nicht nur, oder sind abzusehen, sondern sind längst eingetreten."
Im Weiteren wird vorgetragen, dass von den Klägern ein Strafantrag gegen die Beklagte bzw. deren Mitglieder gestellt worden sei. Mit Beschluss vom 13.6.2024 schloss der Vorstand der Beklagten die Kläger mit der im Anhörungsbogen mitgeteilten Begründung als Genossenschaftsmitglieder der Beklagten aus. Eine von den Klägern eingelegte Beschwerde wurde von X zurückgewiesen. Die Kläger sind der Ansicht, dass die BaFin nicht berechtigt gewesen sei, Vorstände der Genossenschaft zu bestellen. Vor diesem Hintergrund sei der damalige Vorstand nicht befugt gewesen, den Ausschluss eines Genossenschaftsmitglieds zu beschließen. Im Übrigen sei ein Verstoß gegen die Belange der Genossenschaft durch das Verhalten der Kläger nicht erkennbar. Darüber hinaus hätte es zu einer wirksamen Kündigung einer vorherigen Abmahnung bedurft.
Das AG gab der Kage statt.
Die Gründe:
Der Beschluss vom 13.6.2024 ist nichtig, da es schon an einer hinreichend bestimmten Grundlage für den Ausschluss der Genossenschaftsmitglieder fehlt.
Nach § 68 I GenG sind die Gründe, aus denen ein Mitglied aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden kann, in der Satzung festzulegen. Dabei sind die zu bestimmenden Ausschlussgründe tatbestandlich so klar zu fassen, dass ihr Inhalt für das Genossenschaftsmitglied verständlich ist; denn er muss erkennen können, unter welchen Umständen er mit seiner Ausschließung zu rechnen hat und damit die Möglichkeit haben, sein Verhalten entsprechend einzurichten. Der Ausschlusstatbestand muss daher mit der notwendigen Bestimmtheit und Transparenz gefasst sein, sodass jedes Mitglied ihn als solches verstehen und ihn vermeiden kann.
Diesem Klarheitsgebot genügt die Ausschlussregelung in § 9 I lit.f der Satzung nicht. Dabei verkennt das AG nicht, dass es sich bei dem Ausschlusstatbeständen auch um unbestimmte Rechtsbegriffe und insoweit Auffangtatbestände handeln kann, da nicht jedes Verhalten oder jeder Umstand vorhersehbar ist. Vorliegend ist jedoch der in § 9 I lit f. der Satzung der Beklagten normierte Ausschlussgrund so weit gefasst, dass seine Reichweite nicht mehr hinreichend eingrenzbar ist. Dies ist mit der Intention des § 68 GenG nicht zu vereinbaren. Denn dieser legt erschöpfend fest, dass der Ausschuss der Mitglieder in der Satzung bestimmt werden muss und somit auf die allgemein gehaltenen Beendigungstatbestände des § 626 BGB oder des § 314 BGB nicht zurückgegriffen werden kann. Würde man nun gestatten, dass ein derart allgemein gehaltener Ausschlussgrund - wie § 9 I lit f. der Satzung der Beklagten - zur Kündigung herangezogen werden könnte, würde dieser Normzweck letztlich unterlaufen werden. Denn dann ließe sich die Kündigung auch ohne weiteres regelmäßig auf § 626 BGB stützen. Dies entspräche jedoch offenkundig nicht der Intention des Gesetzgebers. Ist eine wirksame Satzungsgrundlage für den Ausschluss eines Mitgliedes nicht vorhanden, ist der Beschluss nichtig
Unabhängig davon fehlt es, selbst wenn man davon ausgehen würde, dass § 9 I lit f. der Satzung den Bestimmtheitsanforderungen genügen würde, in dem angefochtenen Beschluss auch an einer hinreichenden Begründung. Bereits im Ausschließungsbeschluss müssen die Umstände bezeichnet und in gerichtlich nachprüfbarer Weise festgestellt werden, welche Satzungsvorschrift verletzt und aus welchen Umständen sich die Unzumutbarkeit der Fortführung des Mitgliedschaftsverhältnisses im Einzelfall ergeben soll. Die Vorwürfe, die dem Mitglied gemacht werden und die zu seinem Ausschluss führen sollen, müssen im Ausschließungsverfahren so konkret und eindeutig bezeichnet werden, dass sich der Auszuschließende in angemessener Form verteidigen kann. Der allgemeine Hinweis auf die Satzungsvorschriften bzw. ein pauschaler Verweis auf etwaige Veröffentlichungen, wie es hier der Fall ist, kann vor diesem Hintergrund nicht ausreichend sein. Den Klägern wird in der Begründung noch nicht einmal vorgeworfen, die Veröffentlichungen selbst verfasst/gebilligt zu haben.
Darüber hinaus geht aus der Begründung in keine Weise hervor, welcher Teil der Veröffentlichungen nun letztlich überhaupt moniert wird und inwieweit diese Veröffentlichungen den Interessen der Genossenschaft entgegenstehen sollen. Ein konkreter Vorwurf für ein Verhalten, welches mit den Belangen der Genossenschaft nicht zu vereinbaren seien soll, ist dieser Begründung somit nicht ansatzweise zu entnehmen.
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