07.11.2022

Unwirksamkeit einer von einer Bank in den AGB eines Wertpapierkredits verwandten Klausel

Die von einer Bank in den AGB eines Wertpapierkredits verwandte Klausel, "Die Bank ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelationen Depotwerte zu veräußern", ist nach § 125 Satz 1 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 DepotG formnichtig sowie wegen Verstoßes gegen § 499 Abs.1, § 512 BGB, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 15.9.2022 - 5 U 132/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte seit 2007 bei der Beklagten ein Wertpapierdepot. Die Bank verwandte u.a. die Klausel "Die Bank ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelationen Depotwerte zu veräußern. Außerdem kann die [scil: Beklagte] anderweitige Sicherheiten verlangen, um die vereinbarte Sicherungsquote wiederherzustellen." Im März 2020 befanden sich im Depot des Klägers 20.673 Aktien der Deutsche Bank AG, die er für € 16,93 pro Aktie erworben hatte. Den Wertpapierkredit hatte der Kläger in voller Höhe - insgesamt in Höhe von € 100.005,94 - in Anspruch genommen. Ab Dezember 2019 waren die Aktienkurse flächendeckend eingebrochen, so auch der Kurs der Aktien der Deutsche Bank AG.

Das LG hat der auf Einbuchung von 12.923 Aktien der Deutsche Bank AG gegen Zahlung von € 71.417,89 gerichteten Klage stattgegeben. Den Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat es abgewiesen. Außerdem hat es der Widerklage der Beklagten stattgegeben, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet sei, der Beklagten den Mehraufwand zu ersetzen, der ihr im Vergleich zur Erfüllung der Klageforderung im März 2020 entstanden ist. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG war erfolgreich.

Die Gründe:
Die Widerklage ist abzuweisen. Dem Kläger sind die von ihm begehrten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.

Die Beklagte ist dem Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Sie hatte die Aktien des Klägers - genauer: seine Miteigentumsanteile am Sammelbestand nach § 6 Abs. 1 Satz 1 DepotG (ggfl. i.V.m. § 9b Abs. 1 Satz 1 DepotG) - veräußert, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Hierdurch ist dem Kläger ein Schaden entstanden. Die Beklagte handelte insofern auch schuldhaft.

Die Beklagte hatte die ihr sicherungshalber verpfändeten Aktien verwertet, ohne dass der Sicherungsfall eingetreten war. Der Sicherungsfall setzt die (Teil-)Kündigung des Wertpapierkredits voraus; eine derartige Kündigung hatte die Beklagte jedoch weder angedroht noch ausgesprochen. Überdies hat die Beklagte die vertraglich vereinbarte und gesetzlich geregelte Frist zwischen Verkaufsandrohung und Verwertung nicht eingehalten. Sie hatte die Aktien bereits zwölf Tage nach Zugang der Verkaufsandrohung veräußert und die Monatsfrist gem. § 1234 Abs. 1 BGB nicht abgewartet.

Die Beklagte war auch nicht nach dem Wertpapierkreditvertrag, Stichwort: Beleihungswert Abs. 2 Satz 1, bzw. nach Ziff. 12 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen und Produktbezogenen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Wertpapierkredit dazu berechtigt, die Miteigentumsanteile des Klägers zu veräußern. Die von einer Bank in den AGB eines Wertpapierkredits verwandte Klausel, "Die Bank ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, zur Wiederherstellung der vereinbarten Deckungsrelationen Depotwerte zu veräußern", ist nach § 125 Satz 1 BGB i.V.m. § 13 Abs. 1 DepotG formnichtig sowie wegen Verstoßes gegen § 499 Abs.1, § 512 BGB, wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Ein Mitverschulden traf den Kläger nicht. Überdies träte ein etwaiges Mitverschulden hinter das grobe Verschulden der Beklagten zurück. Der Kläger kann von der Beklagten auch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen. Ihm steht gegen die Beklagte wegen der rechtswidrigen Veräußerung seiner Miteigentumsanteile nicht nur ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB zu, sondern auch ein deliktischer gem. § 823 Abs. 1 BGB zu.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

Auch abrufbar im Beratermodul ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht:
Das Beratermodul ZIP bündelt die Inhalte einer der führenden Zeitschrift zum Wirtschaftsrecht mit Volltexten zu Gesetzen und Entscheidungen sowie den Kurzkommentaren der EWiR. 4 Wochen gratis nutzen!
Landesregierung Schleswig-Holstein
Zurück