16.04.2020

Unzulässige Werbung mit "perfekten Zähnen"

Ein unzulässiges Erfolgsversprechen i.S.d. HWG kann auch dann vorliegen, wenn die beworbene Wirkung (hier: perfekte Zähne) zwar nicht vollständig objektivierbar ist, ihr jedoch jedenfalls ein objektiver Tatsachenkern zu entnehmen ist. Denn der Verbraucher ist bei Werbeaussagen von Ärzten aufgrund deren Heilauftrages wenig geneigt, von reklamehaften Übertreibungen auszugehen.

OLG Frankfurt a.M. v. 8.4.2020, 32 C 1631/20 (89)
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist wie die Antragsgegnerin Kieferorthopädin. Letztere bewirbt auf ihrer Homepage ein Zahnschienen-System u.a. mit den Aussagen:

"x ist eine kostengünstige individuelle Zahnspange für Leute, die wenig Zeit haben und trotzdem perfekte Zähne haben möchten. Sie sehen sofort beim 1. Termin, welche Ergebnisse sie innerhalb von sechs Monaten erreichen können." "... man (erhält) 14 Schienen für jeden Kiefer, die man jeweils zwei Wochen trägt, jede Schiene ist anders und unverändert ihre Zähne Schritt für Schritt... Und bald werden Sie auf Fotos deutlich schöner Lächeln."

Die Antragstellerin hält diese Angaben für unzulässig. Das LG hat ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Auf ihre Berufung hat das OLG die Vorentscheidung aufgehoben und dem Antrag stattgegeben. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Die Antragsgegnerin hat die angegriffenen Werbeaussagen zu unterlassen.

Die Antragsgegnerin erweckt mit den Aussagen fälschlich den Eindruck, dass "ein Erfolg der beworbenen Behandlung mit Sicherheit erwartet werden kann." Gem. § 3 S. 2 Nr. 2 a HWG ist es unzulässig, durch Werbeaussagen den Eindruck hervorzurufen, dass ein bestimmter Erfolg "sicher" eintrete. Hintergrund dieser Regelung ist, "dass es aufgrund individueller Disposition beim einzelnen Patienten stets zu einem Therapieversagen kommen kann, mit dem eine Erfolgsgarantie unvereinbar ist".

Ausgehend vom Verständnis eines durchschnittlichen Werbeadressaten hat die Antragsgegnerin durch die Werbung mit "perfekten Zähnen" unzulässig einen Behandlungserfolg versprochen. Die Angabe "perfekte Zähne" ist kein reines subjektives Werturteil. Auch wenn die Perfektion von Zähnen nicht vollständig objektivierbar ist, geht es hier offensichtlich um die Korrektur von Zahnfehlstellungen. Der Umstand, ob Zähne gerade sind oder nicht, lässt sich vom Standpunkt eines objektiven Betrachters durchaus beurteilen und wird hier in der Werbung auch fotografisch dargestellt. Damit enthält die Werbeaussage einen objektiven Tatsachenkern, der zugleich ein Erfolgsversprechen beinhaltet.

Der durchschnittliche Werbeadressat versteht das Werbeversprechen der Perfektion im hier gegebenen Kontext auch nicht als bloße reklamehafte Übertreibung. Zwar ist dem Verbraucher geläufig, dass Superlative in der Werbung oft nur als Anpreisungen und nicht als Tatsachenbehauptung verwendet werden. Dies kann im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden, da es sich um den Werbeauftritt einer Ärztin handelt. Bei Werbemaßnahmen und Internetauftritten von Ärzten besteht nämlich eine andere Verkehrserwartung als bei Werbemaßnahmen "normaler" Unternehmen. Denn der Verbraucher bringt Ärzten aufgrund ihres Heilauftrags ein besonderes Vertrauen entgegen und geht daher von einer gewissen Objektivität und Zurückhaltung bei Werbeangaben aus. Somit ist er weniger geneigt, von einer bloßen reklamehaften Übertreibung auszugehen. Vielmehr nimmt er die Angaben in Zweifel ernst.
OLG Frankfurt a.M. Pressemitteilung vom 14.4.2020
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