10.09.2020

Urheberrechtsverletzung durch Framing?

Die Einbettung von von anderen Websites stammenden Werken in eine Webseite mittels automatischer Links (Inline Linking) bedarf der Erlaubnis des Inhabers der Rechte an diesen Werken. Dagegen bedarf die Einbettung mittels anklickbarer Links unter Verwendung der Framing-Technik keiner solchen Erlaubnis, von der angenommen wird, dass sie der Rechteinhaber bei der ursprünglichen Zugänglichmachung des Werks erteilt hat. Dies gilt auch dann, wenn diese Einbettung unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechteinhaber getroffen oder veranlasst hat.

EuGH, C-392/19: Schlussanträge des Generalanwalts vom 10.9.2020
Der Sachverhalt:
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, eine Stiftung deutschen Rechts, ist Trägerin der Deutschen Digitalen Bibliothek, die eine Online-Plattform für Kultur und Wissen anbietet, die deutsche Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander vernetzt. Diese Bibliothek verlinkt auf ihrer Website digitalisierte Inhalte, die in den Webportalen der zuliefernden Einrichtungen gespeichert sind. Als "digitales Schaufenster" speichert die Bibliothek selbst nur Vorschaubilder (Thumbnails), d.h. verkleinerte Versionen der Bilder in Originalgröße.

Die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst), eine Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten an Werken der bildenden Künste in Deutschland, macht den Abschluss eines Vertrags mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über die Nutzung ihres Repertoires von Werken in Form von Vorschaubildern davon abhängig, dass eine Bestimmung in den Vertrag aufgenommen wird, wonach sich die Lizenznehmerin verpflichtet, bei der Nutzung der vertragsgegenständlichen Werke und Schutzgegenstände wirksame technische Maßnahmen gegen Framing (Mit Framing lässt sich der Bildschirm in mehrere Teilrahmen aufteilen, in denen jeweils der Inhalt einer anderen Website gezeigt werden kann.) der im Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek angezeigten Vorschaubilder dieser Werke oder dieser Schutzgegenstände durch Dritte anzuwenden.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hält eine solche Vertragsbestimmung nicht für eine aus der Sicht des Urheberrechts angemessene Bedingung und hat vor den deutschen Gerichten Klage auf Feststellung erhoben, dass die VG Bild-Kunst verpflichtet ist, die fragliche Lizenz zu erteilen, ohne diese unter die Bedingung der Implementierung dieser technischen Maßnahmen zu stellen.

Der BGH ersucht den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der Richtlinie 2001/29, nach der die Mitgliedstaaten vorsehen, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Die Gründe:
Die Einbettung von von anderen Websites stammenden Werken (die dort der Öffentlichkeit mit Erlaubnis des Inhabers der Urheberrechte frei zugänglich gemacht worden sind) in eine Webseite mittels anklickbarer Links unter Verwendung der Framing-Technik bedarf nicht der Erlaubnis des Inhabers der Urheberrechte, da davon auszugehen ist, dass er diese Erlaubnis bei der ursprünglichen Zugänglichmachung des Werks erteilt hat. Dies gilt selbst dann, wenn diese Einbettung durch Framing unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Inhaber der Urheberrechte getroffen oder veranlasst hat. Denn solche Maßnahmen beschränken nicht den Zugang zum Werk und nicht einmal einen der Zugangswege, sondern nur eine Art und Weise seiner Anzeige auf dem Bildschirm. Hier geht es nicht um ein neues Publikum, denn das Publikum ist stets dasselbe: das der Zielwebsite des Links.

Dagegen bedarf die Einbettung solcher Werke mittels automatischer Links (Inline Linking; hierbei werden die Werke automatisch, ohne weiteres Zutun des Nutzers beim Öffnen der aufgerufenen Webseite angezeigt), was normalerweise zur Einbettung von Grafik- oder audiovisuellen Dateien dient, nach Ansicht des Generalanwalts der Erlaubnis des Rechteinhabers. Wenn diese automatischen Links auf urheberrechtlich geschützte Werke gerichtet sind, liegt technisch wie funktional gesehen nämlich eine Handlung der Wiedergabe dieser Werke an ein Publikum vor, an das der Inhaber der Urheberrechte bei der ursprünglichen Zugänglichmachung nicht gedacht hat, nämlich das Publikum einer anderen Website als derjenigen, auf der diese ursprüngliche Zugänglichmachung erfolgt ist.

Der Generalanwalt weist insoweit darauf hin, dass ein automatischer Link die Ressource als integralen Bestandteil der Webseite erscheinen lässt, die diesen Link enthält. Für den Nutzer besteht demnach kein Unterschied zwischen einem Bild, das in eine Webseite von demselben Server aus, und dem, das in sie von einer anderen Website aus eingebettet werde. Für den Nutzer besteht keinerlei Verbindung mehr zu der Ursprungswebsite, alles spielt sich auf der den Link enthaltenden Website ab. Es kann nicht vermutet werden, dass der Inhaber der Urheberrechte bei der Erteilung der Erlaubnis zur ursprünglichen Zugänglichmachung an diese Nutzer gedacht hat. Der nun vorgeschlagene Ansatz gibt den Rechteinhabern rechtliche Instrumente zum Schutz gegen die unerlaubte Verwertung ihrer Werke im Internet an die Hand. Damit wird ihre Verhandlungsposition bei der Erteilung von Lizenzen zur Nutzung dieser Werke gestärkt.

Die Erlaubnis des Inhabers der Urheberrechte ist zwar grundsätzlich erforderlich, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass manche automatische Links zu Werken, die im Internet öffentlich zugänglich gemacht worden sind, unter eine Ausnahme von dieser Erlaubnis fallen, insbesondere unter die Ausnahmen für Zitate, Karikaturen, Parodien oder Pastiches. Zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2001/29 grundsätzlich verpflichtet sind, einen Rechtsschutz gegen eine solche Umgehung sicherzustellen. Nach der Rechtsprechung des EuGH wird der Rechtsschutz jedoch nur gewährt, um den Rechteinhaber gegen Handlungen zu schützen, für die seine Erlaubnis erforderlich ist. Da für das Framing jedoch keine solche Erlaubnis erforderlich ist, kommt den technischen Schutzmaßnahmen gegen das Framing daher der Rechtsschutz nach der Richtlinie nicht zugute. Geschützt sind hingegen die technischen Schutzmaßnahmen gegen Inline Linking, da dieses der Erlaubnis des Rechteinhabers bedarf.
EuGH PM Nr. 103 vom 10.9.2020
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