18.01.2024

Verbandsklagen gegen Mindestzinsklauseln

Die Transparenz von Mindestzinssatzklauseln in Hypothekendarlehensverträgen kann im Zusammenhang mit einer Verbandsklage überprüft werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn sich die Klage gegen über 100 spanische Finanzinstitute richtet.

EuGH, C-450/22: Schlussanträge des Generalanwalts vom 18.1.2024
Der Sachverhalt:
Mindestzinssatzklauseln waren Standardklauseln in Hypothekendarlehensverträgen mit variablem Zinssatz, die von zahlreichen Finanzinstituten in Spanien mit Verbrauchern geschlossen wurden. Mit ihnen wurde ein Mindestsatz festgelegt, unter den der variable Zinssatz nicht absinken durfte, auch wenn der Referenzsatz (in der Regel der Euribor) diesen Mindestsatz unterschritt. Als die Referenzzinssätze deutlich unter diesen Schwellenwert fielen, stellten die Verbraucher fest, dass sie von dieser Senkung nicht profitieren konnten und trotz einer Hypothek mit variablem Zinssatz weiterhin den Mindestzinssatz (in der Regel zwischen zwei und fünf Prozent) zahlen mussten. Einzelne Verbraucher und Verbraucherverbände erhoben in Spanien Tausende von Klagen, mit denen sie die Rechtswidrigkeit der Mindestzinssatzklauseln im Hinblick auf die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln und die Rückerstattung der zu viel gezahlten Zinsen geltend machten.

Der Spanische Verband der Nutzer von Banken, Sparkassen und Versicherungen (ADICAE) erhob eine Verbandsklage gegen 101 in Spanien tätige Finanzinstitute. Diesen soll die Verwendung von Mindestzinssatzklauseln untersagt werden (Unterlassungsklage) und aufgegeben werden, die gemäß diesen Klauseln gezahlten Beträge zurückzuzahlen (Rückerstattungsklage). Nach Aufrufen in den nationalen Medien schlossen sich 820 Verbraucher der Verbandsklage an. Nachdem die Banken in zwei Rechtszügen unterlagen, legten sie ein Rechtsmittel beim spanischen Obersten Gerichtshof ein. Dieser hegt insbesondere in Anbetracht der großen Zahl beteiligter Verbraucher und Finanzinstitute Zweifel, dass sich ein Verfahren über eine Verbandsklage dafür eignet, die Mindestzinssatzklauseln auf ihre Transparenz hin zu überprüfen, um festzustellen, ob sie missbräuchlich sind. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Generalanwältin Laila Medina hat nunmehr ihre Schlussanträge vorgelegt.

Die Gründe:
Die Richtlinie enthält nichts, was eine Transparenzkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage ausschließt. Eine gerichtliche Überprüfung der Transparenz bei Verbandsklagen ist ferner geeignet und möglich. Sie muss lediglich an die Besonderheiten einer Verbandsklage angepasst werden (etwa hinsichtlich ihres Abstraktionsniveaus) und sich auf die übliche vertragliche und vorvertragliche Praxis des Gewerbetreibenden gegenüber dem Durchschnittsverbraucher richten. Es unterliefe den Zweck von Verbandsklagen und wäre nicht vereinbar und kohärent mit den Unionsregelungen zur Verbesserung des Rechtsschutzes der kollektiven Verbraucherinteressen, wenn die Transparenzkontrolle bei einer Verbandsklage ausgeschlossen würde.

Diese gerichtliche Kontrolle ist auch möglich, wenn sich die Klage gegen eine Vielzahl von Finanzinstituten richtet und eine große Zahl von Verträgen betrifft, sofern die Gewerbetreibenden demselben Wirtschaftssektor angehören, die Vertragsklauseln ähnlich sind und das Recht der einzelnen Finanzinstitute auf wirksamen Rechtsschutz gewährleistet ist. Es ist Sache des spanischen Obersten Gerichtshofs, zu prüfen, ob ein ausreichender Grad an Ähnlichkeit besteht, um die Verbandsklage für zulässig zu erklären. Dabei kann er berücksichtigen, dass die Gewerbetreibenden allesamt Bankinstitute sind und dass es sich bei den beanstandeten Klauseln durchweg um standardisierte Mindestzinssatzklauseln in Hypothekenverträgen handelt, deren Wirkung darin besteht, eine Absenkung des Zinssatzes unter eine bestimmte Schwelle auszuschließen. All dies kann ein starker Anhaltspunkt für eine hinreichende Ähnlichkeit sein.

Es ist jedenfalls möglich, die Transparenzkontrolle in dem beim spanischen Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahren anhand des Maßstabs des Durchschnittsverbrauchers durchzuführen, da es bei diesem objektiven Maßstab nicht auf die Merkmale oder die Zahl der beteiligten Verbraucher ankommt.

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EuGH PM Nr. 12 vom 18.1.2024
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