30.11.2020

Verbot bedenklicher Arzneimittel: LG München I untersagt sog. "Frischzellentherapie"

Das LG München I hat einem Unternehmen die Herstellung, Anwendung und Bewerbung von Frischzellen tierischer Herkunft für eine sog. "Frischzellentherapie" im Hinblick auf § 5 Arzneimittelgesetz verboten.

LG München I v. 27.11.2020 - 1 HK O 18008/19
Der Sachverhalt:
Die Beklagte warb im Juni 2019 im Internet auf ihrer Website für eine "Frischzellentherapie" zur Anwendung am Menschen. U.a. sollte die beschriebene Zelltherapie sich in der Praxis zur Behandlung bei folgenden Indikationen bewährt haben: Altersbeschwerden mit körperlicher und geistiger Erschöpfung, vegetative und nervöse Symptome bei chronischer Stressbelastung, Reizbarkeit, Konzentrationsmangel und Schlafstörungen, Diabetes, etc.

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. klagte auf Unterlassung wegen des Verstoßes gegen Vorschriften im Heilmittelbereich. Der Klage wurde vollumfänglich stattgegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Das von der Beklagten beworbene Produkt ist aufgrund mehrerer gutachterlicher Stellungnahmen als bedenkliches Arzneimittel i.S.d. § 5 Arzneimittelgesetz einzustufen. Die Frischzellen haben bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkung, die über ein nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Es gibt zwei wesentliche Risiken, nämlich das Risiko der Übertragung von Infektionserregern sowie das Risiko immunologischer und allergischer Ereignisse, die durch Verabreichung eines Fremdproteins prinzipiell bestehen.

Im konkreten Fall ist darüber hinaus eine Wirksamkeit für die von der Beklagtenseite beworbenen Anwendungsbereiche nicht wissenschaftlich erwiesen. Zudem wirkt sich bei der Kosten-Risiko-Analyse zu Ungunsten aus, dass die Beklagte nicht konkret dargelegt hat, in welcher Menge das Produkt jeweils verabreicht wird.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstelltt, dass sie alle Maßnahmen bei der Herstellung ergreift, um sterile Bedingungen zu gewährleisten sowie eventuelle Viren und Bakterien inaktiv werden zu lassen, bleibt immer noch das nicht auszuschaltende Risiko der immunologischen bzw. allergischen Nebenwirkungen.

Das Risiko, dass es bei solchen Reaktionen zu möglicherweise irreversiblen Schäden bei Patienten kommt, ist unvertretbar groß im Hinblick auf den wissenschaftlich nicht belegten Nutzen der Anwendung, zumal auch zugelassene und gut verträgliche Therapiealternativen zur Verfügung stehen.
LG München I PM Nr. 26 vom 27.11.2020
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