Verbraucherdarlehensvertrag: Zur Angabe der Auszahlungsbedingungen nach § 492 Abs. 2 BGB
BGH v. 17.12.2024 - XI ZR 314/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Dezember 2016 einen gebrauchten Pkw der Marke VW zu einem Kaufpreis von 31.390 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 6.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 19.12.2016 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 25.390 €. Das mit einem Sollzinssatz von 0,99% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je rd. 205 € und einer Schlussrate von rd. 16.400 € zurückgeführt werden.
Bestandteil des Darlehensvertrags waren die Darlehensbedingungen der Beklagten. In einem umrandeten Absatz unterhalb der Darlehensbedingungen heißt es: "Die Bank ist berechtigt, nach Vertragsschluss unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange des Darlehensnehmers zusätzliche Auszahlungsvoraussetzungen für das Darlehen zu bestimmen. Die Bank wird dem Darlehensnehmer diese Voraussetzungen unverzüglich nach Annahme des Darlehensantrages mitteilen. Erfüllt der Darlehensnehmer die Auszahlungsvoraussetzungen nicht, ist die Bank berechtigt aber nicht verpflichtet, das Darlehen mit sofortiger Wirkung zu kündigen." Die Beklagte informierte den Kläger über sein Widerrufsrecht.
Mit Schreiben vom 1.10.2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag ab dem Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht, die Zahlung von rd. 32.000 € nebst Zinsen binnen sieben Tagen nach Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs sowie von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. rd. 1.500 € und die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Dezember 2016 der Fall, so dass der Widerruf vom 1.10.2019 verspätet war.
Zu den Pflichtangaben gehört nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsinformation. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, erfüllt. Die Beklagte ist auch ihrer Verpflichtung aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB, die Art des Darlehens anzugeben, ordnungsgemäß nachgekommen. Dagegen hat die Beklagte zwar ihre Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dies stellt aber keinen Belehrungsfehler dar, der das Anlaufen der Widerrufsfrist hindert. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Ordnungsgemäßheit der Angaben der Beklagten über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags.
Ferner macht der Kläger ohne Erfolg geltend, die im Darlehensvertrag unterhalb der Darlehensbedingungen abgedruckte Klausel, die der Beklagten eine Befugnis zur nachträglichen Änderung der Auszahlungsbedingungen des Darlehens einräumt, führe dazu, dass die hierzu erteilten Angaben insgesamt unklar seien. Gegenstand der Pflichtangabe zu den Auszahlungsbedingungen gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 9 30 31 32 33 34 - 13 - EGBGB ist der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Im Darlehensvertrag wiederzugeben sind daher die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Bedingungen für die Auszahlung des Darlehens. Dass diese Auszahlungsbedingungen vorliegend im Darlehensvertrag vollständig und fehlerfrei angegeben sind, hat das OLG festgestellt und wird von der Revision nicht angegriffen. Das Recht der Beklagten zur nachträglichen Abänderung der Auszahlungsbedingungen ist im Vertragstext nicht zu übersehen und eindeutig formuliert; unklar werden die im Darlehensvertrag niedergelegten Auszahlungsbedingungen hierdurch aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers nicht. Die von der Erfüllung der Pflichtangabe zu trennende Frage, ob diese Abrede nach dem Recht der AGB wirksam ist oder nicht, bedarf keiner Erörterung. An der Erfüllung der Pflichtangabe ändert sie nichts.
Die Beklagte hat in Ziffer 13 der Darlehensbedingungen gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB die für sie zuständige Aufsichtsbehörde zutreffend angegeben. Dies ist nach der maßgeblichen Vorschrift des § 6 KWG die BaFin. Sie hat weiterhin die erforderliche Pflichtangabe über den Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und ggf. die Voraussetzungen für diesen Zugang ordnungsgemäß erteilt. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich auch gegen die Ordnungsgemäßheit der Angaben der Beklagten zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).
Mehr zum Thema:
Aufsatz
Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Bank- und Kapitalmarktrecht
Christian Grüneberg, WM 2025, 1
Rechtsprechung
Zur Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag
BGH vom 03.12.2024 - XI ZR 75/23
WM 2025, 117
Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Der Kläger erwarb im Dezember 2016 einen gebrauchten Pkw der Marke VW zu einem Kaufpreis von 31.390 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 6.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 19.12.2016 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 25.390 €. Das mit einem Sollzinssatz von 0,99% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je rd. 205 € und einer Schlussrate von rd. 16.400 € zurückgeführt werden.
Bestandteil des Darlehensvertrags waren die Darlehensbedingungen der Beklagten. In einem umrandeten Absatz unterhalb der Darlehensbedingungen heißt es: "Die Bank ist berechtigt, nach Vertragsschluss unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Belange des Darlehensnehmers zusätzliche Auszahlungsvoraussetzungen für das Darlehen zu bestimmen. Die Bank wird dem Darlehensnehmer diese Voraussetzungen unverzüglich nach Annahme des Darlehensantrages mitteilen. Erfüllt der Darlehensnehmer die Auszahlungsvoraussetzungen nicht, ist die Bank berechtigt aber nicht verpflichtet, das Darlehen mit sofortiger Wirkung zu kündigen." Die Beklagte informierte den Kläger über sein Widerrufsrecht.
Mit Schreiben vom 1.10.2019 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag ab dem Zugang der Widerrufserklärung kein Anspruch auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht, die Zahlung von rd. 32.000 € nebst Zinsen binnen sieben Tagen nach Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs sowie von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. rd. 1.500 € und die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Kläger hat den streitgegenständlichen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags gem. § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Dezember 2016 der Fall, so dass der Widerruf vom 1.10.2019 verspätet war.
Zu den Pflichtangaben gehört nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsinformation. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, erfüllt. Die Beklagte ist auch ihrer Verpflichtung aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB, die Art des Darlehens anzugeben, ordnungsgemäß nachgekommen. Dagegen hat die Beklagte zwar ihre Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dies stellt aber keinen Belehrungsfehler dar, der das Anlaufen der Widerrufsfrist hindert. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger gegen die Ordnungsgemäßheit der Angaben der Beklagten über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags.
Ferner macht der Kläger ohne Erfolg geltend, die im Darlehensvertrag unterhalb der Darlehensbedingungen abgedruckte Klausel, die der Beklagten eine Befugnis zur nachträglichen Änderung der Auszahlungsbedingungen des Darlehens einräumt, führe dazu, dass die hierzu erteilten Angaben insgesamt unklar seien. Gegenstand der Pflichtangabe zu den Auszahlungsbedingungen gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 9 30 31 32 33 34 - 13 - EGBGB ist der Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Im Darlehensvertrag wiederzugeben sind daher die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden Bedingungen für die Auszahlung des Darlehens. Dass diese Auszahlungsbedingungen vorliegend im Darlehensvertrag vollständig und fehlerfrei angegeben sind, hat das OLG festgestellt und wird von der Revision nicht angegriffen. Das Recht der Beklagten zur nachträglichen Abänderung der Auszahlungsbedingungen ist im Vertragstext nicht zu übersehen und eindeutig formuliert; unklar werden die im Darlehensvertrag niedergelegten Auszahlungsbedingungen hierdurch aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers nicht. Die von der Erfüllung der Pflichtangabe zu trennende Frage, ob diese Abrede nach dem Recht der AGB wirksam ist oder nicht, bedarf keiner Erörterung. An der Erfüllung der Pflichtangabe ändert sie nichts.
Die Beklagte hat in Ziffer 13 der Darlehensbedingungen gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGBGB die für sie zuständige Aufsichtsbehörde zutreffend angegeben. Dies ist nach der maßgeblichen Vorschrift des § 6 KWG die BaFin. Sie hat weiterhin die erforderliche Pflichtangabe über den Zugang des Verbrauchers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und ggf. die Voraussetzungen für diesen Zugang ordnungsgemäß erteilt. Ohne Erfolg wendet sich die Revision schließlich auch gegen die Ordnungsgemäßheit der Angaben der Beklagten zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).
Aufsatz
Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Bank- und Kapitalmarktrecht
Christian Grüneberg, WM 2025, 1
Rechtsprechung
Zur Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag
BGH vom 03.12.2024 - XI ZR 75/23
WM 2025, 117
Beratermodul WM / WuB Wirtschafts- und Bankrecht
WM und WuB in einem Modul: Die WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht informiert wöchentlich aktuell und umfassend im Rechtsprechungsteil über Urteile und Beschlüsse der Gerichte. Die WuB Entscheidungsanmerkungen zum Wirtschafts- und Bankrecht informieren monatlich aktuell und praxisbezogen kommentiert über alle wichtigen wirtschafts- und bankrechtlichen Entscheidungen. 4 Wochen gratis nutzen!