25.07.2022

Verfallene Burg darf als "lost place" bezeichnet werden

Eine verfallene historische Burg darf vom Betreiber einer Webseite als "lost place" bezeichnet werden. Wenn eine derartige Immobilie als "lost place" bezeichnet wird, handelt es sich um eine offenkundig wahre Tatsachenbehauptung.

AG München v. 9.4.2022 - 142 C 14251/20
Der Sachverhalt:
Die klagende US-amerikanische Gesellschaft ist Eigentümerin eines in Thüringen gelegenen historischen Schlosses. Das Schloss wurde im neunten Jahrhundert erstmals erwähnt. Im vierzehnten Jahrhundert wurde es nach einem Brand wiederhergestellt. Der Beklagte betreibt eine Internetseite. Auf dieser veröffentlichte er 2018 in der Rubrik "Lost Places" diverse Fotografien der Burg, die diese u.a. von innen zeigen.

Die Klägerin behauptet, das Gebäude sei urheberrechtlich geschützt und sie sei Inhaberin der Urheberrechte. Die ungenehmigte Anfertigung der Bilder und das rechtswidrige Eindringen stellten eine Verletzung des "ausländischen Copyrights" der Klägerin dar. Als Schadenersatz verlangte sie 3.000 €. Dies entspräche dem Pauschalpreis, den sie einer Film-Crew bis zu vier Personen für die Lizenz berechne. Die Verbreitung der Fotos verletze den "foreign copyright claim" und moralische Rechte. Die Bezeichnung der Burg als "lost place" sei unwahr. Die Burg sei weder verloren noch verlassen. Der Schadensersatz hierfür betrage 1.500 €.

Der Beklagte vertrat demgegenüber die Ansicht, dass sich der Zustand des Gebäudes einer Ruine ohne jeglichen materiellen oder immateriellen Wert annähere. In diesem Zustand komme der Burg kein Urheberrechtschutz zu. Zudem sei das Grundstück frei zugänglich, Nachteile oder ein Schaden könnten der Klägerin daher durch das Anfertigen von Fotografien nicht entstanden sein.

Das AG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Urheberrechtlicher Schutz nach § 11 S. 1 UrhG kann der Klägerin von Vornherein nicht zukommen, da sie entgegen ihrer auch insoweit unschlüssigen Behauptung nicht Urheberin der Burg ist. Urheber können zum einen nur natürliche, nicht dagegen auch juristische Personen sein. Zum anderen ist nicht dargelegt, dass die Klägerin die Burg errichtet hat, was angesichts des Fertigstellungsdatums jedenfalls des Wiederaufbaus im Jahr 1375 wohl auch eher fernliegen dürfte. Zu abgeleiteten Schutzrechten ist ebenso nichts vorgetragen, ein Entstehen solcher ist angesichts der lange zurückliegenden Errichtung ebenfalls völlig abwegig.

Soweit die Klägerin ihren Antrag auch darauf stützen will, dass der Beklagte die Immobilie der Klägerin auf seiner Internetseite als "lost place" bezeichnet hat, scheiden Schadensersatzansprüche ebenfalls aus. Insbesondere kommt ein Anspruch auf Geldentschädigung nach §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in Betracht.

Die Klägerin verlangt insoweit offenbar Geldentschädigung für immaterielle Schäden ("Verletzung moralischer Rechte"). Eine solche kann zum einen nur natürlichen Personen zustehen und kommt zum anderen nur in Betracht, wenn eine schwere Beeinträchtigung vorliegt, die nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden kann. Die erstgenannte Voraussetzung ist offenkundig nicht erfüllt, auch eine schwerwiegende Beeinträchtigung durch die Äußerung des Beklagten ist nicht annähernd ausreichend dargetan oder ersichtlich.

Überdies scheidet auch insoweit eine Verletzungshandlung offensichtlich aus. Aus den von der Klägerin selbst vorgelegten Lichtbildern ergibt sich unzweifelhaft, dass das Objekt leer steht, nach der Außenansicht zu urteilen ist es zudem tatsächlich in einem äußerst schlechten baulichen Zustand, so dass zumindest der Verfall droht. Wenn der Beklagte eine derartige Immobilie als "lost place" bezeichnet, handelt es sich daher um eine offenkundig wahre Tatsachenbehauptung.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:

Neues zum Foto- und Lichtbildschutz
Dustin Dawirs / Jens K. Fusbahn, IPRB 2020, 292

Auch abrufbar im Beratermodul IPRB - Recht des geistigen Eigentums und der Medien:
Das exklusive Modul für einen gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte des IPRB. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
AG München PM Nr. 27 vom 22.7.2022
Zurück