30.01.2025

Verfassungsbeschwerde gegen Abkühlungsphase beim Abschluss von Restschuldversicherungen zu Allgemein-Verbraucherdarlehen erfolglos

Das BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde von 22 Unternehmen der Versicherungswirtschaft nicht zur Entscheidung angenommen. Diese hatten sich gegen eine Änderung von § 7a Abs. 5 VVG gewandt, mit der beim Abschluss von Restschuldversicherungen zu Allgemein-Verbraucherdarlehen eine sog. Abkühlungsphase eingeführt wird. Die Verfassungsbeschwerde wahrt u.a. nicht den Grundsatz der Subsidiarität; die Unternehmen hätten zunächst den Rechtsweg vor den Fachgerichten beschreiten müssen.

BVerfG v. 20.12.2024 - 1 BvR 1779/24
Der Sachverhalt:
Die 22 Beschwerdeführerinnen, die als Versicherer oder Versicherungsnehmer Restschuldversicherungen als Einzel- oder Gruppenversicherungen abschließen oder diese vermitteln, wenden sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen den zum 1.1.2025 in Kraft getretenen Art. 32 Nr. 2 des Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG). Dieser ändert § 7a Abs. 5 VVG dahin, dass der Abschluss von Restschuldversicherungsverträgen zu Allgemein-Verbraucherdarlehen erst eine Woche nach Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags zulässig ist (Abkühlungsphase).

Das BVerG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da sie unzulässig ist.

Die Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde der in- und ausländischen Versicherungsunternehmen wahrt nicht den Grundsatz der Subsidiarität.

Es ist den beschwerdeführenden Versicherungsunternehmen zuzumuten, eine verbindliche Auskunft in Gestalt einer Weisung der Aufsichtsbehörde darüber einzuholen, ob sie § 7a Abs. 5 VVG n.F. ab dem 1.1.2025 anzuwenden haben und ob die Vorschrift auch über den 20.11.2026 hinaus anzuwenden ist. Die Beschwerdeführerinnen haben nicht dargelegt, dass das Anrufen der Aufsichtsbehörde und ggf. der Fachgerichte erkennbar aussichtslos wäre.

Sie rügen, § 7a Abs. 5 VVG n.F. sei nicht anwendbar, weil die Vorschrift gegen sekundäres Unionsrecht verstoße. Zur Klärung dieser Frage hätte zunächst eine aufsichtliche Weisung eingeholt und bei Bejahung der Anwendbarkeit der fachgerichtliche Rechtsweg beschritten werden müssen. Denn es ist vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte, entscheidungserhebliche unionsrechtliche Fragen aufzuarbeiten und zu prüfen, ob eine Normenkollision mit unionsrechtlichem Fachrecht besteht. Es ist noch nicht geklärt, ob die nach Art. 14 der ab 20.11.2026 anzuwendenden Richtlinie (EU) 2023/2225 über Verbraucherkreditverträge eröffnete Zulässigkeit von Bündelungsgeschäften und die Möglichkeit des Verzichts auf Einhaltung der unionsrechtlich vorgesehenen Abkühlungsphase von "mindestens drei Tagen" der in § 7a Abs. 5 VVG n.F. geregelten Abkühlungsphase entgegensteht. Auch bei der Auslegung des § 7a Abs. 5 VVG n.F. stellen sich fachrechtliche Auslegungsfragen.

Eine Unzumutbarkeit kann sich auch nicht (mehr) daraus ergeben, dass die Normadressaten zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen gezwungen sind. Die Beschwerdeführerinnen haben nach ihrem Vorbringen bereits seit Anfang 2024 umfangreiche Vorbereitungen getroffen, um die angegriffene Vorschrift ab 1.1.2025 einzuhalten. Soweit sie eine erneute Umstellung ihrer Vertragsabschlusspraxis ab Ablauf der Umsetzungsfrist am 20.11.2026 besorgen, tragen sie selbst vor, dass ihre bisherigen Dispositionen umkehrbar sind und folglich in Zukunft korrigiert werden können.

Die Verfassungsbeschwerde ist auch im Hinblick auf die Beschwerdeführerinnen unzulässig, die als Versicherungsnehmerin von Gruppenversicherungsverträgen ("Gruppenspitze") bzw. als Vermittlerin von Beitritten zu diesen Gruppenversicherungsverträgen nicht der Versicherungsaufsicht unterliegen. Sie haben nicht dargelegt, dass ihnen die vorherige Anrufung der Fachgerichte unzumutbar wäre und ihre Verfassungsbeschwerde dem Subsidiaritätsgrundsatz genügt. Mit der Möglichkeit einer negativen Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten nach § 43 VwGO setzen sie sich nicht auseinander. Auf Grundlage des Vorbringens in der Verfassungsbeschwerde lässt sich auch nicht beurteilen, ob den Beschwerdeführerinnen die Erhebung einer Leistungsklage oder einer (negativen) Feststellungsklage vor den Zivilgerichten möglich und zumutbar ist.

Die Verfassungsbeschwerdeschrift verhält sich im Übrigen nicht zu der Frage, ob diese Beschwerdeführerinnen selbst von § 7a Abs. 5 Satz 1 VVG n.F. betroffen sind. Die Annahme, dass § 7a Abs. 5 Satz 3 VVG n.F. dahin auszulegen ist, dass der Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag nur unter den Voraussetzungen des § 7a Abs. 5 Satz 1 VVG n.F. zulässig ist, ist jedenfalls nicht zwingend. Mit der Auslegung dieser Vorschrift setzen sich die Beschwerdeführerinnen jedoch nicht auseinander.

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Aufsatz
VersR REPORT: Unionsrecht - aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungstendenzen
Jan Lüttringhaus, VersR 2024, 1449
VERSR0072371

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