03.01.2022

Vergleichszahlung und Wettbewerbsverbot eines ehemaligen Vorstandes

Die dem ehemaligen Vorstand durch das Wettbewerbsverbot, an das er sich gehalten hat, entgangenen Einnahmen aus einer Tätigkeit bei einem anderen Dienst- bzw. Arbeitgeber, die er ohne das Wettbewerbsverbot hätte ausüben können und auch ausgeübt hätte, hätten auf einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag mit einem Dritten beruht, während die Vergleichszahlung auf einer anderen Rechtsgrundlage gründet.

OLG München v. 15.12.2021, 7 U 2770/21
Der Sachverhalt:
Der Beklagte war von Mai 2016 bis Ende 2017 Vorstand der Klägerin. Der Vorstandsdienstvertrag enthielt für das Jahr 2018 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Beklagten und eine Verpflichtung der Klägerin, dem Beklagten eine Karenzentschädigung zu gewähren, solange sich der Beklagte des Wettbewerbs enthielt. Das LG stufte das Wettbewerbsverbot als nichtig ein.

In einem weiteren Rechtsstreit vor dem LG München I (Az. 5 HK O 7491/19) machte der Beklagte einen Zahlungsanspruch gegen die Klägerin wegen des nichtigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots geltend. Schließlich habe er wegen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nur eine Karenzentschädigung erhalten und habe keine weitergehenden Einkünfte erzielen können. Die Differenz müsse ihm die Klägerin erstatten. In der Folge einigten sich die Parteien zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche vergleichsweise auf die Zahlung von 80.000 € durch die Klägerin an den Beklagten.

Nachdem der Beklagtenvertreter gegenüber der Klägerin im Juni 2020 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich angedroht hatte, veranlasste die Klägerin am selben Tag die Überweisung eines Betrages von 49.034 € an den Beklagten und führte einen weiteren Betrag von 30.965 € als Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag an das Finanzamt ab. Ende Oktober 2020 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass, der Beklagte i.H.d. Differenz zum vollen Vergleichsbetrag die Zwangsvollstreckung eingeleitet hätte.

Die Klägerin trug vor, dass sie den Vergleich mit der Überweisung aus Juni 2020 erfüllt habe. Der Vergleichsbetrag sei ein Bruttobetrag. Die Leistung der Klägerin sei ein Ersatz für den dem Beklagten durch aufgrund des Wettbewerbsverbots entgangene Einnahmen entstandenen Schaden und unterliege daher der Lohn- bzw. Einkommensteuer. Das LG erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich für unzulässig. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage i.S.d. § 767 ZPO ist begründet.

Zwar war in dem Vergleich nicht ausdrücklich geregelt, ob es sich bei den von der Klägerin an den Beklagten zu zahlenden 80.000 € um einen Brutto- oder Nettobetrag handelt. Jedoch gilt auch im Falle eines Vorstandsdienstverhältnisses, das wie ein Arbeitsverhältnis ein Dienstvertragsverhältnis i.S.d §§ 611 ff. BGB ist und das eine Arbeitnehmereigenschaft des Vorstands iSd. § 38 EStG begründet, dass, wenn eine vom Dienstgeber bezogene Leistung der Steuer unterliegt, der Dienstnehmer nach § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer ist und es sich nur dann anders verhält, wenn aufgrund einer Nettovergütungsvereinbarung die Steuern nicht zu Lasten des Dienstnehmers, sondern insgesamt zu Lasten des Dienstgebers gehen sollen. Zutreffend ist das LG deshalb davon ausgegangen, dass die Zahlung der 80.000 € der Lohnsteuer unterliegt, da die aufgrund des Vergleichs erfolgte Zahlung eine Entschädigung gem. § 24 Nr. 1 lit a EStG darstellt und daher beim Beklagten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S.d. §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG begründete.

Auch die nach BFH-Rechtsprechung für die Annahme einer Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 lit a EStG erforderliche weitere Voraussetzung, dass die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht, ist vorliegend erfüllt. Denn die dem Beklagten durch das Wettbewerbsverbot, an das er sich gehalten hat, entgangenen Einnahmen aus einer Tätigkeit bei einem anderen Dienst- bzw. Arbeitgeber, die er ohne das Wettbewerbsverbot hätte ausüben können und auch ausgeübt hätte, hätten auf einem Dienst- bzw. Arbeitsvertrag mit einem Dritten beruht, während die von der Klägerin nunmehr erbrachte Zahlung in dem mit dem Beklagten geschlossenen Vergleich und damit einer anderen Rechtsgrundlage gründet.

Zu Recht hat das LG die Vergleichszahlung auch den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet. Denn Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG werden derjenigen Einkunftsart zugewiesen, zu denen die weggefallenen Einnahmen im Falle ihrer Erzielung gehört hätten. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass der Beklagte seinen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin damit begründet habe, dass ihm aufgrund des Wettbewerbsverbots Einnahmen aus "anderweitigen Anstellungsverhältnisses" entgangen seien. Der Beklagte hat dies in der Folge nicht bestritten, woraufhin das LG in seinem Urteil - für den Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend und von der Berufung im Übrigen auch nicht gerügt - feststellte, dass das "bei dem anderen Unternehmen erzielbare Entgelt (...) der Einkommensteuerpflicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterlegen" wäre. Dass das Vorstandsdienstverhältnis des Beklagten bei der Klägerin bereits beendet ist, änderte an der Steuerbarkeit der Vergleichszahlung als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nichts.
Bayern.Recht
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