Vermittlung des Darlehensvertrags durch den Verkäufer begründet keine Niederlassung der Darlehensgeberin am Ort der Vermittlung
BGH v. 6.5.2025 - X ARZ 38/25
Der Sachverhalt:
Der in Hanau ansässige Kläger nimmt die Beklagten - eine im Bezirk des AG Seligenstadt ansässige Kraftfahrzeughändlerin und eine im Bezirk des AG Mönchengladbach ansässige Bank - vor dem AG Seligenstadt auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen in Anspruch.
Der Kläger hatte bei der Beklagten zu 1) im August 2023 ein Auto gekauft. Einen Teil des Kaufpreises finanzierte er mit einem bei der Beklagten zu 2) auf Vermittlung der Beklagten zu 1) in deren Räumlichkeiten abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag. Im Zeitraum von August 2023 bis Januar 2024 erbrachte der Kläger an die Beklagte zu 2) Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. insgesamt rd. 1.400 €. Der Kläger trat aufgrund von Sachmängeln am Fahrzeug vom Kaufvertrag zurück. Anfang Dezember 2023 erhielt er die an die Beklagte zu 1) entrichtete Anzahlung sowie seinen in Zahlung gegebenen Altwagen zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6.2.2024 erklärte er gegenüber der Beklagten zu 2) den Widerruf des Darlehensvertrages, weil ihm die nach § 492 BGB erforderlichen Informationen nicht erteilt worden seien. Mit Schreiben vom 8.2.2024 erklärte die Beklagte zu 2), die Finanzierung mit dem Kläger habe ihre Erledigung gefunden. Dem Begehren nach Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen kam sie nicht nach.
Der Kläger nimmt die beiden Beklagten vor dem AG Seligenstadt gesamtschuldnerisch auf Zahlung von rd. 1.400 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte zu 2) rügte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Kläger beantragte daraufhin beim OLG Frankfurt a.M. die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands. Dieses hält die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung für erfüllt, sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung aber durch die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.
Der BGH entschied, dass das AG Mönchengladbach zuständig ist.
Die Gründe:
Das vorlegende Gericht hat zu Recht angenommen, dass ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nicht besteht. Der Widerruf eines mit einem Kaufvertrag i.S.v. § 358 BGB verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags führt nicht dazu, dass alle Ansprüche auf Rückabwicklung an demselben Ort zu erfüllen sind. Der Erfüllungsort i.S.v. § 29 ZPO bestimmt sich grundsätzlich nach materiellem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz bzw. seine Niederlassung hatte. Etwas anderes gilt nur, wenn die Parteien einen anderen Leistungsort vereinbart haben oder wenn sich aus den Umständen, insbesondere der Natur des Schuldverhältnisses, ein abweichender Erfüllungsort ergibt. Danach ist der Leistungsort grundsätzlich auch bei gegenseitigen Verträgen für jede Leistung gesondert zu bestimmen. Dass dies zu unterschiedlichen Gerichtsständen führen kann, ist prinzipiell hinzunehmen.
Auf dieser Grundlage liegt der Leistungsort für die geltend gemachte Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen am Sitz der jeweiligen Beklagten. Im Streitfall haben die beiden Beklagten folglich keinen gemeinsamen Gerichtsstand des Erfüllungsorts. Aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt sich im Streitfall kein abweichendes Ergebnis. Der Umstand, dass die Darlehensgeberin mit Ausübung des Widerrufs gem. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eintritt, hat auf den Erfüllungsort ebenfalls keinen Einfluss. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hat nicht das Ziel, dem Schuldner zusätzliche Ansprüche zu verschaffen. Die Vorschrift dient lediglich dem Zweck, eine bilaterale Abwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber zu gewährleisten, und lässt hierzu die Grundlage des mit einer Rückabwicklung "übers Dreieck" intendierten Schutzes eines jeden Beteiligten vor Einwendungen des jeweiligen Schuldners aus einem anderen Rechtsverhältnis entfallen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es nicht der Begründung eines anderen oder zusätzlichen Erfüllungsorts. Eine einheitliche Geltendmachung aller aus dem Widerruf resultierenden Ansprüche des Verbrauchers ist schon dadurch möglich, dass die Klage am Sitz des Darlehensgebers erhoben wird.
Ein gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 12, § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 21 ZPO. Die Vermittlung des Darlehensvertrages durch die Beklagte zu 1) begründet keine Niederlassung der Beklagten zu 2) am Ort der Vermittlung. Für einen Gerichtsstand nach § 21 ZPO ist erforderlich, dass die Leitung der Niederlassung das Recht hat, aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen. Die bloße Vermittlung von Vertragsofferten genügt nicht.
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Rechtsprechung
Keine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts auch bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments; zu den Rechtsfolgen dieser Auslegung
BGH vom 27.02.2024 - XI ZR 258/22
WM 2024, 736
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Der in Hanau ansässige Kläger nimmt die Beklagten - eine im Bezirk des AG Seligenstadt ansässige Kraftfahrzeughändlerin und eine im Bezirk des AG Mönchengladbach ansässige Bank - vor dem AG Seligenstadt auf Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen in Anspruch.
Der Kläger hatte bei der Beklagten zu 1) im August 2023 ein Auto gekauft. Einen Teil des Kaufpreises finanzierte er mit einem bei der Beklagten zu 2) auf Vermittlung der Beklagten zu 1) in deren Räumlichkeiten abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag. Im Zeitraum von August 2023 bis Januar 2024 erbrachte der Kläger an die Beklagte zu 2) Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. insgesamt rd. 1.400 €. Der Kläger trat aufgrund von Sachmängeln am Fahrzeug vom Kaufvertrag zurück. Anfang Dezember 2023 erhielt er die an die Beklagte zu 1) entrichtete Anzahlung sowie seinen in Zahlung gegebenen Altwagen zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 6.2.2024 erklärte er gegenüber der Beklagten zu 2) den Widerruf des Darlehensvertrages, weil ihm die nach § 492 BGB erforderlichen Informationen nicht erteilt worden seien. Mit Schreiben vom 8.2.2024 erklärte die Beklagte zu 2), die Finanzierung mit dem Kläger habe ihre Erledigung gefunden. Dem Begehren nach Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen kam sie nicht nach.
Der Kläger nimmt die beiden Beklagten vor dem AG Seligenstadt gesamtschuldnerisch auf Zahlung von rd. 1.400 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte zu 2) rügte die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Kläger beantragte daraufhin beim OLG Frankfurt a.M. die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands. Dieses hält die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung für erfüllt, sieht sich an einer entsprechenden Entscheidung aber durch die Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte gehindert und hat die Sache deshalb dem BGH vorgelegt.
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Auf dieser Grundlage liegt der Leistungsort für die geltend gemachte Rückzahlung von Zins- und Tilgungsleistungen am Sitz der jeweiligen Beklagten. Im Streitfall haben die beiden Beklagten folglich keinen gemeinsamen Gerichtsstand des Erfüllungsorts. Aus der Natur des Schuldverhältnisses ergibt sich im Streitfall kein abweichendes Ergebnis. Der Umstand, dass die Darlehensgeberin mit Ausübung des Widerrufs gem. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eintritt, hat auf den Erfüllungsort ebenfalls keinen Einfluss. § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB hat nicht das Ziel, dem Schuldner zusätzliche Ansprüche zu verschaffen. Die Vorschrift dient lediglich dem Zweck, eine bilaterale Abwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber zu gewährleisten, und lässt hierzu die Grundlage des mit einer Rückabwicklung "übers Dreieck" intendierten Schutzes eines jeden Beteiligten vor Einwendungen des jeweiligen Schuldners aus einem anderen Rechtsverhältnis entfallen. Zur Erreichung dieses Ziels bedarf es nicht der Begründung eines anderen oder zusätzlichen Erfüllungsorts. Eine einheitliche Geltendmachung aller aus dem Widerruf resultierenden Ansprüche des Verbrauchers ist schon dadurch möglich, dass die Klage am Sitz des Darlehensgebers erhoben wird.
Ein gemeinsamer Gerichtsstand der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 12, § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 21 ZPO. Die Vermittlung des Darlehensvertrages durch die Beklagte zu 1) begründet keine Niederlassung der Beklagten zu 2) am Ort der Vermittlung. Für einen Gerichtsstand nach § 21 ZPO ist erforderlich, dass die Leitung der Niederlassung das Recht hat, aus eigener Entscheidung Geschäfte abzuschließen. Die bloße Vermittlung von Vertragsofferten genügt nicht.
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WM 2024, 736
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