16.09.2016

Verpflichtungszusagen wegen Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für konsolidierte Echtzeit-Dateneinspeisungen

Die EU-Kommission hat die Verpflichtungszusagen, die Thomson Reuters gemacht hat, um seinem Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für konsolidierte Echtzeit-Dateneinspeisungen abzuhelfen, zu Recht für verbindlich erklärt.

EuG 15.9.2016, T-76/14
Der Sachverhalt:
Eine von der EU-Kommission im Jahr 2009 eingeleitete Untersuchung ergab, dass Thomson Reuters, ein kanadisches Unternehmen, eine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt für sog. "konsolidierte Echtzeit-Dateneinspeisungen" einnahm. Diese Dateneinspeisungen liefern Banken und Finanzinstituten Marktdaten aus verschiedenen Quellen. Genutzt werden diese Daten in einer Vielzahl von EDV-Anwendungen und -Programmen für Transaktions- und Überwachungszwecke. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die "Instrument Codes" von Thomson Reuters (kurze alphanumerische Codes, die entwickelt wurden, um Wertpapiere und ihre Handelsplätze zu identifizieren - RICs) ein erhebliches Hindernis für Kunden, die den Anbieter wechseln möchten, darstellten.

Nach Ansicht der Kommission untersagte Thomson Reuters seinen Kunden, die RICs zur Abfrage von Daten aus konsolidierten Echtzeit-Dateneinspeisungen anderer Anbieter zu verwenden und hinderte Dritte und konkurrierende Anbieter daran, Mapping-Tabellen mit den RICs zu erstellen und zu führen, die die Interoperabilität zwischen den Systemen der Kunden von Thomson Reuters und den konsolidierten Echtzeit-Dateneinspeisungen anderer Anbieter ermöglichen würden. Die Kommission kam daher zu dem Ergebnis, dass ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliege. 2012 akzeptierte die Kommission die von Thomson Reuters angebotenen Verpflichtungen, um diesem Missbrauch abzuhelfen. Thomson Reuters bot u.a. an, seinen Kunden Lizenzen zu erteilen, um ihnen die Benutzung der RICs bei der Suche nach Daten in den Programmen konkurrierender Anbieter zu ermöglichen. Thomson Reuters verpflichtete sich ferner, die Informationen zur Verfügung zu stellen, die seine Kunden benötigen, um im Hinblick auf einen Anbieterwechsel Mapping-Tabellen zur Umsetzung der RICs in die Symbolik der konkurrierenden Anbieter zu erstellen.

Morningstar, ein Wettbewerber von Thomson Reuters, der Kunden in der ganzen Welt Dienstleistungen im Bereich der konsolidierten Echtzeit-Dateneinspeisungen anbietet, hat den Beschluss der Kommission angefochten. Laut Morningstar sind konkurrierende Anbieter von der Erteilung der Lizenz ausdrücklich ausgeschlossen und können die RICs auch nicht im Auftrag eines Lizenzinhabers verarbeiten. D.h., konkurrierende Anbieter könnten nach wie vor keine vollkommen vergleichbare und konkurrierende Dienstleistung anbieten. Morningstar hat daher beim EuG die Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission beantragt.

Das EuG wies die Klage ab. Gegen die Entscheidungen des EuG kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim EuGH eingelegt werden.

Die Gründe:
Die von Thomson Reuters angebotenen Verpflichtungen sind zutreffend als geeignet beurteilt worden, die Bedenken der Kommission auszuräumen. Diese hat daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie diese Verpflichtungen akzeptiert hat.

Die Verpflichtungen von Thomson Reuters betreffen im Wesentlichen die den Kunden gebotenen Möglichkeiten eines Anbieterwechsels - sei es durch eigene Mittel oder in Zusammenarbeit mit einem Drittentwickler. Diese können demzufolge mittels der von Thomson Reuters angebotenen Lizenzen bei der Erstellung von Mapping-Tabellen zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Die Kommission war daher der Ansicht, dass Thomson Reuters bei den von ihm erteilten Lizenzen nicht notwendigerweise seine Wettbewerber miteinschließen müsse, um dem Missbrauch einer beherrschenden Stellung abzuhelfen. Sie vertrat ferner zu Recht die Auffassung, dass, den Wettbewerbern von Thomson Reuters Zugang zu den RICs zu erteilen, über das hinausgehe, was zum Ausräumen ihrer Bedenken hinsichtlich eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung notwendig sei.

Thomson Reuters hat den Kunden und Drittentwicklern im Übrigen die Möglichkeit geboten, Mapping-Tabellen zur Umsetzung der RICs in die Symbolik des neuen Anbieters zu erstellen, so dass die an den Anwendungen vorzunehmenden Änderungen keine übermäßigen Kosten verursachen. Diese Verpflichtungen stellen somit einen tatsächlichen Fortschritt für die Kunden von Thomson Reuters dar, da sie, wenn keine tiefgreifenden Änderungen der EDV-Anwendungen erforderlich sind, bei einem eventuellen Anbieterwechsel keine unzumutbaren Kosten zu tragen haben.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.

EuG PM Nr. 100 vom 15.9.2016
Zurück