Verwertung des in seinem Eigentum stehenden Leasinggegenstands durch den Leasinggeber bei Insolvenz des Leasingnehmers
BGH v. 10.4.2025 - IX ZR 203/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem im April 2016 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. GmbH (Schuldnerin). Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war der Handel mit Kraftfahrzeugen. Die Beklagte war mit einem Anteil von 40 % Gesellschafterin der Schuldnerin und eine von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern.
Zur Absicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche aus einem Leasingvertrag zwischen der Schuldnerin als Leasingnehmerin und der P. GmbH als Leasinggeberin übernahm die Beklagte mit Erklärung von Februar 2016 eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Leasingobjekt war ein Mercedes SL 63 AMG. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglich die Schuldnerin die anfallenden Leasingraten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergab der Kläger das Fahrzeug an die Leasinggeberin, die es einer Verwertung zuführte. Der Netto-Verwertungserlös betrug rd. 54.000 €.
Die Leasinggeberin meldete zunächst eine Forderung aus dem Leasingvertrag i.H.v. rd. 89.000 € zur Tabelle an, welche für den Ausfall festgestellt wurde. Nach Verwertung des Mercedes zog sie den Erlös von der angemeldeten Forderung ab und verringerte ihre Forderungsanmeldung entsprechend. Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit noch von Interesse - auf Zahlung i.H.d. Verwertungserlöses von rd. 54.000 € nebst Zinsen in Anspruch, weil die Beklagte insoweit von ihrer Bürgschaftsschuld befreit worden sei.
LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten wies der BGH die Klage ab.
Die Gründe:
Der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch entsprechend § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO besteht nicht.
Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist nach der Rechtsprechung des BGH der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet. Das Gesetz regelt die Frage der Verwertung derart doppelter Sicherheiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht. Im Interesse des gebotenen Schutzes der Masse ist die Regelungslücke dahingehend zu schließen, dass eine vorrangige Haftung der Gesellschaftersicherheit erreicht wird. Da es der freien Entscheidung des doppelt gesicherten Gläubigers unterliegt, die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen, kommt es im Falle der Inanspruchnahme der Gesellschaftssicherheit zu einer entsprechenden Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 InsO.
Es fehlt an einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Erstattungsanspruch entsprechend § 143 Abs. 3 InsO erforderlich ist. Die Verwertung des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin hat nicht zu einem Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der Schuldnerin geführt. Die Leasinggeberin war nicht Inhaberin eines Sicherungsrechts an dem Fahrzeug, sie war dessen Eigentümerin. Der Schuldnerin stand lediglich der entgeltliche und zudem auf die Dauer des Vertrags beschränkte Gebrauch zu. Die Rechte der Leasinggeberin am Fahrzeug stellten mithin keine Sicherung am Gesellschaftsvermögen dar. Zum Erwerb eines wie auch immer gearteten Mehrerlösanspruchs der Schuldnerin nach (unterstellt vorgesehener) Vollamortisation hätte es nur im Falle der Fortführung des Leasingvertrags kommen können. Derartige hypothetische Kausalverläufe vermögen eine Gläubigerbenachteiligung nicht zu begründen. Maßgeblich ist der reale Geschehensablauf. Der Leasingvertrag ist nicht fortgeführt worden.
Die Beklagte ist auch nicht in Höhe des aus der Verwertung des Fahrzeugs erzielten Erlöses von ihrer Bürgschaftsverpflichtung frei geworden. Dies ergibt sich auch nicht aus der Tatbestandswirkung des § 314 ZPO. Offenbleiben konnte hier, ob und falls ja unter welchen Voraussetzungen die Besicherung von Ansprüchen aus einem Leasingvertrag in den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO auf Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Doppelsicherheiten fällt. Gegenstand der bisherigen Rechtsprechung waren Doppelsicherheiten für Darlehensrückzahlungsansprüche. Dies entspricht dem Wortlaut des § 135 Abs. 2 InsO ("Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens").
Für eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO und einen der Sache nach nicht rückzahlbaren Baukostenzuschuss hat der BGH angenommen, dass der Regressanspruch eines Bürgen auch dann eine einem Darlehensrückzahlungsanspruch gleichgestellte Forderung sein kann, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft durch die Bürgschaft die Mittel zur Stellung der Sicherheit verschafft. Ob dieser Gedanke auf die Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO auf Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Doppelsicherheiten übertragen werden kann, bleibt offen. Ebenso musste nicht entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Forderungen des Leasinggebers aus einem Leasingvertrag einem Darlehensrückzahlungsanspruch entsprechen.
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Der Kläger ist Verwalter in dem im April 2016 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. GmbH (Schuldnerin). Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war der Handel mit Kraftfahrzeugen. Die Beklagte war mit einem Anteil von 40 % Gesellschafterin der Schuldnerin und eine von zwei alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern.
Zur Absicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche aus einem Leasingvertrag zwischen der Schuldnerin als Leasingnehmerin und der P. GmbH als Leasinggeberin übernahm die Beklagte mit Erklärung von Februar 2016 eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Leasingobjekt war ein Mercedes SL 63 AMG. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beglich die Schuldnerin die anfallenden Leasingraten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergab der Kläger das Fahrzeug an die Leasinggeberin, die es einer Verwertung zuführte. Der Netto-Verwertungserlös betrug rd. 54.000 €.
Die Leasinggeberin meldete zunächst eine Forderung aus dem Leasingvertrag i.H.v. rd. 89.000 € zur Tabelle an, welche für den Ausfall festgestellt wurde. Nach Verwertung des Mercedes zog sie den Erlös von der angemeldeten Forderung ab und verringerte ihre Forderungsanmeldung entsprechend. Der Kläger nimmt die Beklagte - soweit noch von Interesse - auf Zahlung i.H.d. Verwertungserlöses von rd. 54.000 € nebst Zinsen in Anspruch, weil die Beklagte insoweit von ihrer Bürgschaftsschuld befreit worden sei.
LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten wies der BGH die Klage ab.
Die Gründe:
Der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch entsprechend § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO besteht nicht.
Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist nach der Rechtsprechung des BGH der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet. Das Gesetz regelt die Frage der Verwertung derart doppelter Sicherheiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht. Im Interesse des gebotenen Schutzes der Masse ist die Regelungslücke dahingehend zu schließen, dass eine vorrangige Haftung der Gesellschaftersicherheit erreicht wird. Da es der freien Entscheidung des doppelt gesicherten Gläubigers unterliegt, die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen, kommt es im Falle der Inanspruchnahme der Gesellschaftssicherheit zu einer entsprechenden Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 InsO.
Es fehlt an einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Erstattungsanspruch entsprechend § 143 Abs. 3 InsO erforderlich ist. Die Verwertung des Fahrzeugs durch die Leasinggeberin hat nicht zu einem Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der Schuldnerin geführt. Die Leasinggeberin war nicht Inhaberin eines Sicherungsrechts an dem Fahrzeug, sie war dessen Eigentümerin. Der Schuldnerin stand lediglich der entgeltliche und zudem auf die Dauer des Vertrags beschränkte Gebrauch zu. Die Rechte der Leasinggeberin am Fahrzeug stellten mithin keine Sicherung am Gesellschaftsvermögen dar. Zum Erwerb eines wie auch immer gearteten Mehrerlösanspruchs der Schuldnerin nach (unterstellt vorgesehener) Vollamortisation hätte es nur im Falle der Fortführung des Leasingvertrags kommen können. Derartige hypothetische Kausalverläufe vermögen eine Gläubigerbenachteiligung nicht zu begründen. Maßgeblich ist der reale Geschehensablauf. Der Leasingvertrag ist nicht fortgeführt worden.
Die Beklagte ist auch nicht in Höhe des aus der Verwertung des Fahrzeugs erzielten Erlöses von ihrer Bürgschaftsverpflichtung frei geworden. Dies ergibt sich auch nicht aus der Tatbestandswirkung des § 314 ZPO. Offenbleiben konnte hier, ob und falls ja unter welchen Voraussetzungen die Besicherung von Ansprüchen aus einem Leasingvertrag in den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO auf Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Doppelsicherheiten fällt. Gegenstand der bisherigen Rechtsprechung waren Doppelsicherheiten für Darlehensrückzahlungsansprüche. Dies entspricht dem Wortlaut des § 135 Abs. 2 InsO ("Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens").
Für eine Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO und einen der Sache nach nicht rückzahlbaren Baukostenzuschuss hat der BGH angenommen, dass der Regressanspruch eines Bürgen auch dann eine einem Darlehensrückzahlungsanspruch gleichgestellte Forderung sein kann, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft durch die Bürgschaft die Mittel zur Stellung der Sicherheit verschafft. Ob dieser Gedanke auf die Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO auf Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Doppelsicherheiten übertragen werden kann, bleibt offen. Ebenso musste nicht entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Forderungen des Leasinggebers aus einem Leasingvertrag einem Darlehensrückzahlungsanspruch entsprechen.
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§ 135 Gesellschafterdarlehen
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