Vollstreckungsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen Beschluss des Insolvenzgerichts ist elektronisch zu übermitteln
BGH v. 11.9.2025 - IX ZB 45/23
Der Sachverhalt:
Der weitere Beteiligte zu 1) ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 27.7.2017 am 24.10.2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH i. L. (Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte ein Bankkonto, das zum 6.10.2017 ein Guthaben i.H.v. rd. 130.000 € aufwies und aufgrund eines vom AG am 22.5.2017 angeordneten dinglichen Arrests gepfändet wurde.
Nachdem das Kontoguthaben auf das Hinterlegungskonto des weiteren Beteiligten zu 1) für die Schuldnerin ausgekehrt und als freie Masse geführt wurde, ordnete das LG (Strafkammer) mit Beschluss vom 29.3.2021 gem. §§ 435, 436 StPO, §§ 76a, 73 Abs. 1, § 73c StGB die selbständige Einziehung eines Geldbetrags i.H.v. rd. 2,8 Mio. € gegen die Schuldnerin an. Der weitere Beteiligte zu 2), bei dem es sich um den Justizfiskus eines Bundeslandes handelt, machte ein Absonderungsrecht an dem Kontoguthaben geltend und forderte die Zahlung des Betrags von 130.000 € an die Gerichtskasse. Der weitere Beteiligte zu 1) berief sich darauf, ein solches Recht sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen. Zudem zeigte er mit Schreiben vom 7.12.2022 die Masseunzulänglichkeit an. Die Anzeige wurde am 10.1.2023 im Internet veröffentlicht.
Am 27.12.2022 erging ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Staatsanwaltschaft, gegen den der weitere Beteiligte zu 1) Erinnerung beim AG - Insolvenzgericht - einlegte. Das AG hob daraufhin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf. Auf die von der Staatsanwaltschaft mit der Post und vorab mittels Telefax an das AG übermittelte sofortige Beschwerde hob das LG den Beschluss des AG auf. Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1) hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwarf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG als unzulässig.
Die Gründe:
Das LG hätte nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Erstbeschwerde unzulässig war. Das LG ist ohne Begründung davon ausgegangen, die Beschwerde sei formgerecht eingelegt worden. Das trifft nicht zu, wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt.
Die bereits durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 neu geschaffene Bestimmung des § 130d ZPO ist am 1.1.2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes). Sie ist damit grundsätzlich auf ab diesem Zeitpunkt gegenüber den Gerichten abgegebene Erklärungen von Rechtsanwälten, Behörden oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse anwendbar. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form gem. § 130d Satz 1 ZPO betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen, ihre Nichteinhaltung führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung. Die Staatsanwaltschaft ist als Vollstreckungsbehörde eine Behörde i.S.v. § 130d ZPO. Die Vorschrift ist über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren für Behörden anwendbar.
Die Form des § 130d ZPO ist hier nicht gewahrt, weil der weitere Beteiligte zu 2) die sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 1.8.2023 mit der Post und vorab durch Telefax übermittelt hat. Nur unter den Voraussetzungen des § 130d Satz 2 und 3 ZPO kann ein Antrag nach den allgemeinen Vorschriften übermittelt werden. Gründe für eine solche Ersatzeinreichung sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich. Der weitere Beteiligte zu 2) hat die versäumte Prozesshandlung nicht in der gebotenen Form nachgeholt. Da bereits das AG in dem Beschluss über die Nichtabhilfe die Nichteinhaltung des § 130d ZPO durch den weiteren Beteiligten zu 2) erwogen hat, scheidet eine Wiedereinsetzung schon im Hinblick auf die versäumte Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 3 ZPO aus.
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Der weitere Beteiligte zu 1) ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 27.7.2017 am 24.10.2017 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH i. L. (Schuldnerin). Die Schuldnerin hatte ein Bankkonto, das zum 6.10.2017 ein Guthaben i.H.v. rd. 130.000 € aufwies und aufgrund eines vom AG am 22.5.2017 angeordneten dinglichen Arrests gepfändet wurde.
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