27.10.2025

Wahrung des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten bei wettbewerbsrechtlichen Ermittlungen

Für die Wahrung des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten bei wettbewerbsrechtlichen Ermittlungen ist keine vorherige Genehmigung durch eine Justizbehörde erforderlich. Die Beschlagnahme geschäftlicher E-Mails muss jedoch angemessenen und ausreichenden Verfahrensgarantien sowie einer späteren gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

EuGH, C-258/23 u.a.: Schlussanträge der Generalanwältin v. 23.10.2025
Der Sachverhalt:
Im Rahmen von Ermittlungen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beschlagnahmte die portugiesische Wettbewerbsbehörde E-Mails, die von den Mitarbeitern der von diesen Ermittlungen betroffenen Gesellschaften ausgetauscht worden waren. Diese Gesellschaften traten dem entgegen und machten geltend, dass ihr Recht auf Briefgeheimnis verletzt worden sei und dass es Sache des Ermittlungsrichters und nicht der Staatsanwaltschaft sei, solche Beschlagnahmen zu genehmigen.

Das mit den Rechtssachen befasste portugiesische Gericht möchte vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob die von der Staatsanwaltschaft erteilte Genehmigung ausreichend war oder ob der bloße Umstand, dass die beschlagnahmten Dokumente aus der funktionalen elektronischen Post der Mitarbeiter stammten, ihre Einstufung als "Korrespondenz" erlaubt, deren Unverletzlichkeit ein Grundrecht ist, das ein höheres Schutzniveau genießt, und daher der Ermittlungsrichter tätig werden muss.

In ihren ersten Schlussanträgen vom 20.6.2024 schlug Generalanwältin Laila Medina dem Gerichtshof vor, dem portugiesischen Gericht zu antworten, dass das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens es einer nationalen Wettbewerbsbehörde nicht verwehrt, E-Mails ohne vorherige richterliche Genehmigung zu beschlagnahmen.

Nach Verkündung des Urteils Bezirkshauptmannschaft Landeck sind die Rechtssachen an die Große Kammer verwiesen worden. In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den zuständigen Behörden die Möglichkeit gibt, zum Zweck strafrechtlicher Ermittlungen auf die auf einem Mobiltelefon gespeicherten personenbezogenen Daten zuzugreifen. Die Ausübung dieser Möglichkeit ist jedoch, außer in hinreichend begründeten Eilfällen, u.a. einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle zu unterwerfen.

In ihren Schlussanträgen, um die der Gerichtshof ergänzend ersucht hat, vertritt Generalanwältin Medina die Auffassung, dass die Rechtsprechung in der Rechtssache Bezirkshauptmannschaft Landeck nicht auf die vorliegenden Fälle übertragbar sei, da die Situation nicht vergleichbar sei. Beschlagnahmen durch nationale Wettbewerbsbehörden dienten nämlich der Aufdeckung wettbewerbswidriger Praktiken im Binnenmarkt und beträfen Geschäftsinformationen über juristische Personen und nicht über Einzelpersonen, die von diesen Beschlagnahmen grundsätzlich nur in zweiter Linie betroffen seien. Außerdem ermögliche der Zugang zu den E-Mails eines Unternehmens - im Gegensatz zu dem spezifischen Fall eines Mobiltelefons - keinen vollständigen und unkontrollierten Zugang zu allen an einem einzigen Ort gespeicherten Daten, der ein sehr detailliertes und tiefgehendes Bild des Privatlebens der betroffenen Person liefern könnte (Schlussanträge der Generalanwältin in den verbundenen Rechtssachen C-258/23 | Imagens Médicas Integradas, C-259/23 | Synlabhealth II und C-260/23 | SIBS - Sociedade Gestora de Participações Sociais u.a.).

Die Gründe:
Hinsichtlich des durch die fraglichen Inspektionstätigkeiten bewirkten Eingriffs in das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt, sofern bestimmte Verfahrensgarantien eingehalten werden. Diese Garantien kommen zu den Verpflichtungen der nationalen Wettbewerbsbehörden nach der Datenschutz-Grundverordnung sowie zu einer späteren gerichtlichen Überprüfung sowohl im Lauf des Ermittlungsverfahrens als auch nach seinem Abschluss hinzu. Eine vorherige gerichtliche Genehmigung ist grundsätzlich nur im Fall der Beschlagnahme von E-Mails in der Privatwohnung einer Person oder zur strafrechtlichen Verfolgung einer natürlichen Person erforderlich.

Das Unionsrecht erlaubt es den Mitgliedstaaten gleichwohl, für Inspektionen der nationalen Wettbewerbsbehörden einen Mechanismus der vorherigen Genehmigung durch eine Justizbehörde - einschließlich der Staatsanwaltschaft - vorzusehen, wenn sie dies wünschen.

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EuGH PM Nr. 135 vom 23.10.2025