23.07.2014

Wann stellen Liveschaltungen unzulässige Produktplatzierungen dar?

Die Herausstellung eines Produkts (hier: Hasseröder Brauerei) ist nicht bereits deshalb zu stark, weil ein hiermit verfolgter Werbezweck sich als solcher erkennbar im Sendungsgeschehen abbildet. Zu stark ist sie erst dann, wenn der Werbezweck das Sendungsgeschehen (hier: Finale der UEFA-Europa League) dominiert, d.h. der redaktionelle Geschehensablauf ihm gegenüber in den Hintergrund rückt.

BVerwG 23.7.2014, 6 C 31.13
Der Sachverhalt:
Im Mai 2011 hatte Sat.1 das Finale der UEFA-Europa League übertragen. Im Rahmen von zwei Liveschaltungen in das "Hasseröder Männer-Camp" wurde ein Fußballexperte in Person von Reiner Calmund interviewt, neben dem vier Männer zu sehen waren. Sie waren durch ein Gewinnspiel ausgewählt worden, ein Wochenende in dem "Hasseröder Männer-Camp" zu verbringen. Die Männer trugen jeweils Sweatshirts mit den Aufdrucken der Brauerei.

Während der ersten Liveschaltung standen die Männer an einem Tisch, auf dem sich fünf gefüllte Biergläser sowie ein Eiskübel mit dem Schriftzug der Brauerei befanden. Während der zweiten Liveschaltung spielten sie während des Interviews Tischfußball; vor dem Fußballexperten stand eine Flasche mit dem sichtbaren Emblem der Brauerei. In den 50 Sekunden bzw. 1:17 Minuten dauernden Liveschaltungen wurde der Name der Brauerei drei- bzw. zweimal erwähnt.

Die beklagte Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz beanstandete die Produktplatzierung als Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag. Seit 2010 ist nach dem Rundfunkstaatsvertrag Produktplatzierung im Fernsehen ausnahmsweise u.a. in Sportsendungen zulässig. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass das Produkt nicht zu stark herausgestellt wird.

Das VG hob auf Klage von Sat.1 hin den Beanstandungsbescheid der Beklagten auf; das OVG wies die Klage dagegen ab. Es war der Ansicht, ein Produkt werde i.S.d. Rundfunkstaatsvertrages zu stark herausgestellt, wenn die Herausstellung nach ihrer Art, ihrer Häufigkeit und ihrer Dauer nicht durch redaktionelle Erfordernisse des Programms oder die Notwendigkeit der Darstellung der Lebenswirklichkeit gerechtfertigt sei. Diese Grenze sei im vorliegenden Fall von Sat.1 überschritten worden.

Auf die Revision von Sat.1 hat das BVerwG die Berufungsentscheidung auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Herausstellung eines Produkts ist nicht bereits deshalb zu stark, weil ein hiermit verfolgter Werbezweck sich als solcher erkennbar im Sendungsgeschehen abbildet. Zu stark ist sie erst dann, wenn der Werbezweck das Sendungsgeschehen dominiert, d.h. der redaktionelle Geschehensablauf ihm gegenüber in den Hintergrund rückt.

Ob dies der Fall ist, bestimmt sich allgemein nach der Zahl und Länge der Produktdarstellungen sowie danach, wie weit diese sich ihrer Art nach vom übrigen Sendungsgeschehen abheben und gegebenenfalls den redaktionellen Handlungsablauf sogar regelrecht unterbrechen. Erscheint - wie im vorliegenden Fall - ein bestimmter Handlungsstrang in die Sendung aufgenommen, um Gelegenheit für eine Produktplatzierung zu schaffen, gelten zusätzliche Anforderungen. Es kommt hier auch darauf an, inwieweit der aufgenommene Handlungsstrang hinreichend starke Bezüge zum redaktionellen Sendungskonzept aufweist und sich so im Ganzen betrachtet - trotz der werblichen Motivlage - noch in das übrige Sendungsgeschehen inhaltlich einpasst.

Im vorliegenden Fall hatten die Interviews mit dem der Öffentlichkeit bekannten Fußballexperten im "Hasseröder Männer-Camp" überwiegend das übertragene Fußballspiel zum Gegenstand. Das Produkt bzw. die Embleme der Brauerei waren während der Kameraführung nicht künstlich in den Vordergrund gerückt worden und überlagerten so die Interviews nicht. Vermeintliche Qualitäten des dargestellten Produkts spielten in den Liveschaltungen keine Rolle.

Auch das Zeigen einer geselligen Zusammenkunft von Menschen zur gemeinsamen Verfolgung eines Fußballspiels bildet in einer Fußballsendung keinen Fremdkörper, sondern fügt sich in diese konzeptionell ein. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Zuschauer bei Fußballsendungen (einschließlich des Vor- und Nachspanns zur Spielübertragung) ohnehin mit einer Vielzahl werblich motivierter Darstellungen konfrontiert sind; daher ist ein weiter gefasster Maßstab als in anderen Sendungsformaten angebracht. Bei Würdigung sämtlicher dieser Umstände hielten sich die Liveschaltungen in das "Hasseröder Männer-Camp" somit im Rahmen des rundfunkrechtlich Zulässigen.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie den Volltext der Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 49 vom 23.7.2014
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